Wolf - Das Tier im Manne

Horror | USA 1993 | 125 (gek. 116) Minuten

Regie: Mike Nichols

Ein anerkannter Chefredakteur eines New Yorker Verlagshauses verliert im Dickicht von kommerziellem Egoismus und ehrgeizigen privaten Intrigen seinen Posten. Mit Elementen des Werwolf-Mythos akzentuierte Story: Dem Wolf ist nur der Wolf gewachsen. Ein ironisch-resignativer Kommentar zum Managertum der 90er Jahre, der die allmähliche Wandlung des (bei einem Unfall von einem Wolf gebissenen) Redakteurs an genrebekannten Motiven des Horrorfilms versinnbildlicht. Nicht ganz überzeugend, aber unkonventionell und schauspielerisch wie stilistisch auf beachtlichem Niveau.
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Filmdaten

Originaltitel
WOLF
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Columbia
Regie
Mike Nichols
Buch
Jim Harrison · Wesley Strict
Kamera
Giuseppe Rotunno
Musik
Ennio Morricone
Schnitt
Sam O'Steen
Darsteller
Jack Nicholson (Will Randall) · Michelle Pfeiffer (Laura Alden) · James Spader (Stewart Swinton) · Kate Nelligan (Charlotte Randall) · Richard Jenkins (Detective Bridger)
Länge
125 (gek. 116) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f (gek.ab 12) (DVD 16)
Genre
Horror | Drama
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Columbia TriStar Home (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.)
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Diskussion
Der 1931 als Michael Igor Poschkowsky in Berlin geborene Mike Nichols gehört zu den wenigen erfolgreichen, aber unangepaßten Regisseuren Hollywoods. Seine Filme - von "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" (fd 14 478) und "Die Reifeprüfung" (fd 15 718) bis zu "Silkwood" (fd 24 509) und "Die Waffen der Frauen" (fd 27 389) - sind Beschreibungen auf sich selbst zurückgeworfener Charaktere, die in einer ihnen zumeist feindlichen Umwelt nach Orientierung und Selbstverständnis suchen. Mit großem Geschick benutzt Nichols bewährte filmische Muster und Modelle, die er mit satirischen Elementen unterläuft. Die daraus entstehende Ambivalenz macht seine Filme als brillante, stets mit hochrangigen Stars besetzte Kinounterhaltung, aber auch als intelligente soziale Kommentare konsumierbar. "Wolf folgt dieser Tradition und fügt der Palette populärer Genrebilder, deren sich Nichols virtuos bedient, ein neues hinzu: den Horrorfilm.

Will Randall, Chefredakteur in einem renommierten New Yorker Verlagshaus, befindet sich auf der Rückfahrt durchs winterliche Vermont, als ihm ein Tier in den Weg läuft. So ungewöhnlich es in einem New-England-Staat auch sein mag, das verletzt auf der Straße liegende Tier entpuppt sich als ein Wolf, durchaus noch fähig, den verwirrten und besorgten Randall ins Handgelenk zu beißen. Mit einem Wolfsbiß in mondklarer Nacht begannen für gewöhnlich die Verwandlungsgeschichten eines Genres, das seit "The Werewolf of London" (1935) und "The Wolf Man" (1941) ein über Jahrzehnte oft variiertes Leben fristet. Wie seine unglückseligen Vorgänger verspürt auch Randall zunächst nur die scheinbar harmlosen Begleiterscheinungen der folgenreichen Begegnung und kehrt in den Verlag zurück, der kürzlich von dem selbstgefälligen, skrupellosen Milliardär Alden übernommen wurde. Obwohl in Fachkreisen in hohem Ansehen stehend, erwartet Randall seinen Rausschmiß. Was er jedoch nicht voraussieht, ist das infame Doppelspiel seines jungen Protegés Swinton, der sich nicht nur ins Vertrauen des neuen Bosses eingeschlichen hat, sondern den er auch noch mit seiner Frau ertappt. Randall ist nicht der Typ, der sich ins Intrigengeschäft zu stürzen pflegt. Eher schon neigt er dazu, sich - mit ein wenig Sarkasmus - die Wunden zu lecken und sich einer verwandten Seele, Aldens widerspenstiger Tochter Laura, mitzuteilen. Währenddessen konstatiert er seltsame körperliche Veränderungen: ungewohnte Schärfung der Sinne und eine nicht zu bändigende nächtliche Unruhe.

Obwohl sich Nichols des in diesem Genre bewährten Make-Up-Spezialisten Rick Baker versichert hat, wartet der Zuschauer vergeblich auf schaurig-schöne Metamorphosen. "Wolf ist stilistisch ebenso weit von den traditionellen Werwolf-Filmen entfernt wie von dem Hang nach purer äußerlicher Perfektion, der alle Fantasy-Filme seit Lucas und Spielberg kennzeichnet. Anders als seine Vorgänger integriert Nichols nicht Elemente einer realistischen Story in ein phantastisches Konzept, sondern akzentuiert - gerade umgekehrt - eine Geschichte von exemplarischer sozialer Signifikanz mit sinnbildhaften Bestandteilen des vertrauten Horror-Mythos. Es sind der Take-over-Boom und die eiskalte Manager-Philosophie der 90er Jahre, die im Mittelpunkt stehen, und nicht die Jekyll-und-Hyde-Komplexe aus viktorianischer Vorzeit. Autor Wesley Strick, der schon bei der aktualisierten Version des alten "Cape Fear"-Stoffes für Martin Scorseses "Kap der Angst" (fd 29 409) Ähnliches versucht hat, greift auch diesmal auf ein Monster zurück, um gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu demonstrieren. Nur, daß bei "Wolf - vielleicht durch die Mitwirkung von Co-Autor Jim Harrison und Nichols' früherer (in den Credits verschwiegenen) Partnerin Elaine May - der Tonfall mehr zum Sarkastischen ausschlägt. Erst als Randall die brutalen Eigenschaften tierischer Arterhaltung annimmt, vermag er den eigensüchtigen Rivalen Paroli zu bieten. Dem Wolf ist nur der Wolf gewachsen, kommentiert Nichols Crash-Kurs in moderner Geschäftspsychologie ziemlich unüberhörbar, Aber er tut es nicht mit verärgerter Rache-Attitüde, sondern eher mit einem Anflug von Resignation und Melancholie. Selbst als - ähnlich wie in "Kap der Angst" - die Gegenspieler, inzwischen beide zu reißenden Wölfen geworden, sich wortwörtlich zu zerfleischen beginnen, läßt Nichols die Gewalttätigkeit der Szene in die märchenhafte Sehnsucht des unerfüllbaren Liebestraums von "La Belle et la Bête" ausklingen.

Man mag gegen "Wolf einwenden, daß es Nichols nicht ganz gelingt, die disparaten Motive und Gefühle unter einen Hut zu bringen, daß vor allem die ironischen Schlaglichter in der zweiten Hälfte des Films zu sehr am Rande bleiben. Doch werden solche Mängel mehr als aufgefangen durch Nicholsons facettenreiches Spiel und die dramaturgische Kohärenz der Umkehrung eines stilistischen Prinzips. Ennio Morricone hat für "Wolf eine seiner schönsten Musiken beigetragen, ohne die der Film viel von dem über ihm liegenden Schleier der Traurigkeit verlieren würde.
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