Eat Drink Man Woman

Komödie | Taiwan/USA 1994 | 123 Minuten

Regie: Ang Lee

Ein verwitweter Meisterkoch in Taipeh will seinen drei Töchtern zwischen 20 und 30 Jahren ein gutes Zuhause bieten, hat sich aber innerlich zurückgezogen, so daß auch das allsonntägliche Mittagessen zum eher stummen Ritual geworden ist. Zudem leidet er darunter, daß er ihnen eine Entscheidung mitteilen will, die sie in Verwirrung und Enttäuschung stürzen wird. Eine liebenswerte Komödie, die mit großer Zuneigung zu den Personen Episoden ihres Alltags entwirft. Am Beispiel von "Essen und Trinken, Mann und Frau" umschreibt er feinsinnig und behutsam menschliche Gefühle, die aus der Balance geraten sind und die Verständigung zwischen den Generationen erschweren. (O.m.d.U.; abschließender Teil einer Trilogie; Titel der früheren Teile: "Schiebende Hände" und "Das Hochzeitsbankett"; Neuverfilmung: "Tortilla Soup") - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EAT DRINK MAN WOMAN
Produktionsland
Taiwan/USA
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Central Motion Picture/Ang Lee Prod./Good Machine
Regie
Ang Lee
Buch
Hui-Ling Wang · Ang Lee · James Schamus
Kamera
Jong Lin
Musik
Mader
Schnitt
Tim Squyres
Darsteller
Sihung Lung (Chu) · Kuei-Mei Yang (Jia Jen) · Chein-Lien Wu (Jia Chien) · Yu-Wen Wang (Jia Ning) · Winston Chao (Li Kai)
Länge
123 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt/Arthaus (16:9, 1.85:1, DD2.0 Mandarin/dt.)
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Diskussion
Es scheint ein Wesenszug im traditionellen chinesischen Verhalten zu sein, daß man versucht, sich aus höflicher Zurückhaltung vor dem Mitmenschen zu verbergen, damit dieser nicht merkt, was in einem vorgeht. Doch im Lauf der Zeit hat sich dieses Höflichkeitsritual gegen den Menschen gewandt, und er findet nun nicht mehr aus seinem selbstgesponnenen Kokon heraus: er verbirgt sich auch vor sich selbst, vermag nicht mehr, sich zu dem eigenen Leben zu bekennen. Die Tradition hat sich gegen ihn gerichtet und erscheint in der modernen, verwestlichten Welt als überlebt, nicht mehr sinnvoll. Ein Konflikt vor allem auch zwischen den Generationen ist damit programmiert. Davon handelte bereits Ang Lees "Das Hochzeitsbankett" (fd 30 467), und davon erzählt nun auch seine neueste Komödie, die der 1954 in Taiwan geborene Filmemacher als Abschluß seiner "Trilogie über die Väter" konzipierte. (Der erste Teil "Pushing Hands", 1991, kam nicht in hiesige Kinos.) Diesmal sind die Akzente freilich etwas verschoben, und letztlich sind es einmal nicht die Kinder, die ihren traditionsbewußteren Vater enttäuschen werden, sondern es wird umgekehrt sein. Denn das Nicht-Verstehen zwischen jung und alt ist keine einseitige Angelegenheit; auch die vorgeblich moderneren und aufgeschlosseneren Kinder machen sich ihre Bilder der Alten, die sich als trügerisch erweisen können.

