Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt

Drama | Deutschland 2019 | 103 Minuten

Regie: Eliza Petkova

Ein Vater und sein Sohn lieben die gleiche Frau. Die Erzieherin für Kinder mit Trisomie 21 bringt neues Leben, aber auch eine gefährliche Leidenschaft in das noch immer vom traumatischen Verlust der Ehefrau und Mutter gezeichnete Familienleben, da beide Männer bald miteinander konkurrieren. Ein zwischen Erotikthriller und Familiendrama aufgespannter Film, der mitunter allzu sehr den Mustern der Genres folgt, aber auch mit großer Umsicht die Fragilität der Figuren auslotet und diese behutsam aufs Terrain des Erotischen ausweitet. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
Deutsche Film- und Fernsehakademie Berlin/Das Kind mit der goldenen Jacke/REKA Pic./Wild Grass Films
Regie
Eliza Petkova
Buch
Eliza Petkova
Kamera
Constanze Schmitt
Musik
Hannes Marget · Les Voda
Schnitt
Eliza Petkova
Darsteller
Nina Schwabe (Andrea) · Theo Trebs (Martin) · Henning Kober (Philipp) · Leon Ullrich (Kommissar Dreyer) · Anna Manolova (Nadya)
Länge
103 Minuten
Kinostart
01.07.2021
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Ein zwischen Erotikthriller und Familiendrama changierender Film über einen Vater und seinen Sohn, die sich in die gleiche Frau verlieben.

Diskussion

Philipp (Henning Kober) hängt die Vergangenheit ab. Nach Monaten der Trauer wird das Bild seiner verstorbenen Frau endgültig von der Wand genommen. Seine neue Gegenwart heißt Andrea (Nina Schwabe). Eine Frau, die, wie sie selbst sagt, keine Vergangenheit hat. Mit ihr zieht die Gegenwart in ein Haus ein, das von der Vergangenheit nicht loskommt. Der erwachsene Sohn Martin (Theo Trebs) hat den Verlust seiner Mutter noch nicht überwunden und die neue Freundin des Vaters noch nicht akzeptiert.

Doch nach den ersten Begegnungen, in denen er unaufhörlich Gift in Richtung des frischverliebten Paars sprüht, wird Martin allmählich neugierig. Während der Vater im Garten mit dem Katana seine Schwertkampfkunst perfektioniert, wirft der Sohn ein Auge auf Andrea. Bei jeder Geschäftsreise des Vaters, während der er sich mit Andrea das Haus teilt, lauscht Martin an der Zimmertür, beobachtet sie, fotografiert sie, lässt sich von ihr den Reifen flicken, trinkt Wein mit ihr und küsst sie.

Andrea ist das Zentrum des Films, um das bald beide Männer wie verwirrte Insekten kreisen. Die Gefahr, die von der Affäre ausgeht, ist dabei in Andreas Charakter nicht angelegt. Sie ist keine Femme Fatale, sondern eine fast kindliche Figur, die jedem, der sich ihr nähert, mit fast einer außerweltlich leidenschaftlichen Neugier begegnet – auch dem Sohn des Geliebten.

Trauer, Drama, Erotik

Die Affäre mit dem Sohn ist aber nicht nur aus offensichtlichen Gründen gefährlich, sondern auch, weil Martin in seiner Trauer noch allzu fragil ist. Um den gefährlichen Tanz, den diese Fragilität mit der Libido führt, ist „Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt“ konstruiert. Der Film von Eliza Petkova tritt immer wieder behutsam ins Terrain des Erotikthrillers über, ohne das darunterliegende Familiendrama aus den Augen zu verlieren. Es steckt viel Hitchcock in diesem Film, auch wenn dessen allzu generische Dramaturgie die interessanteren Abzweigungen allzu oft kappt.

Dennoch baut sich im gutbürgerlichen Design-Bungalow so viel erotische Spannung auf, dass selbst die seit langem festgefahrene Familiendynamik zu kippen beginnt. Martin, der sich sonst wegduckt, dominiert bald das ohnehin sehr körperliche Verhältnis zu seinem Vater. Wo seine Kraft vorher für eine Massage in die Fingerspitzen floss, wird sie nun auf die gemeinsamen Wettkämpfe konzentriert. Beim Schwimmen im Pool zieht Martin noch den Kürzeren, beim Luftanhalten danach rächt er sich, indem er den Vater zu lange unter Wasser drückt.

Zwischen neu entdeckten Männlichkeitsritualen, den immer weiter ins Fanatische eskalierenden Liebeserklärungen des Sohns und dem Wechsel zwischen Beziehungs- und Affären-Sex steht das gemeinsame Schweigen. Im Beisammensein des gesamten Haushalts, das zwischen den abwechselnden erotischen Abenteuern stattfindet, werden so viel Emotionen stillgestellt, dass jeder nicht-basale Satz und jeder zu lange Blickkontakt alles zum Einsturz zu bringen droht.

Panik am Meer

„Alles“ meint hier auch die Vergangenheit der Familie, die nie im Detail erklärt wird, als Trauma aber umso schmerzhafter in die falsche neue Familienidylle schneidet. Ein Versteckspiel im gemeinsamen Kurzurlaub zwingt Martin zu einem Hilfeschrei, der direkt in diese Vergangenheit führt. Nachdem er mehrere Minuten erfolglos zwischen den Felsen nach Andrea und seinem Vater sucht, die sich eng an eng in eine Felsspalte gepresst haben, übermannt ihn die Panik. Die Stimme bricht, als er „Papa“ ruft. Martin wird vom erwachsenen Mann, der ein Spiel spielt, zum kleinen Jungen, der panische Angst bekommt, auch seinen Vater zu verlieren. Die neue Lebenslust, die sich mit dem neuen Familienentwurf, der kein Familienentwurf ist, über alles legt, verschleiert nur das, was beide Männer nicht einsehen wollen: Die Vergangenheit, die Andrea nicht hat, ist für Vater und Sohn noch immer Teil der Gegenwart.

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