Biopic | USA 2019 | (8 Folgen) Minuten

Regie: Thomas Kail

Eine Miniserie über die erfolgreiche Arbeitsbeziehung zwischen dem Tänzer, Regisseur und Choreografen Bob Fosse (1927-1987) und der Tänzerin, Schauspielerin und Choreografin Gwen Verdon (1925-2000), die für die Musical-Adaption „Cabaret“ berühmt wurden. Was beruflich klappte, funktionierte privat allerdings nur kurze Zeit. Ihre Ehe scheitert, doch die gemeinsame Liebe zum Tanzen und Arrangieren von Tänzen verband sie über Jahrzehnte hinweg. Die Doppelbiografie ist eine gelungene Würdigung der beiden Künstler, die insbesondere den Anteil von Verdon am Ruhm von Fosse unterstreicht. Die Inszenierung rekonstruiert kunstvoll die historischen Choreografien und rekapituliert beider Lebensläufe in flotten Zeitsprüngen zwischen den 1960er- und 1980er-Jahren. - Sehenswert ab 14.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
FOSSE/VERDON
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
FX/West Egg Studios/5000 Broadway Prod./Pyrrhic Victory Prod./Joel Fields Prod./Old 320 Sycamore/Fox 21 Tel. Stud.
Regie
Thomas Kail
Buch
Steven Levenson · Thomas Kail · Sam Wasson
Kamera
Tim Ives
Musik
Nathan Barr · Alex Lacamoire
Schnitt
Tim Streeto · Erica Freed Marker · Jonah Moran
Darsteller
Sam Rockwell (Bob Fosse) · Michelle Williams (Gwen Verdon) · Norbert Leo Butz (Paddy Chayefsky) · Aya Cash (Joan Simon) · Margaret Qualley (Ann Reinking)
Länge
(8 Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Biopic | Künstlerporträt

Eine biografische Miniserie um die Zusammenarbeit und Beziehung des legendären Choreografen und Regisseurs Bob Fosse (1927-1987) mit der Schauspielerin und Tänzerin Gwen Verdon (1925-2000).

Diskussion

Tänzerinnen und Tänzer, die nicht mehr tanzen können, sind traurige Gestalten. Bob Fosse (1927-1987) und Gwen Verdon (1925-2000) waren einmal die ganz Großen ihres Metiers. Beide haben das Publikum des New Yorker Broadway und diverse Tony Awards (die US-amerikanischen Theater- und Musical-Preise) erobert. Doch im Laufe einer Tanzkarriere schwinden die Kräfte des Körpers. Bob Fosse wird Choreograf und Hollywood-Regisseur und Gwen Verdon ebenfalls Choreografin und Schauspielerin. Der Tanz und die Show bleiben nie weiter entfernt als ein kleiner Schritt, und trotzdem hält die Erfüllung auf der Bühne nicht ewig an.

Ein Dreamteam statt eines Genies

Die biografische Miniserie „Fosse/Verdon“ versucht in Form einer Doppelbiografie den Mythos vom männlichen Genie, hinter dem eine Frau steht, zu relativieren. Fosse und Verdon teilen sich hier nicht nur den Titel, ihnen wird auch – dargestellt von Sam Rockwell und Michelle Williams - ungefähr gleich viel Erzählraum gegeben. Das macht Sinn, nicht nur im Sinne der Gender-Gerechtigkeit, sondern vor allem da es den Serienschöpfern Steven Levenson und Thomas Kail um gegenseitigen künstlerischen Einfluss geht, bei dem die individuellen Grenzen schwinden.

Schon in der ersten Szene machen Verdon und Fosse bei einer Probe abwechselnd Vorschläge. Er sagt: Das Knie mehr nach innen. Sie sagt: Mehr nach außen, nach rechts oder nach links? Sie probieren solang herum, bis die richtige Pose oder der passende Schritt gefunden ist. Fosse und Verdon arbeitet als Team, überlegen sich Geschichten für jede Tänzerin, für jedes Gesicht, für jeden Ausdruck. Sie proben, filmen, schneiden zusammen. Sobald sie aber alleine arbeitet, klappt nichts. Fosse streitet sich mit dem Produzenten, Verdon ärgert sich über einen Theaterregisseur.