Für Ang Lee sind solche Gedanken kein Anlaß für ballastschwere, verbissen-tiefsinnige Reflexionen; er verwebt sie spielerisch leicht in liebenswert-unterhaltsame, mal in Maßen traurige, dann wieder fröhliche Episoden, die sich allmählich, aber beharrlich zu einer tragfähigen Einheit verbinden. Im Mittelpunkt des Geschichtenreigens steht Meisterkoch Chu, der in Taipeh als einer der ganz Großen seines Fachs gilt und selbst abzusehende Katastrophen - etwa bei einem ausladenden Hochzeitsbankett des Gouverneurs, bei dem die als Delikatesse eingekauften Haifischflossen zerfallen - souverän abzuwenden versteht. In seinem privaten Leben sieht es da freilich anders aus. Chu, seit 16 Jahren verwitwet, lebt zusammen mit seinen drei hübschen Töchtern, denen er ein gutes Zuhause bieten will, sich aber bei aller Liebe innerlich zurückgezogen hat und vor den jungen Frauen verbirgt. Das zum Ritual gewordene sonntägliche Mittagessen, von Chu mit immensem Aufwand zubereitet, soll den Bestand der Familie dokumentieren, wird aber eher schweigend eingenommen und ist neuerdings zudem von einer bedrückenden Erkenntnis überschattet: Chu hat seinen Geschmacksinn verloren, er kocht mit der ganzen Routine seiner beruflichen Erfahrung, kann aber manchen geschmacklichen "Ausrutscher" nicht vermeiden. Etwas lastet auf seiner Seele, doch immer, wenn er sich den Töchtern zu offenbaren bereit ist, kommen sie ihm mit jeweils anderen Neuigkeiten zuvor. So gedenkt Jien Chien, die sich als erfolgreiche Geschäftsfrau in der Männerwelt einer Luftfahrtgesellschaft eine Spitzenposition erarbeitet hat, auszuziehen. Sie ist geschieden, fühlt sich nicht nur finanziell unabhängig, wird jedoch im Lauf der Ereignisse viele Enttäuschungen erleben und zum Schluß, für sie selbst überraschend, zum Vater (und damit zur traditionellen Rolle) zurückkehren. Jia Jen, mit 30 Jahren die älteste Tochter, arbeitet als Chemie-Lehrerin und droht nach einer (nur erdachten?) Liebesenttäuschung zum duckmäuserischen Mauerblümchen zu werden. Erst spät überwindet sie sich und ergreift die Initiative; und so kann sie eines Tages beim Sonntagsbankett ihre Hochzeit mit einem Kollegen kundtun. Die 20jährige Jia Ning schließlich geht noch zur Schule, jobbt in einem Fast-Food-Restaurant, wo sie den Freund einer Kollegin kennenlernt und sich verliebt. Als sie schwanger wird, ist das Nesthäkchen die erste, die das väterliche Haus verläßt.

Behutsam, feinsinnig und mit viel Zuneigung zu den Personen verflechtet Ang Lee die Episoden miteinander. Die Übergänge füllt er einerseits mit detailreichen Szenen der Essenszubereitung, die einen intensiven, sinnlichen Genuß fürs Auge bescheren und einen ganz eigenen kulturellen Kosmos scharfen; andererseits montiert er immer wieder kurze Alltagsszenen vom Verkehr draußen auf den Straßen ein, vom immer fließenden Strom der Autos und Fahrräder, die die Ereignisse um Chu und seine Töchter "zurückholen" in den Alltag und sie einordnen. Ebenso sind Einblicke in die Berufswelt der drei Töchter, aber auch ins schulische Leben des von Chu so geliebten Nachbarskindes äußerst pointierte und beredte Kommentare zum modernen Leben in Taipeh: Massenszenen mit der Tendenz zur Massenabfertigung, die individuelle Konturen und Bedürfnisse konterkarieren. Auch das Essen wird herabgewürdigt zur gedankenlos und beiläufig eingenommen Speise, die weder mit Bewußtsein und Sorgfalt zubereitet noch gegessen wird. Essen und Trinken, Männer und Frauen - das sind für Chu (und Ang Lee) aber große menschliche Triebe von lebenswichtiger Bedeutung, die verschüttet zu werden drohen. Für Chu spiegelt das Kochen das Leben - und umgekehrt -, und er leidet an der gestörten Harmonie beider Elemente. Doch er selbst ist ja ebenfalls Protagonist aus der Balance geratener Kräfte, die Störung seiner (geschmacklichen) Sinne Ausdruck einer seelisch bedingten Unruhe. Das Geheimnis, das er vor seinen Töchtern bis zum Ende des Films verbirgt und das diese in Verwirrung und Enttäuschung stürzen wird, klärt, endlich einmal offenbart, vieles und reinigt die Luft. Und am Ende erkennt Chu dann noch etwas und sagt es all "seinen" Frauen: Das Leben ist doch (noch) mehr als das Kochen, denn Kochen fängt man erst an, wenn man alle Zutaten zusammenhat.
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