Horror | Russland 2019 | 97 Minuten

Regie: Swjatoslaw Podgajewski

In einer russischen Neubausiedlung verschwinden immer wieder kleine Kinder, ohne dass ihre Eltern etwas bemerken. Die Hexe Baba Yaga, die die Siedlung heimsucht, raubt nicht nur die Kinder, sondern auch jede Erinnerung an sie. Nur ein jugendliches Trio erkennt die Gefahr und nimmt den Kampf mit der Hexe auf. Ein aus vielen Motiven und Handlungselementen populärer Horrorfilme zusammengesammeltes Werk, dessen gesellschaftskritischer Subtext sich in einer monotonen, überhasteten Inszenierung verliert. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
YAGA. KOSCHMAR TJOMNOGO LESA
Produktionsland
Russland
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
QS Films/Non-Stop Productions
Regie
Swjatoslaw Podgajewski
Buch
Natalja Dubowaja · Iwan Kapitonow · Swjatoslaw Podgajewski
Kamera
Anton Zenkowitsch
Musik
Nick Skatschkow
Schnitt
Anton Komrakow
Darsteller
Oleg Tschugunow (Jegor) · Glafira Golubewa (Dascha) · Artjom Schigulin (Anton) · Swetlana Ustinowa (Tatjana / Baba Yaga) · Mariana Spiwak (Julia)
Länge
97 Minuten
Kinostart
01.03.2020
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Horror
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Capelight (16:9, 2.35:1, DD5.1 russ./dt.)
Verleih Blu-ray
Capelight (16:9, 2.35:1, dts-HDMA russ./dt.)
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Russischer Horrorfilm, in dem die Hexe Baba Yaga in einer Neubausiedlung nicht nur Kinder raubt, sondern auch jede Erinnerung an sie.

Diskussion

Jégors Zuhause fehlt eine Seele. Der gerade erst bezogene moderne Vorstadtbau ist nur eines unter zahllos symmetrisch angeordneten Reihenhäusern, die den Wald ein Stück zurückgedrängt und mit verkehrsberuhigten Straßenzügen, kurzgeschorenen Zierrasen und dazwischen verteilen Freizeitflächen ersetzt haben. Im präzise geplanten modernen Stadtviertel lebt Jégor (Oleg Tschugunow) mit seinem Vater, seiner Stiefmutter und der kürzlich geborenen Halbschwester Wárja. Doch das Idyll der komfortabel-gleichförmigen Mittelstands-Nachbarschaft ist, wie im Genre üblich, bereits ausgehöhlt. Und wie so oft geht das Böse nicht „da draußen“ um, sondern hat sich längst in der Leere des Familienlebens eingenistet.

Die Hexe hinter der attraktiven Nanny

Das Böse ist in diesem Fall die Hexe Baba Yaga. Die wohl bekannteste Figur der slawischen Mythologie lauert nicht als alte Frau in ihrer Waldhütte auf Hühnerbeinen, sondern wandelt unerkannt durch die Reihenhäuser der gutbürgerlichen Nachbarn. Was der Film mit dem ersten Auftritt eines merkwürdigen Kindermädchens geradezu herausschreit, nimmt Jégors Vater – ein Chauvinist vom alten Schlag – gar nicht erst wahr: hinter der attraktiven Nanny verbirgt sich die kinderfressende Hexe, die ihn umgarnt, um ihm böse Gedanken ins Ohr zu hauchen.

Die Babysitter-Mimikry ist aber nur eine von diversen Methoden, mit denen die Hexe in die Kinderzimmer der Siedlung eindringt. Sie tritt in Träumen auf, verteilt ihre roten Fäden im Haus oder schickt ihre unsichtbaren Diener. Die Methoden der Hexe nutzt Regisseur Swjatoslaw Podgajewski ausgiebig, um sein Arsenal an Genrespielereien auf den jungen Protagonisten loszulassen. Ab dem Moment, wo er einen der Náwjá genannten Diener im Kinderzimmer seiner Halbschwester überrascht, wird Jégor von Monstern, Albträumen, alternativen Realitäten und okkultem Spuk heimgesucht. Die Szenen dazu stehen nahezu ausschließlich im Dienst ausgiebig durchdeklinierter Jump Scares, plötzlicher Bildsequenzen, die mit überlauten Geräuschen verbunden sind, die ihren Schrecken hier zwar mit wenig Blut, aber auch nicht sehr nachhaltig produzieren. Viele der handwerklich gekonnt inszenierten Szenen münden in ein überhastetes Ende. Ein Muster, das sich auf allen Ebenen des Films wiederholt.

Funktional, aber seelenlos

„Baba Yaga“ wirkt wie eine Ansammlung von gekonnt konzipierten (und bei diversen Genreverwandten zusammengeklauten) Subtexten, Motiven und Momenten, die nie die Zeit finden, um ineinanderzugreifen. So scheint das Verschwinden der kleinen Wárja zunächst mit dem gutbürgerlichen Gesellschaftsumfeld verbunden zu sein. Die Eltern stehen so sehr im Bann der Hexe, dass sie ihre Kinder vergessen. Was zunächst wie die zentrale Metapher des Films erscheint, die ein Leben im Autopilot der Verhaltens- und Erziehungsmuster beschreibt, mit dem die Eltern das Familienleben gestalten, wird mit der Jagd auf die Baba Yaga schlichtweg fallen gelassen.

Die Hexenverfolgung übernimmt eine Zweckgemeinschaft aus Jégor und zwei weiteren Jugendlichen. Das Außenseiter-Trio Jégor, Dascha und Anton ist im Grunde mit drei Begriffen vollständig beschrieben: Neuling, Nerd, Schulschläger. Auch das zweite Standbein des Films, die Geschichte einer Zweckgemeinschaft von Jugendlichen, die sich respektieren/lieben lernt, ist viel zu kurz gewachsen. Die Jugendgruppe ist mehr ein Konzept als eine tatsächlich lebendige und dynamische Gemeinschaft, die für einander einsteht, sich streitet und sich dem Bösen stellt. Ihr gemeinsamer Kampf gegen die Hexe ist Horrorkino, gebaut wie eine moderne Neubausiedlung: funktional, ebenmäßig und seelenlos.

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