Lessons of Love

Drama | Italien 2019 | 79 Minuten

Regie: Chiara Campara

Ein junger Milchbauer geht in einem norditalienischen Bergdorf auf dem Hof seines Vaters gewissenhaft seiner Arbeit nach, vom Füttern der Kühe bis zum Auftrieb auf eine höhergelegene Wiese. Unbeholfen macht er einer Nackttänzerin aus der nahen Kleinstadt den Hof. Ihr zuliebe zieht er sogar dorthin. Doch die Liebe lässt sich nicht erzwingen. Anspruchsvolles Drama um Sehnsucht und Einsamkeit, das die unterschiedlichen Arbeitswelten dokumentarisch genau beobachtet, um ihre Folgen für die Beziehungen der Menschen zu beschreiben. In der Hauptrolle des ernsthaften und schweigsamen Mannes eindrucksvoll gespielt. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
LESSONS OF LOVE
Produktionsland
Italien
Produktionsjahr
2019
Produktionsfirma
ANG Film
Regie
Chiara Campara
Buch
Chiara Campara · Lorenzo Faggi
Kamera
Giuseppe Maio
Musik
Riccardo Gasparini
Schnitt
Alice Roffinengo
Darsteller
Leonardo Lidi (Yuri) · Alice Torriani (Agata) · Giancarlo Previati · Giovanni de Giorgi
Länge
79 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Drama
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Eindringliche Studie über einen jungen Bergbauern aus Norditalien, der sich nach Liebe sehnt, aber seine inneren Fesseln nicht abstreifen kann.

Diskussion

Der etwa 30 Jahre alte Yuri ist ein ernsthafter, stiller Mann. Mit schwarzem Vollbart und pummeligem Bauch wirkt er nicht sehr anziehend. Vielleicht hat er deswegen keine Freundin. Zusammen mit seinem Vater betreibt er einen kleinen Bauernhof außerhalb des Bergdorfes.

„Lessons of Love“, das Spielfilmdebüt der Regisseurin Chiara Campara, zeigt, was dieser Arbeitsalltag bedeutet. Man sieht Yuri dabei zu, wie er eine trächtige Kuh untersucht, eine Birke fällt und dann das Holz wegbringt, wie er von einem Bekannten ein Kuh abholt, die dieser nicht mehr halten kann, wie er die Kühe füttert und diese später auf eine höhergelegene Wiese treibt. Zwischendurch kümmert sich Yuri in Imker-Montur um einen Bienenstock. Seine wenige Freizeit verbringt er allein vor dem Fernseher.

Ein Rückzugsort von der Unbill des Lebens

In einer Erotik-Bar in einer nahegelegenen Stadt fragt er gezielt nach einer Nackttänzerin, Agata. Unbeholfen macht er ihr den Hof, schenkt ihr Honig und unternimmt mit ihr einen Ausflug in die Berge, wo sie ein altes, heruntergekommenes Schutzhaus besichtigen, das Yuri wieder auf Vordermann gebracht hat. Es wirkt wie ein Rückzugsort vor der Unbill des Lebens – doch das ist nur eine Utopie. Agata zuliebe zieht Yuri in die Stadt und nimmt eine Stelle als Maurer in der Firma seines Onkels an. Sogar eine Wohnung hat er dort schon besichtigt. Einmal zeigt Yuri der jungen Frau einen fast fertigen Rohbau. Sie träumt davon, wie man die Räume aufteilen und möblieren könnte. Doch die Liebe lässt sich nicht erzwingen.

Chiara Campara, 1987 in Verona geboren, hat in Mailand Philosophie und Dokumentarfilmregie studiert. Das merkt man dem Film an. Die Regisseurin blickt dokumentarisch genau hin. In einer klaren, illusionslosen Szenenfolge zeigt sie, wie mühsam der Alltag der Milchbauern ist, wie befriedigend er aber auch sein kann, wenn das Käsen gelingt oder beim Kuhauftrieb die Tiere wegen ihres Orientierungssinns die Wiese sofort finden. Allerdings ist es auch ein einsamer und aussterbender Beruf, mit dem sich kaum Geld verdienen lässt.

So platzt der Traum von der weiten Welt

Campara steht durchaus in der Tradition des italienischen Filmrealismus. Sie beobachtet die Auswirkungen des Arbeitslebens auf die Charaktere und das Miteinander der Menschen. So ist Yuri in seiner Einfachheit, Ernsthaftigkeit und Schweigsamkeit so ganz anders als andere italienische Männer, und vielleicht gefällt er Agata gerade deshalb, zumindest für kurze Zeit. Zum Symbol seines Traums von Wohlstand und Freiheit geraten dabei texanische Cowboystiefel. Doch er kann sie sich nicht leisten. Einmal geht er mit Agata in eine amerikanische Country-Kneipe. Doch der Squaredance lässt keine Lebensfreude aufkommen. So platzt auch dieser Traum von der großen, weiten Welt.

Yuri ist ein Gefangener seiner selbst. Er zweifelt an sich, er will akzeptiert und geliebt werden, und doch fehlt ihm die Kraft, sich für einen Lebensweg oder einen anderen Menschen zu entscheiden. Oft zeigt ihn die Kamera, wie er innehält und nachdenkt. Der Wechsel der Arbeit und des Ortes löst seine Probleme nicht. Auch in der Stadt ist er Zwängen ausgesetzt, etwa, wenn der Bauherr rücksichtslos eine Mauer einreißen lässt, weil sie zu breit geraten ist (und sich deshalb weniger Wohnfläche vermieten lässt). Zuvor hatte der Film akribisch gezeigt, wie die Mauer Stein für Stein errichtet wurde, wie die Männer Teermatten verlegen, wie Yuri ein Vogelnest (also ein Heim) wegwerfen musste, weil es beim Verlegen im Weg war.

Getragen von überzeugenden Schauspielern, allen voran Leonardo Lidi als Yuri, zeichnet die Regisseurin das authentische Porträt von Außenseitern, die nach Zuneigung, aber auch einem Platz in der italienischen Gesellschaft suchen.

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