Drama | Großbritannien 2017 | 102 Minuten

Regie: Michael Pearce

Als eine junge Frau, die als Touristenführerin arbeitet und noch bei ihren strengen, restriktiven Eltern wohnt, einen geheimnisvollen Naturburschen trifft, entspinnt sich eine leidenschaftliche Liebesgeschichte. Doch auf der britischen Kanalinsel Jersey geht ein Serienmörder um, und ihr neuer Freund gerät als Außenseiter in den Kreis der Verdächtigen. Eine bestechende Mischung aus Psychothriller und Liebesfilm mit starken Darstellern und dichter Atmosphäre. Stimmungsvoll wird ein ebenso reiz- wie unheilvoller Gegensatz zwischen der „zivilisierten“ Inselgesellschaft und der ungezügelten, naturverbundenen Leidenschaft der beiden Außenseiter gezeichnet. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BEAST
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2017
Produktionsfirma
Agile/British Film Institute/Film4/Stray Bear
Regie
Michael Pearce
Buch
Michael Pearce
Kamera
Benjamin Kracun
Musik
Jim Williams
Schnitt
Maya Maffioli
Darsteller
Jessie Buckley (Moll) · Johnny Flynn (Pascal Renouf) · Geraldine James (Hilary Huntington) · Shannon Tarbet (Polly) · Trystan Gravelle (Clifford)
Länge
102 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Krimi
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
MFA (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
MFA (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Diskussion

Ein starkes britisches Spielfilmdebüt, das stimmungsvoll vom ebenso reiz- wie unheilvollen Gegensatz zwischen der „zivilisierten“ Gesellschaft der Insel Jersey und der ungezügelten, naturverbundenen Leidenschaft eines jungen Liebespaares erzählt.

Etwas Bedrückendes, Beklemmendes haben die Innenräume und menschlichen Behausungen in „Beast“: Mit wenig Licht ausgeleuchtet, von Gardinen verhangen, sperren sie das Licht und das Leben aus. Letzteres findet draußen statt, am wilden Meer, den hohen Klippen, unter dem weiten Himmel der englischen Kanalinsel Jersey. Hier lebt Moll, eine junge Frau, die als Touristenführerin arbeitet und noch bei ihren Eltern wohnt. Von der dominanten Mutter wird die Frau mit den ungebändigten roten Locken auf emotional-manipulative Weise kontrolliert, jeder Ausbruch aus den engen „Regeln“ der Familie streng geahndet.

Kein Wunder, dass Moll fasziniert ist, als sie auf Pascal trifft: Der junge Mann scheint ein völlig freies, naturverbundenes Leben zu führen, ist ohne den Ballast von Familie und Konventionen unterwegs. Das macht den Außenseiter für so manchen aber auch verdächtig: Denn ein Serientäter treibt seit ein paar Jahren sein Unwesen auf Jersey und hat bereits drei junge Frauen getötet. Aktuell wird ein weiteres Mädchen vermisst, Melissa – ausgerechnet seit der Nacht, in der Moll Pascal kennenlernte. Als Melissas toter, in der Erde verscharrter Körper entdeckt wird, haben sich Moll und Pascal längst in eine leidenschaftliche Liebesgeschichte gestürzt. Die findet auf einer sehr körperlichen, den essenziellen Dingen des Lebens verpflichteten Ebene statt: Beim Sex, in der Natur, beim ausgelassenen Tanzen, beim gemeinsamen Jagen (und Töten) von Kaninchen. Diese Liebe hat etwas Animalisches, ist eine Naturgewalt.

Was ist hier bestialisch? Die Normen der Gesellschaft oder ihre Überschreitung?

Wer aber ist das Titelgebende „Biest“, der Serienmörder? Die „zivilisierte“ Gesellschaft der wohlhabenden Insel nimmt schon bald den seltsam geschichtslosen Naturburschen Pascal ins Visier. Moll lässt sich ebenfalls zu Zweifeln verführen – um schließlich umso vehementer zu ihm zu stehen, auch dann noch, als Pascal in Untersuchungshaft sitzt. Doch ist das „Biest“ nicht auch Moll selbst? „Moll is a wild one“, sagt ihre Schwester einmal über sie – und meint damit die Tatsache, dass die damals 13-Jährige eine Mitschülerin mit einer Schere lebensgefährlich attackierte. Jessie Buckley spielt die Hauptfigur so, dass man ihr als Zuschauer in jedem Moment zu folgen bereit ist: Sowohl als „Opfer“ einer steifen Gesellschaft und rigiden Familienräson zu Beginn des Films, als auch als leidenschaftlich Liebende, die sich zunehmend selbst ermächtigt – und schließlich zur Täterin wird. Johnny Flynn als Pascal ist Moll ein sehr facettenreiches, geheimnisvolles Gegenüber. Und auch der Rest des Ensembles überzeugt, etwa Geraldine James als gestrenge Mutter.

Michael Pearce, der das Drehbuch schrieb und Regie führte bei seinem Spielfilmdebüt „Beast“, ist gewandt im Kreieren von Atmosphäre und erschafft eine faszinierende Mischung aus Psychothriller und Liebesfilm – ein Gesamtkunstwerk aus spannender Dramaturgie, interessanter Figurenzeichnung, stimmungsvoll dräuender Musik, gut gewählten Locations und fesselnden bildnerischen Einfällen. Pearce gestaltet einen ebenso reiz- wie unheilvollen Gegensatz zwischen Jerseys „zivilisierter“ Gesellschaft, verkörpert von Molls Familie oder dem Polizeibeamten Cliff, und der ungezügelten Leidenschaft von Moll und Pascal.

Atemberaubende Bilder der wilden Naturschönheiten Jerseys

Eine große Unterstützung ist hierbei die Kamera, geführt von Benjamin Kracun: Da ist einerseits das sprichwörtliche Leben im Dämmerzustand in Molls Elternhaus, dessen Dunkel- und Abgeschirmtheit nur durchbrochen wird von den hell flimmernden lokalen TV-Nachrichten über die Suche nach dem Mädchenmörder. Und da sind andererseits wunderbar sinnliche Aufnahmen der sich einander annähernden, ineinander verkeilenden Körper Molls und Pascals – sowie atemberaubende Bilder der wilden Naturschönheiten Jerseys, die natürlich für deren Liebe und Ungezähmtheit stehen.

Derlei Sinnbilder sind in „Beast“ nicht gerade subtil angelegt, Pearce liebt sehr offensichtlich das Spiel mit Bildern, Verweisen, Naturmetaphorik: Hier wäre etwas weniger an Vergleichen und Symbolik mehr gewesen. Doch ist dies eine kleine Einschränkung, die man diesem beunruhigenden, kunstvollen, ganz in seinen Bann ziehenden Regiedebüt gerne verzeiht.

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