Drama | USA 2020 | 101 Minuten

Regie: Ekwa Msangi

Nach 17 Jahren ziehen eine Frau und ihre Teenager-Tochter dem Ehemann in die USA hinterher, der seine Heimat Angola im Zuge des Bürgerkriegs verließ und sich eine neue Existenz als Taxifahrer in Brooklyn aufbaute. Die Wiedervereinigung ist alles andere als einfach, da sich durch die lange Trennung eine tiefe innere Distanz aufgetan hat und Werte und Erfahrungen stark divergieren. Doch über den Tanz findet die zerrissene Familie ein Medium, um sich wieder näherzukommen. Das Drama vermittelt in Gestalt einer kammerspielartigen Familiengeschichte eindringlich Erfahrungen von Menschen, die durch Migrationen aus ihren Bahnen gerissen werden. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
FAREWELL AMOR
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Outrageous Pict./Park Pict.
Regie
Ekwa Msangi
Buch
Ewka Msangi
Kamera
Bruce Francis Cole
Musik
Osei Essed
Schnitt
Jeanne Applegate · Justin Chan
Darsteller
Ntare Guma Mbaho Mwine (Walter) · Zainab Jah (Esther) · Jayme Lawson (Sylvia) · Joie Lee (Nzingha) · Nana Mensah (Linda)
Länge
101 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Drama um eine Familie, die 17 Jahre nach der Emigration des Vaters von Angola in die USA wieder zusammen findet, als seine Frau und seine Tochter zu ihm nach Brooklyn ziehen.

Diskussion

Glücklich wiedervereinte Familien sieht man am New Yorker Flughafen JFK jeden Tag. Doch als sich Walter, Esther und ihre Tochter Sylvia in die Arme schließen, ist das etwas Besonderes. Ihre Trennung hat 17 Jahre lang gedauert. Walter hatte im Zuge des Bürgerkriegs seine Heimat Angola verlassen und war in die USA ausgewandert; Esther zog mit Sylvia zusammen nach Tansania und wartete auf die Möglichkeit, ihrem Mann in die USA nachzufolgen. Warum es dann so lange gedauert hat, bis es endlich soweit war, erfährt man nicht. Aber man spürt die Folgen schon kurz nach der ersten Sequenz, die das Wiedersehen vor einer großen Glasfront in dem Flughafen zeigt. Die Körper von Vater, Mutter und Tochter mögen wieder an einem Ort versammelt sein, doch innerlich ist der Abstand von 17 langen Jahren wesentlich schwerer zu überwinden als die Flugdistanz zwischen den Ländern. Die Fremdheit, die sich eingeschlichen hat, ist mit einer Umarmung und einer Liebesbekundung nicht aufzulösen.

Wie und ob überhaupt sich wieder familiäre Nähe zwischen diesen drei Menschen herstellen lässt, erkundet das Drama von Ekwa Msangi nacheinander aus den Perspektiven aller Beteiligten. Zuerst steht Walters Erleben im Zentrum, der fest entschlossen ist, seinen Part als Ehemann und Vater auszufüllen; er hat sich in den USA allerdings ein Leben aufgebaut, in dem für Esther und Sylvia erst noch Raum geschaffen werden muss – wobei sein kleines, beengtes Apartment in Brooklyn noch das geringste Problem ist; schwer wiegt, dass er in der Krankenschwester Linda eine neue Liebe gefunden hatte, die loszulassen ihm schwerfällt, obwohl sie sich vor Ankunft seiner Familie von ihm getrennt hat.

Der unbekannte Vater und Ehemann

Der Mittelteil des Films gilt der Teenager-Tochter, die noch ein Baby war, als der Vater fortging; jetzt soll sie bei einem Fremden in einem unbekannten Land heimisch werden. Das letzte Kapitel kreist schließlich um die sperrigste, aber auch interessanteste Figur, die Mutter, die sich in den Jahren der Trennung inbrünstig der Religion zugewandt hat und deren strenggläubiges Christentum noch mehr zu der Distanz zwischen den Eheleuten beiträgt.

