Fluten
Drama | Deutschland 2019 | 104 Minuten
Regie: Georg Pelzer
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2019
- Produktionsfirma
- Georg Pelzer Produktion
- Regie
- Georg Pelzer
- Buch
- Georg Pelzer
- Kamera
- Christoph Hertel
- Musik
- Ben Haviour
- Schnitt
- Eva-Maria Arndt · Georg Pelzer
- Darsteller
- Fabian Kloiber (Jonas) · Alissa Borchert (Katharina) · Tamara Theisen (Melissa) · Heidrun Fiedler (Ulli) · Gregor Müller (Paul)
- Länge
- 104 Minuten
- Kinostart
- 29.10.2020
- Fsk
- ab 16; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama
- Externe Links
- IMDb | JustWatch
Ein junger Mann verschweigt seiner Freundin, dass er seinen Job verloren hat, und verstrickt sich immer weiter in ein Geflecht aus Angst und Lügen.
Manche Filme beziehen ihre ganze Dramatik aus dem Umstand, dass die Hauptfigur schweigt. Auch Jonas (Fabian Kloiber), frisch gefeuerter Ex-Mitarbeiter eines hippen Hamburger Start-ups, könnte seiner Freundin Katharina (Alissa Borchert) einfach von seiner Kündigung erzählen, und alles wäre gut oder zumindest besser als das, was folgt. Aber dann wäre der ganze Film auch schon vorbei. Überdies ist in einer durchökonomisierten Welt, die große Stücke auf ihre Transparenz hält, eben gar nichts „einfach“; jedes Sprechen und Handeln kann das falsche sein.
Regisseur Georg Pelzer hat sich für seinen Abschlussfilm an der Bauhaus-Universität Weimar die kalte Welt heutigen Jungunternehmertums vorgenommen. Über diese Welt erfährt man allerdings nicht so viel, wie Trailer und Inhaltsangabe versprechen. „Fluten“ heftet sich entlang eines groben Drehbuchs mit weitgehend improvisierten Dialogen und Kamerabewegungen (Bildgestaltung: Christoph Hertel) an die Fersen eines schweigsamen, aber offenkundig von seiner Freundin sehr geliebten jungen Mannes, der unfreiwillig zum Drifter wird. Und der schließlich vom stillen Tagträumer zum Mann mit leise schwelenden Rachegelüsten mutiert, die durchaus in Richtung Zerstörung und Selbstzerstörung weisen.
Der „Klopper“ der Kündigung
Alles fängt sehr sanft an. Weil Katharina, Inbegriff einer klugen, empathischen Gefährtin, gerade mitten im Prüfungsstress zum Jura-Staatsexamen steht, will Jonas ihr zumindest zwei Wochen lang den „Klopper“ von der Kündigung verheimlichen, wie er einem Freund anvertraut - auf einer Party, auf der ausgerechnet auch Marc zugegen ist, der „Typ, der mich gefeuert hat“. Tobias Schormann spielt diese sehr heutige Variante eines „grauen Herrn“ mit jener Mischung aus dämonischer Brillanz und freundlicher Glätte, die sich osmotisch mit dem kleinteiligen Selbstausbeuter-Kapitalismus der Gegenwart verbindet und diesen idealtypisch verkörpert. Fabian Kloiber passt als Jonas hingegen schon rein optisch nicht in dieses System: Seine farblosen Irgendwie-Klamotten, seine halblange und halbfettige Pferdeschwanz-Frisur und seine Maulfaulheit sind eher peinlich denn cool, sein Blick ist müde und nicht so raubtierhaft fokussiert wie der von Marc.
Jonas tut also jeden Morgen so, als fahre er weiterhin ins Büro. Man sieht ihn beim schier endlosen Umsteigen im öffentlichen Nahverkehr von Hamburg, beim „toter Mann“-Spielen im Hallenbad, sogar beim Versuch, durch eine erneute Bewerbung das Ruder herumzureißen. Dass aus all dem nichts Gutes werden kann, weiß schon die Tonspur: drohende Synthesizerklänge (Musik: Ben Haviour) legen sich schwer auf jeden Anflug von Ausbruch und Freiheit; der dumpfkalte Beat setzt dem inneren Antreiber nichts entgegen, sondern befeuert ihn nur, lässt ihn zur unbezwingbaren Übermacht anschwellen.
Ein Amoklauf steht im Raum
Pelzer gelingen in diesem von abweisenden Fassaden geprägten, selbst in seinen Exzessen unnahbaren Hamburg immer wieder intensive Szenen, wie etwa die im Molotow-Club auf der Reeperbahn gedrehte Party, wo Jonas seinen U-Bahn-Flirt Melissa (Tamara Theisen) unter kompromittierenden Umständen wiedersieht, oder eine gespenstische Szene im Büro, in der die jugendliche Start-up-Crew in gekünstelter und dem Unternehmen geschuldeter Ausgelassenheit herumhopst und -kichert, um sich gegenseitig mit Spielzeugwaffen abzuknallen. Ein Bild, das die Idee eines Amoklaufs lange in der Schwebe hält.
Da „Fluten“ bis zuletzt auf ein lineares Eskalations-Konzept setzt, kommt es zu einigen Vorhersehbarkeiten. Auch trägt die Entscheidung, ganz nah beim undurchschaubaren Jonas zu bleiben, zugleich aber auch die ihn umgebende und zerstörende Berufswelt opak zu belassen, ohne eine weitere Ebene einzuziehen oder zumindest durch den Schnitt auch narrative Unsicherheiten zu erzeugen, zu Längen bei. Unterm Strich verfestigt sich der Eindruck einer zwar mit viel Herzblut gespielten, aber letztlich zu schwachen Dramaturgie, um hundert Minuten Spannung durchzuhalten.