Komödie | USA 2020 | 126 Minuten

Regie: Ryan Murphy

In einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA wird einer lesbischen Schülerin verwehrt, mit ihrer Freundin zum High-School-Abschlussball zu gehen. Als vier Broadway-Stars davon erfahren, wollen sie dem Mädchen helfen, durchaus mit dem Hintergedanken, damit auch ihren brachliegenden Karrieren frische Publicity zu verschaffen. Munteres, ausgezeichnet besetztes Musical mit lustvoll überzogenen Kontrasten zwischen ländlich-biederer Sphäre und schillerndem Showgeschäft. Zwar täuscht der Optimismus des Films nicht über Schwächen im Plot hinweg, doch nimmt er durch seine Mut machende Botschaft für sich ein. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE PROM
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Netflix/Ryan Murphy Prod.
Regie
Ryan Murphy
Buch
Chad Beguelin · Bob Martin · Jack Viertel
Kamera
Matthew Libatique
Musik
David Klotz · Matthew Sklar
Schnitt
Peggy Tachdjian · Danielle Wang
Darsteller
Meryl Streep (Dee Dee Allen) · Jo Ellen Pellman (Emma Nolan) · James Corden (Barry Glickman) · Nicole Kidman (Angie Dickinson) · Andrew Rannells (Trent Oliver)
Länge
126 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie | Liebesfilm | Musical
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Eine Adaption des gleichnamigen Musicals: Meryl Streep und James Corden fallen als exzentrische Broadway-Stars in der spießigen Provinz Indianas ein, um einer lesbischen Schülerin zum Abschlussball an der Seite ihrer Liebsten zu verhelfen.

Diskussion

An sich ist es nur ein Tanzvergnügen junger Menschen in schicker Abendkleidung. Doch der US-amerikanische High-School-Abschlussball hat sich seinen eigenen Mythos erarbeitet, an dem auch zahlreiche Filme mitgestrickt haben. Die sogenannte „Prom Night“ wird als das epochale Ereignis im Leben eines jeden Schulabgängers gehypt, mit dem die Weichen fürs weitere gesellschaftliche Dasein gestellt werden. Der Begriff „Prom“ trifft dabei ins Schwarze, scheint es doch darum zu gehen, sich vor den Altersgenossen zur Schau zu stellen und mit diesem Eindruck für die maßgebliche Erinnerung an die gemeinsame Schulzeit zu sorgen.

Von dieser Bedeutung des Abschlussballs ist auch die 17-jährige Emma aus Edgewater, Indiana, zutiefst überzeugt. Auch sie will sich im Lichte des glanzvollen Abends sonnen, und das in Begleitung jenes Menschen, der ihr am liebsten ist, schließlich ist die Wahl des Dates ein anerkannter Teil des „Prom“-Mythos. Doch der Plan der lesbischen Schülerin ist nichts für die konservativen Einwohner ihrer Kleinstadt. Um kein gleichgeschlechtliches Paar erleben zu müssen, sagt die Elternvertretung den Ball lieber ab – eine Entscheidung, welche die bigotte Vorsitzende Mrs. Greene wortreich in die Presse-Mikrofone hinein rechtfertigt.

Eine buntschillernde Theater-Schickeria fällt in der Provinz ein

Damit ist in dem Musical „The Prom“ aber auch in Edgewater noch längst nicht das letzte Wort gesprochen, denn Emma findet in dem liberalen Schulrektor Hawkins einen entschlossenen Unterstützer, der ihr zur Klage rät. Vorerst aber wechselt der Film von Ryan Murphy den Standort vom Mittleren Westen an den Broadway nach New York, wo ebenfalls geschwätzige Selbstgefälligkeiten vor Mikrofonen ausgebreitet werden. Hier sind es zwei eitle Theaterstars, Dee Dee Allen (Meryl Streep) und Barry Glickman (James Corden), die sich für ihr neues Bühnenmusical feiern lassen und auf Wolken der Eitelkeit schweben, bis sie die „New York Times“ unsanft auf den Boden zurückholt.

Nach einem vernichtenden Verriss ist den Schauspielern klar, dass die Premiere die einzige Vorstellung bleiben wird; am schlimmsten aber wiegt der Vorwurf, dass ihr Narzissmus schuld an dem Desaster sei. Deshalb müssen positive Schlagzeilen her und außerdem ein Schub fürs Selbstwertgefühl. So kommt ihnen der Fall von Emma gerade recht, der auf Twitter durchgehechelt wird. Kurzentschlossen brechen die beiden nach Indiana auf, um die Rechte des Mädchens auf einen Abschlussball mit seiner Freundin durchzusetzen. In ihrem Kalkül sind sie durchaus aufrichtig: Wo so viel Liebe zu sich selbst vorhanden ist, müsste doch leicht auch etwas für den Nächsten abfallen.

