Drama | Italien 2018 | 83 Minuten

Regie: Karole Di Tommaso

Zwei Italienerinnen, die glücklich miteinander liiert sind, träumen von einem gemeinsamen Kind, stoßen sich aber an den Realitäten ihres Landes. Der autobiografisch unterfütterte Film über den Kinderwunsch zweier Frauen entfaltet sich als Märchen über familiären Zusammenhalt jenseits gesetzlicher Regelungen. Skurrile Traumsequenzen verleihen dem schweren Thema eine Leichtigkeit, die einen sehr einfachen Zugang zu politisch brisanten Diskursen eröffnet, ohne sie ihrer Relevanz zu berauben. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
MAMMA + MAMMA
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
BiBi Film/Rai Cinema
Regie
Karole Di Tommaso
Buch
Karole Di Tommaso · Chiara Ridolfi
Kamera
Sara Purgatorio
Musik
Marta Venturini · Giulia Anania
Schnitt
Martina Caggianelli
Darsteller
Linda Caridi (Karole) · Maria Roveran (Ali) · Andrea Tagliaferri (Andrea) · Silvia Gallerano (Olga) · Stefano Sabelli (Don Antonio)
Länge
83 Minuten
Kinostart
27.02.2020
Fsk
ab 0
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama
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Heimkino

Verleih DVD
Pro-Fun (16:9, 2.35:1, DD5.1 ital.)
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Zwei Italienerinnen, die glücklich miteinander liiert sind, träumen von einem gemeinsamen Kind, stoßen sich aber an den Realitäten ihres Landes.

Diskussion

Karole und Ali sind glücklich. Die beiden Mütter spazieren turtelnd im Sonnenschein und schieben einen Retro-Kinderwagen vor sich her. Das Baby beginnt zu weinen, doch das Schreien scheint aus der Ferne zu kommen. Ali schaut in den Wagen und erschrickt. Das Kind ist weg. „Wo ist unsere Tochter?“, ruft sie, und Karole läuft ziellos umher. Sie klopft an ein Autofenster; zwei Rentnerinnen geben ihr die Telefonnummer der heiligen Madonna, die könne helfen. Sie wählt, doch es meldet sich nur Alis Ex-Freund Andrea. „Aber ihr habt doch noch gar kein Baby“, wundert der sich. Lautes Handyklingeln übertönt die Szene, und langsam wacht Karole auf: Alles nur ein absurder Albtraum.

Die italienische Regisseurin Karole di Tommaso erzählt in „Mom + Mom“ von autobiografischen Erlebnissen; die beiden Hauptfiguren sind nach ihr und ihrer Frau benannt. So märchenhaft-surreal der Traum auch wirken mag, so tief sitzt die Angst, die zugleich Symptom einer gesellschaftlichen Schieflage ist. In Italien haben homosexuelle Paare nur wenige Möglichkeiten, eine Familie zu gründen. Die Ehe ist nicht erlaubt, nur eingetragene eine Lebenspartnerschaft; Adoption sind lediglich sehr eingeschränkt möglich; künstliche Befruchtung ist homosexuellen Paaren untersagt. Auch die Zukunft sieht düster aus: Unter der ultrakonservativen Regierung machte der amtierende Familienminister Lorenzo Fontana deutlich, dass er nur die Konstellation Vater, Mutter und Kind als Familie gelten lasse.

Das Märchen von der Gleichberechtigung

Di Tommaso hätte daraus ein bedrückendes Familiendrama machen können, doch sie umschifft die Schwere des Themas mit Hilfe von Träumen und Rückblenden, die klug zwischen die Handlung montiert sind. Etwa ein Gespräch mit einem Arzt, der dem Paar bei seinem Kinderwunsch nicht helfen kann. Statt dies als trocken-bürokratischen Akt zu inszenieren, entwickelt der Film eine Art Fangspiel zwischen den beiden Frauen und dem Mediziner, das in die Empfehlung mündet, sich an eine ausländische Klinik zu wenden.

„Mom + Mom“ ist ein märchenhaftes Drama, das trotz seiner Leichtigkeit politische Schlagkraft besitzt. Das beginnt schon vor dem ersten Bild: Di Tommaso widmet den Film ihrer Ehefrau Alessia und dem gemeinsamen Sohn. Zugehörigkeitsgefühl und Rechtslage sind hier eindeutig nicht deckungsgleich.

Das Paar im Film entscheidet sich letztlich für eine künstliche Befruchtung in Barcelona, was eine kostspielige Angelegenheit ist. Di Tommaso hinterfragt hier ganz nebenbei das Stereotyp der wohlhabenden, weil von zwei Einkommen profitierenden gleichgeschlechtlichen Paare und stellt fest: Diskriminierung geht immer auch mit ökonomischen Nachteilen für die Betroffenen einher. Nur reichen Homosexuellen ist es angesichts der gesellschaftlichen Hürden möglich, eine Familie zu gründen.

Eine erfrischende Quirligkeit

Die Beziehung der beiden ist trotz aller Widrigkeiten von einer erfrischenden Quirligkeit geprägt, deren Energie über alle Widrigkeiten hinwegfegt. Das Bekenntnis zueinander lässt Karole und Ali scheinbar schweben und gibt die meist heitere Stimmung des Films vor. Homophobe Bemerkungen quittieren die Frauen mit einem Schulterzucken; ihr Traum von einer Familie verleiht ihnen die Kraft, sich allen Hindernissen zu stellen. Auch das von Karole gefürchtete Gespräch mit ihrer eigenen Familie lässt sich lösen: Wo ihre katholische Mutter Tabus immer noch totschweigt, steht der Großvater in seinem Olivenhain, zuckt liebevoll mit den Schultern und scherzt darüber, dass man Männer ja auch nur zu Befruchtung benötige.

Bisweilen entgleist diese Leichtigkeit ins Klamaukhafte. So sperren sich Ali und Karole nach dem Anruf der Klinik mit ungelenkem Slapstick aus der eigenen Wohnung aus und lösen in der Folge vor lauter Hektik eine Lawine von Missgeschicken aus. Meist aber gelingt es der Inszenierung, die Schwerelosigkeit in der Beziehung zwischen Karole und Ali einzufangen. Auch benötigen Karole und ihr Großvater nicht viele Worte, um einander zu verstehen. Auf dem Heimweg vom Olivenhain radelt sie ausgelassen vor seinem Auto her; er hat alle Fenster heruntergekurbelt, und gemeinsam fahren sie Schlangenlinien. In solchen Momenten nähert sich die Realität der Frauen ihren warm ausgeleuchteten Traumsequenzen an, ohne die albtraumhaften Wendungen des Anfangs zu vergessen. Es sind die stärksten Szenen des Films, die der politischen Brisanz des Themas mit Leichtigkeit begegnen, ohne ihnen die Relevanz zu nehmen.

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