Kill Me Today, Tomorrow I'm Sick!

Tragikomödie | Deutschland 2018 | 137 Minuten

Regie: Joachim Schroeder

Eine engagierte Medienbeauftragte wird 1999 in den Kosovo entsandt, um beim Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg gegen Serbien zu helfen. Dort wird sie jedoch mit zynischen Verwaltungsbeamten konfrontiert, während sich ein gefeierter Freiheitsheld als Gangster und seine rechte Hand als Serienmörder erweisen. Rasant inszenierte, tiefschwarze Satire auf die ambivalente Rolle internationaler Hilfsorganisationen, idealistische Aufbauhelfer ohne interkulturellen Sachverstand und bauernschlaue Einheimische. In seiner ungezügelten Energie schlägt der Film ab und an über die Stränge, setzt aber immer wieder auch brillante Pointen. - Ab 16.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Preview Prod./SK-Film- und Fernsehproduktionsges./WaterFront Film
Regie
Joachim Schroeder · Tobias Streck
Buch
Tobias Streck · Joachim Schroeder
Kamera
Gergely Timar · Peter Pasztor
Musik
Robert Papst · Hugo Siegmeth
Schnitt
Tobias Streck
Darsteller
Karin Hanczewski (Anna Neubert) · Carlo Ljubek (Plaka) · Eray Egilmez (Burim) · Viktor Bashmakov (Dino) · Wolfgang Maria Bauer (Marcello)
Länge
137 Minuten
Kinostart
13.02.2020
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Tragikomödie
Externe Links
IMDb | TMDB

Heimkino

Verleih DVD
absolutMEDIEN (16:9, 1.78:1, DD2.0 dt.)
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Satire um eine junge Frau, die nach dem NATO-Bombardement 1999 in die kosovarische Hauptstadt Pristina kommt, um eine demokratische Medienlandschaft aufzubauen, aber bald merkt, dass sie mit ihrem Idealismus allein auf weiter Flur steht.

Diskussion

Pristina 1999. Eine internationale Militärallianz hat ohne UN-Mandat, aber mit gezielten Luftschlägen dem Kosovo seinen Autonomiestatus gegenüber der jugoslawischen Republik gesichert. Nach dem Krieg soll eine wirtschaftliche und demokratische Infrastruktur errichtet werden, die von einer künftigen Mitgliedschaft in der EU träumen lässt.

Aus einer anderen, subjektiveren Perspektive klingt das so: „Coole Typen von exotischen Organisationen kommen aus aller Welt, um uns zu helfen. Wir Kosovaren sind plötzlich berühmt. Geliebt wie Palästinenser!“ Der Mann, der die Dinge auf den Punkt bringt und dabei in irres Lachen ausbricht, heißt Gazmend. Er träumte einst davon, ein Popstar zu werden, wanderte in die USA aus, brachte es dort aber nur zum Profi-Killer. Jetzt ist er wieder im Kosovo zurück und erledigt die schmutzigen Jobs des korrupten Freiheitshelden Rhaci, allerdings mit der Attitüde eines Popstars.

Ohne Rücksicht auf politische Empfindlichkeiten

Im Kosovo kann 1999 jeder seinen amerikanischen Traum leben. Zu Glücksrittern wie Gazmend oder dem aus Wien anreisenden Bosniaken Plaka gesellt sich der OSZE-Tross, der beim Aufbau des Landes helfen will, nicht immer ohne Eigennutz, aber ziemlich routiniert. Dazu zählt auch die Deutsche Anna Neubert, die sich als Medienbeauftragte um die Strukturen der Öffentlichkeit kümmert, sowie der Journalist Dirk, der sein Handwerk an kosovarische Kollegen vermitteln will.

Ohne Rücksicht auf politische Empfindlichkeiten entwirft „Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!“ eine dunkelschwarze Satire über die Arbeit und den Verwaltungszynismus internationaler Hilfsorganisationen, über idealistische Aufbauhelfer ohne interkulturellen Sachverstand und bauernschlaue Einheimische, die auf dem Schwarzmarkt ihren Schnitt zu machen versuchen. Das alles vor dem Hintergrund rassistischer Lynchmorde und Massengräber, über die noch wenig Gras gewachsen ist.

Es geht um den Aufbau einer Radiostation

Der Film von Joachim Schroeder und Tobias Streck setzt auf brillant platzierte Pointen, die von den Möglichkeiten einer improvisierenden Simultanübersetzung profitieren, während die eigentliche Geschichte vom Aufbau einer Radiostation, die Toleranz und Diversität fördern soll, mitunter ins Sentimentale abgleitet. Während das Geld, das in das Land fließt, über dunkle Kanäle an der Bevölkerung vorbeigeleitet wird, müssen an anderer Stelle Einheimische für nicht zu Ende gedachte Projekte mit ihrem Leben bezahlen.

Die ungezügelte Energie, die das wilde Erzählen des Films befeuert, nimmt keine Rücksicht auf die Wahrung eines ausgewogenen Niveaus, sondern schlägt über die Stränge, wenn Gazmend nebenher auch noch eine Blutspur durch die Schwulenszene zieht oder ein Chauvinist aus dem Kfor-Hauptquartier als Mittäter bei einer Vergewaltigung entlarvt wird. Während Anna sich ihren Idealismus abschminkt und gerade deshalb innerhalb des zynischen Verwaltungsapparats an Handlungsautonomie gewinnt, fragt der mit allen Wassern gewaschene Plaka schon zu Beginn: „Last time Sfor, this time Kfor, next time what for?“

Ein Stoff aus der Wirklichkeit

Auch wenn der Film extrem rasant und grimmig daherkommt, speist sich das Drehbuch doch aus Aufzeichnungen der Schwester eines der Filmemacher, die im Kosovo als Teil des OSZE-Teams als Medienberaterin tätig war. Und so überzeugend engagiert, lässig-souverän bis schrill-psychotisch die Darsteller auch agieren, so sehr irritiert die Mitwirkung von Joachim Steinhöfel und Henryk M. Broder in Nebenrollen, die von ihren politischen Ansichten in der außerfilmischen Realität nicht weit entfernt sind. Hier speist sich die politische Provokation aus einer Haltung, die dafür verantwortlich ist, dass „Kill Me Today, Tomorrow I’m Sick!“ nicht nur von Dominik Graf, sondern auch in der rechtsextremen „Jungen Freiheit“ bejubelt wird. Man kann den „Moral-Kitsch“ (Graf) des Handelsüblichen eben aus ganz unterschiedlichen Gründen ablehnen. Nicht alle davon muss man teilen.

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