Tod auf dem Nil (2020)

Romain Antony | 13.05.2022

Der Film „Tod auf dem Nil“, eine erneute Verfilmung des Krimis von Agatha Christie aus dem Jahre 1937, ist tödlich langweilig, ein Mordanschlag mittels glamouröser Bilder. Fassungslos fragt man sich, was die Produzenten und den Regisseur bewogen haben mag, in der Nachfolge der bereits 1977 von John Guillermin gedrehten Fassung und dem Nachfolge-Remake von Andy Wilson aus dem Jahre 2004, sich erneut des Sujets zu bedienen. Hat sich Branagh in seinem Film „Mord im Orient Express“ bereits mit Champagner und geschliffenen Sektgläsern in die Opulenz der wohlhabenden Gierschlunde gemischt, so paart sich der Upperclassluxus auf dem Nil mit Reiseführer- trächtigen Sand-, Pyramiden-, Nil- und Abendrotbildern. Eingeführt wird Hercule Poirot durch eine Plansequenz in den Gräben von Yper, 1914, wo er seinem Capitaine den günstigsten Zeitpunkt für einen Angriff auf deutsche Stellungen vorschlägt. Mit seiner überragenden Beobachtungsgabe hat er nämlich festgestellt, dass die Winde drehen, wenn die Vögel auffliegen. Damit ergibt sich ein günstiger Zeitpunkt, um - unterstützt mit günstiger Windrichtung- mit Gas und Gasmaske den erfolgreichen Angriff zu wagen. Jedoch, oh Jammer, der Capitaine stolpert über einen Minendraht, verliert sein Leben und Poirot einen Teil seines Gesichts. Im riesigen Lazarettsaal sieht man dann eine Heerschar von Krankenschwestern, choreographiert, aber tätigkeitslos, durch die Bettengänge wandeln, während Poirots schöne Geliebte, die sich ebenfalls als Krankenschwester zu erkennen gibt, was man sich ihrem Auftreten und ihrer eleganten Erscheinung nach allerdings kaum vorstellen kann, sich von seinem entstellten Gesicht nicht schrecken lässt. Sie schlägt ihm vor, seine Narben mit einem Bart zu kaschieren. In der Eingangssequenz, wie in „Belfast“ , irrt die Kamera umherirrt und - statt durch Nordirlands Straßen - fährt sie durch die Schützengräben. Sie ist ein Filmchen im Film, ihn aufteilend in ein kriegsgräuliches Schwarzweiß und ein nilromatisches Ockergelbrot. Den unglaubwürdigen, pathetischen Kommentar von Poirot gilt es zu erwähnen, der das Falsche nicht wahrer werden lässt und mit dem Poirot bedauert, seinen Capitaine nicht rechtzeitig vor der explodieren Mine gewarnt zu haben. Der Filmanfang hat mit der folgenden Geschichte kaum was zu tun, außer, dass man erfährt, weshalb Poirot sich einen Horst-Lichter-Bart zugelegt hat. Much Ado About Nothing, würde Shakespeare zu seinem Lieblingsverfilmer sagen. In der deutschen DVD-Fassung näselt Hercule Poirot, der Meisterdetektiv (Kenneth Branagh) mit französischem Akzent und wird getoppt von der französisch näselnden Louise Bourget (Rose Leslie), die entspannenderweise nur eine kleine Rolle inne hat, denn der französische Akzent in der Synchronfassung ist ermüdend. Zwanzig Folgen „Columbo“ anzusehen oder alle „Maigrets“, seien sie gespielt von Harry Baur, Jean Gabin, Albert Préjean, Rowan Atkinson, Bruno Cremer, Jean Richard, Gino Cervi, Heinz Rühmann oder die 14 Folgen von Sherlock Holmes mit Basil Rathbone im Binge-Watching, das alles kann keine Folter sein im Vergleich zu dem Nilfilm mit dem drögen Poirot, der Fragen stellend durch den Film chargiert. Sein Nachdenkprozess bleibt unnachvollziehbar. Man wartet auf die wenig überraschende Lösung, die man wahrscheinlich bereits von Ustinov-Poirot und Suchet-Poirot aus den vorherigen Versionen in Erinnerung hat, um sie dann in den letzten Filmminuten auf dem Erklärungstablett geschildert und bebildert zu bekommen. Branagh muss geahnt haben, dass sein Film sich nicht mit detektivischer Spürsinnsleistung auszeichnen kann. Er hätte sich klassenkämpferischer Interaktionen bedienen können, hätte eine Farce, eine Satire mit brillanten Dialogen schaffen können, aber nein, just crack-brained small talk. Lieber verlegt er sich auf Postkartenaufnahmen, auf die Beschreibung von Exterieurs, Landschaften, luxuriösem Outfit. Das hat schon mit dem „Orient Express“ gut Kasse gemacht. cf. auch www.filmekommentieren.wordpress.com