Ein realer Fall lieferte den Stoff

Auslöser für die Entstehung von „The Prom“ war ein tatsächlicher Vorfall in Mississippi im Jahr 2010, bei dem einer lesbischen Schülerin das Ball-Date mit ihrer Freundin verwehrt wurde und sie aktive Promi-Unterstützung erfuhr. Das 2016 uraufgeführte und 2018/19 erfolgreich am Broadway präsentierte Musical von Matthew Sklar, Chad Beguelin und Bob Martin hat diese Vorgabe zu einer Konfrontation der biederen Provinz mit der schillernden Theaterwelt ausgesponnen, die Ryan Murphy und seine Kostümdesignerin Lou Eyrich in der Filmadaption weidlich auskosten.

Dee Dee Allen und Barry Glickman fallen mit zwei weniger erfolgsverwöhnten Kollegen, einem Presseagenten und dem Tournee-Chor wie bunt glitzernde Paradiesvögel über die Menschen in Indiana her. Ihr Einsatz für Emma ist lautstark, plakativ und zunächst derart fehl am Platz, dass sich aus dem Kontrast zwischen den selbstsicheren Bühnendarstellern und den konsternierten Reaktionen vor allem im ersten Teil des Films schöne Szenen ergeben. Insbesondere Meryl Streep breitet die Marotten und die Selbstbezogenheit der extravaganten Diva Dee Dee bei Solo-Nummern wie „It's Not About Me“ genüsslich aus, doch auch James Corden als geckenhafter Barry, Andrew Rannells als exaltierter Ex-Fernsehstar Trent und Nicole Kidman als ewig in die zweite Reihe verbannte Tänzerin Angie stehen dem zumindest bei ihren Musikpartien kaum nach.

Utopischer Befreiungsschlag

Um von dieser bunten, leichtgestimmten Sphäre wieder auf das an sich ernste Thema der Ausgrenzung zurückzukommen, bedarf es einer inhaltlich etwas bemühten Kraftanstrengung, die der Film aber durch die gelungene Besetzung plausibel macht. Dem exaltierten Darsteller-Quartett stehen die Debütantin Jo Ellen Pellman als Emma gegenüber, die ihrer Figur eine angemessene Erdgebundenheit und Unsicherheit verleiht, sowie Keegan-Michael Key als Schulleiter mit sanfter Autorität und versteckter Leidenschaftlichkeit. Diese umfasst neben dem Kampf für Emmas Bürgerrechte auch Besuche der New Yorker Theater in den Ferien, wie er Dee Dee im vertrauten Gespräch eröffnet – eine unerwartete Verbindung, die nicht nur der Diva menschliche Reaktionen entlockt, sondern auch die heilsam-tröstende Kraft der Kunst beschwört. Im Corona-Entstehungsjahr des Films besitzt dies zwangsläufig eine fast utopische Verheißung.

Zum grundsätzlichen Optimismus von „The Prom“ passt, dass hier Anfeindungen mit Argumenten beseitigt werden, seelische Wunden durch freundschaftliche Gesten und Solidarität heilen können und die Unverbesserlichen in die Schranken verwiesen werden. Da dies früh spürbar ist, entwickelt sich der Plot nach einem großangelegten Akt demonstrativer Intoleranz zur Mitte des Films nicht mehr sonderlich spannend weiter; die Struktur zerfällt in einzelne, durchaus effektive Kleinsequenzen wie Emmas Emanzipation von ihren Helfern aus dem Showgeschäft oder Barrys und Dee Dees Einlassungen auf die nicht aufgearbeiteten Punkte ihres Lebens.

Die solide, wenn auch nicht unbedingt originelle Inszenierung macht zudem die Präsentation der Songs recht variabel; in den schwächsten Momenten fällt sie sogar hinter erheblich anspruchslosere Genre-Vertreter wie die „High School Musical“-Reihe zurück. Dennoch besitzt „The Prom“ eine spürbare Dynamik, die aus seiner emotionalen Wahrhaftigkeit stammt. Konservative in Indiana oder anderswo wird ein munteres Musical zwar kaum zum Umdenken bewegen, doch an diskriminierte homosexuelle Teenager sendet der Film eine nachdrückliche, Mut machende Botschaft. Und das ist beileibe keine Kleinigkeit.

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