Glanz und Glitzer

Die Serie springt ziemlich flott zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her: Von den 1980er-Jahren, als Fosse und Verdon schin im fortgeschrittenen Alter sind, zurück in die 1960er-Jahre, als sie an ihrem Debütfilm „Sweet Charity“ arbeiten, der ein veritabler Flop wird. Von dort aus folgt man chronologisch den teils verbundenen, teils getrennten Lebenslinien der zwei Künstler. Dazwischen blitzen immer wieder Flashbacks auf.

Das Herzstück der Kollaboration ist der Musicalfilm „Cabaret“ aus dem Jahr 1972. Bob Fosse macht aus dem vom Produzenten gewünschten „intimen Drama“ ein schrilles Musical. Als Statistinnen castet er lieber echte Prostituierte, schminkt die Tänzer und Tänzerinnen bunter und glitzernder und fordert übertriebene Bewegungen: „Ich will jeden Muskel, jede Sehne sehen!“ Die Tanzszenen mit Kelli Barrett, die in der Serie die Rolle von Liza Minnelli spielt, sind präzise nachchoreografiert. Doch die Dreharbeiten, von denen da erzählt wird, stocken, da Gwen Verdon fehlt. Sie reist an, sieht zu und gibt Anweisungen. Ihr Arbeitsanteil an „Cabaret“ wird in „Fosse/Verdon“ deutlich gewürdigt, was im „Oscar“-Trubel und in der Filmgeschichte untergegangen ist.

Zwischen den beruflichen Lebensstationen wirbelt es die Figuren auch in ihre Erinnerungen an Kindheit und Jugend. Die vielen Überblenden und Parallelmontagen sind elegant in die Musicalnummern eingearbeitet. Fosse erzählt von seiner Zeit im Militär, während die Kamera über steppende Matrosen schwenkt. Und Verdon denkt an ihre Zeit als Kinderstar, als sie auf dem berüchtigten Casting-Sofa vergewaltigt und im Anschluss zwangsverheiratet wurde, während sie im Scheinwerferlicht glänzen kann.

Family Business

Das schauspielerische Talent von Sam Rockwell und Michelle Williams setzt sich glücklicherweise in ihrem Rhythmusgefühl fort. Sie grooven sich durch die Jazz-Nummern, was weder angestrengt noch übertrieben wirkt. Sie spielen Fosse und Verdon als ein Paar, das in einer wunderbaren Arbeitsbeziehung funktioniert, aber privat scheitert. Fosse gibt sich lieber dem Alkohol und seinen Affären hin, als auf die gemeinsame Tochter aufzupassen.

Die Serie zeigt präzise auf, wie Verdon parallel zu ihrer Karriere zwangsweise mehr die Mutterrolle übernimmt, während Fosse sich herausredet. Bei einer Sprechprobe kommt das Kindermädchen mit der Tochter zu früh. Gwen Verdon, die ohnehin mit dem Text und den wenigen Regieanweisungen zu kämpfen hat, wirkt in diesem Moment noch unsicherer. Vermutlich liegt es an der Beratung der Serienmacher durch Verdons Tochter Nicole Fosse, dass die Spannungen in der Familie so ehrlich und unbeschönigt gezeigt werden.

Musicalmagie in den Augen

„Ich komm schon klar. Das ist nur ein Film.“ Fosse, der manisch Kritiken liest, überfallen immer wieder Selbstzweifel. Verdon versucht ihn zu beruhigen, hat aber mit ihren eigenen hohen Ansprüchen als Schauspielerin zu kämpfen. Als sie sich einst bei einem Casting im Tanzstudio kennenlernten, tanzten sie miteinander. Er zeigt ihr Bewegungen, sie formt daraus ihre eigenen. Zusammen steppen sie über den Tanzboden und haben die Musicalmagie in den Augen. Zu diesem Zeitpunkt weiß man schon, dass das Paar nicht zusammenbleiben wird. So erscheinen Bob Fosse und Gwen Verdon letztlich als zutiefst melancholische Gestalten, weil sie später nicht mehr tanzen können - und vor allem, weil sie es nicht mehr zusammen können.

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