Im Lauf dieser drei Abschnitte wiederholen sich einige Szenen mit kleinen Änderungen, die das unterschiedliche Erleben der Figuren, die Disharmonien und Missverständnisse zwischen ihnen, akzentuieren. Dass das Kapitel um die Tochter Sylvia im Mittelteil angesiedelt ist, passt zu ihrer Rolle als Bindeglied zwischen den Eltern. Zwar sieht es zunächst so aus, als würde sie sich mit der neuen Situation viel schwerer tun, weil sie im Gegensatz zur Mutter keine Vergangenheit mit dem Vater hat, an die sie anschließen könnte. Doch aus ihrer Zurückhaltung wird bald eine Neugier auf das neue Leben in den USA. Während sich zwischen Walter und Esther immer mehr Risse auftun, finden Vater und Tochter so zunehmend einen Draht zueinander.

Eine wichtige Rolle spielt dabei der Tanz, was auch generell für den von verschiedenen musikalischen Spielarten aus dem südlichen Afrika geprägten Tonfall des Films gilt. Sylvia ist eine passionierte Tänzerin; auf ihrer neuen Schule in Brooklyn sucht sie sofort nach Möglichkeiten, das auszuleben, und plant, an einem „Dance Battle“ teilzunehmen. Dieses Hobby lehnt ihre Mutter aus religiöser Bigotterie allerdings ebenso ab wie die sich anbahnende Liaison der Tochter mit einem Jungen; der Vater dagegen fühlt sich an die Zeiten erinnert, in denen er selbst mit Esther den Kizomba tanzte – und unterstützt die Tochter. Daraus entsteht ein Konflikt, der der lädierten Liebe der Eltern den Todesstoß versetzen könnte. Oder endlich jene Reibungswärme erzeugt, die es braucht, um sich neu aufeinander einzulassen.

Nie demonstrativ politisch

Die Inspiration für ihren Debütfilm lieferte der Regisseurin, wie sie in mehreren Interviews berichtete, die reale Geschichte eines Onkels und einer Tante, die seit Jahren vergeblich auf seine Wiedervereinigung warten. Die Inszenierung verzichtet auf allzu demonstrative politische Bezüge; wenn Walter einmal erklärt, dass die USA ein „harter Ort für schwarze Menschen“ sei, ganz besonders für schwarze Zugewanderte, ist das noch die expliziteste Kritik an den gesellschaftlichen Umständen. Der Film wirbt indes durch sein Sich-Hineinversetzen in die Erfahrung der Migration beredt genug für eine Haltung, die der unter Trump propagierten Politik konträr entgegensteht.

Als Liebes- und Familiengeschichte wirkt „Farewell Amor“ universell, obwohl er sich sehr konkret auf den kulturellen Hintergrund der Protagonisten und das Milieu der multikulturellen „hood“ in Brooklyn einlässt. Man kann „Farewell Amor“ durchaus als zeitgenössische Antwort auf eines der großen US-amerikanischen Migrationsdramen betrachten, auf „Hester Street“ (1974) von Joan Micklin Silver, das um eine völlig andere Ethnie kreist (um aus Osteuropa eingewanderte Juden um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert), aber nicht nur durch den gemeinsamen Schauplatz Brooklyn erstaunlich viele motivische Parallelen zu "Farewell Amor" aufweist. Mit ähnlicher Sensibilität und Ausdruckskraft wie in dem Klassiker lotet Ekwa Msangi die Erschütterungen von Figuren und ihren Beziehungen aus, die hin- und hergerissen sind zwischen dem Selbst, das sie in ihrer alten Heimat waren, und dem, was sie in der neuen Umgebung sind oder werden könnten. Eine alte Geschichte, immer wieder neu.

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