Drama | USA 2020 | 116 Minuten

Regie: Julia Hart

Eine junge Mutter muss untertauchen, weil ihr krimineller Mann in Schwierigkeiten geraten ist. Ein vom ihm beauftragter Fahrer chauffiert sie und ihr Baby von einem Versteck zum anderen. Als Gegenfolie zu den männlich dominierten Gangsterfilmen des New Hollywood entwirft der Film ein kluges Szenario um die Figur der in anderen Filmen unsichtbaren oder marginalisierten Mobster-Gattin und zeichnet diese als stoisch-pragmatische, äußerst schlagfertige Frau, die sich aus dem bequemen Hausfrauen-Kokon in ein eigenes Leben freistrampelt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
I'M YOUR WOMAN
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Big Indie Pictures/Original Headquarters
Regie
Julia Hart
Buch
Julia Hart · Jordan Horowitz
Kamera
Bryce Fortner
Musik
ASKA
Schnitt
Shayar Bhansali · Tracey Wadmore-Smith
Darsteller
Rachel Brosnahan (Jean) · Arinzé Kene (Cal) · Marsha Stephanie Blake (Teri) · Jameson Charles (Harry) · Justin Charles (Harry)
Länge
116 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama | Thriller
Externe Links
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Eine Mobster-Gattin muss in den 1970er-Jahren untertauchen, weil ihr Mann in Schwierigkeiten geraten ist, und strampelt sich dabei aus dem Kokon eines bequemen Hausfrauendaseins in ein eigenständiges Leben frei.

Diskussion

Selig sind die Unwissenden – allerdings nur solange sie sich in Sicherheit wähnen. Das muss die junge Mutter Jean auf die harte Tour erfahren, als plötzlich unbekannte Männer in ihr Heim stürmen; sie müsse sofort untertauchen, ihr Ehemann Eddie stecke in Schwierigkeiten.

Die US-amerikanische Filmemacherin Julia Hart liefert in „I’m Your Woman“ eine Variation einer oft übersehenen Prämisse des klassischen Gangsterfilms: die der fürsorglichen Ehefrau, die zuhause die Familie umhegt und keine Fragen stellt, während der Ehemann mit unlauteren Geschäften das Geld heranschafft. In ihrem Drehbuch setzt Hart quasi zum Gegenschuss an, indem sie den Fokus auf genau diese Figur legt und sie gleich zu Beginn aus ihrer Komfortzone reißt.

Jean wird von Cal durchs Land gefahren, einem Kollegen ihres Mannes. Was genau die beiden Männer beruflich machen, ist nicht aus ihm herauszubekommen – Drogendealer, Auftragskiller, wer weiß das schon so genau? Cal bringt Jean von Versteck zu Versteck, wo sie auf weitere Anweisungen warten sollen. Die Inszenierung bleibt dabei immer sehr nahe an Jeans Perspektive auf das Geschehen; nur langsam wird aufgefächert, was für Geschäfte Eddie macht und was das alles für sie und ihr Baby Harry bedeutet. Jean muss aus der Rolle der passiven Hausfrau in den Überlebensmodus schalten und im laufenden Betrieb auf neue Teile im Informationspuzzle reagieren.

Erzwungenen Emanzipation aus dem Hausfrauen-Kokon

Der Film begnügt sich aber nicht damit, die Frauenfigur als Opfer unglücklicher Umstände zu präsentieren – Jean hätte immer wieder Anlass gehabt, Verdacht zu schöpfen; stattdessen hat sie es sich in ihrem großen Haus mit Pool und den teuren Designerklamotten bequem gemacht. Nur ein gemeinsames Kind fehlte bislang zum perfekten Anschein vom Glück. Doch auch das regelt Eddie. Als er kurz vor seinem Verschwinden mit einem Baby im Arm nachhause kommt und freudestrahlend „Er ist jetzt dein Sohn“ sagt, fragt Jean nur halbherzig nach und nennt den Jungen Harry.

Rachel Brosnahan spielt Jean stoisch und schlagfertig zugleich, immer auf Konfrontationskurs mit dem Bild der dümmlichen Hausfrau, denn genau das ist sie nicht. Ihre immer kläglicher scheiternden Versuche, ein Spiegelei zu braten, ziehen sich als humorvoller roter Faden durch ihre sonst ernsthaft betriebene Emanzipation vom Klischee.

„I’m Your Woman“ spielt nicht zufällig in den 1970er-Jahren, auf der Höhe des New-Hollywood-Kinos, das die US-amerikanische Gesellschaft und ihre Wunden genau sezierte. Die Gangster-, Polizei- und Mafiafilme von Martin Scorsese, William Friedkin und Francis Ford Coppola dienen hier als Negativfolie, und Diane Keatons Performance als Michael Corleones Ehefrau Kay in „Der Pate“ mag eine Inspiration gewesen sein. Brosnahans resignierter Gesichtsausdruck wird am Ende von einer sich schließenden Tür verdeckt – in gewisser Weise stößt der Film diese aber nochmals auf und fragt: „Und dann?“. Dafür nutzt die Regisseurin auch die in den zugrundeliegenden Genres gelernten Narrative für schlaue Spannungseffekte. In einem Unterschlupf in einer Wohnsiedlung weist Cal die Frau an, so wenig Außenkontakt wie möglich zu haben. Jean gerät aber an eine etwas zudringliche Nachbarin, die mit Willkommensessen und Geschichten über die vorherigen Hausbesitzer aufwartet. Ob sie ein Spitzel oder nur neugierig ist? Jeans Nerven sind vom Dauerweinen des Babys strapaziert, und sie kann ihrem eigenen Instinkt kaum noch trauen.

Eine feministische Erdung des Gangsterfilm-Genres

Julia Hart setzt mit Jean einen Gegenpol zu den sonst selten sichtbaren Gangsterehefrauen und erinnert damit an die fein sezierenden Psychogramme, die John Cassavetes in seinen Filmen vornahm und Gena Rowlands auf den Leib schrieb – neben Minnie Moore aus „Minnie und Moskowitz“ (1971) kommt vor allem „Gloria, die Gangsterbraut“ (1980) in den Sinn. Die feministische Erdung des ansonsten von weißen Männern dominierten Genres wird auch in den sozialen Gegebenheiten der Zeit verankert, etwa darin, das Cal Afroamerikaner ist. Ein Polizist hält das Auto der beiden an; sie erstarren, weil sie nicht enttarnt werden wollen, merken aber schnell, dass es um etwas anderes geht – Cal scheint als Fahrer des Wagens verdächtig. Ob sie in Sicherheit sei, wird Jean von dem Polizisten gefragt – eine spannungsreiche und doch irrwitzige Frage, denn je nach Perspektive ist sie sowohl mit „Ja“ als auch mit „Nein“ zu beantworten. Jean brüskiert den Frager mit ihrem schlagfertigen Pragmatismus, indem sie Cal als ihren Ehemann ausgibt. Ein Totschlagargument. Der lacht anschließend erleichtert auf: „Ich bin der einzige Schwarze, der ein weißes Kind gezeugt hat.“

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