Assane Diop (Omar Sy) ist es gewohnt, unsichtbar zu sein. Als Meisterdieb nimmt er unterschiedlichste Rollen und Masken an, treibt ein Versteckspiel, um seine Opfer und die Polizei zu täuschen. Die vielleicht beste Tarnung, die er hat, ist jedoch darauf zurückzuführen, wie er von anderen wahrgenommen wird. Dem dunkelhäutigen Mann aus den Banlieues von Paris traut die weiße Elite nicht allzu viel zu. Aufgrund seines Aussehens wird er in eine Schublade gesteckt und, sofern möglich, bewusst übersehen. Wer schert sich schon um die Reinigungskräfte, die nachts den Louvre säubern und von niemandem gesehen werden sollen?
Um das Sehen und das Gesehenwerden geht es in der französischen Serie über einen gewitzten Gauner, der auf den Spuren seines literarischen Vorbilds Arsène Lupin wandelt. „Lupin‟ beginnt dabei mit einer außerordentlich spannenden Prämisse, die eine Beziehung zwischen der französischen Klassengesellschaft und der „Arbeit‟ des sympathischen Kleinkriminellen herstellt und damit ein gewaltiges Potenzial zur Gesellschaftskritik in einem populären Plot birgt. Die Ausgrenzung und Geringschätzung macht Assane sich zunutze. Wer ihm keine Beachtung schenkt, wird es auch nicht bemerken, wenn er eine wertvolle Halskette, die einmal Marie Antoinette gehört haben soll und danach viele Jahre im Besitz der reichen Familie Pellegrini war, aus dem Louvre stiehlt.
Ein cleverer Coup zum Auftakt & eine Intrige im Hintergrund
So ist die erste Episode als pfiffiges Caper-Movie angelegt, in dem der Plan für den Coup im Schnelldurchlauf erklärt und schließlich durchgeführt wird, selbstredend nicht ohne die üblichen Zwischenfälle, die ein Improvisieren notwendig machen und dazu führen, dass der Heist aus dem Ruder zu laufen droht. Louis Leterrier, actionerprobt durch „Der unglaubliche Hulk‟, inszeniert dies temporeich und überraschend. Was das Publikum zunächst zu sehen bekommt, entpuppt sich immer nur als die halbe Wahrheit. Sobald dieser dramaturgische Kunstgriff jedoch zu oft angewendet wird, verkommt er zum Gimmick – und es bleibt ein schaler Beigeschmack.
„Lupin‟ belässt es nicht dabei, nur über einen spektakulären Coup zu erzählen. Vielmehr wird der Diebstahl der Kette verknüpft mit einem persönlichen Trauma. Vor 25 Jahren wurde Assanes Vater, der mit seinem Sohn aus dem Senegal nach Frankreich emigriert ist, beschuldigt, genau diese Kette von den Pellegrinis gestohlen zu haben. Und als Assane das wertvolle Stück in Händen hält, findet er erste Hinweise, die auf eine Intrige hinweisen und dass damals nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Aus der Einbruchsgeschichte wird ein Krimiplot, in dem der Gauner in die Rolle des Detektivs schlüpft.
Ein charismatischer Hauptdarsteller, aber wenig erzählerischer Schwung
Leider hat „Lupin‟ nicht den Mut, um Pläne, Probleme und Lösungen über einen längeren Zeitraum auszudehnen. Die Seriendramaturgie setzt vielmehr auf Schnelligkeit und notgedrungen einfache Lösungen. In kürzester Zeit tauscht Assane in einer Folge mit einem Gefangenen die Identität, um dessen Platz im Knast zu Recherchezwecken einzunehmen, mit einer ebenso hanebüchenen Aktion flieht er schon wenige Serienminuten später wieder. Die plumpen Ideen des Drehbuchs macht dabei allein das Charisma von Omar Sy wett, der als smarter Assane genau die spitzbübische Haltung und den Charme an den Tag legt, die ein Gauner in solchen Caper-Geschichten braucht und die den Reiz des Genres mit ausmachen.
Es ist bedauerlich, wie einfallslos die Serie ihrem etablierten Erzählmuster folgt und ihrer Geschichte mit allzu vielen Rückblenden und Rückblenden in Rückblenden Schwung nimmt. Am Ende der bisher veröffentlichten fünf Folgen, die den ersten Teil der Serie darstellen, wirkt die Handlung unnötig aufgeblasen. Im Laufe seiner knapp vier Stunden hat „Lupin‟ viel zu wenig zu erzählen – und viel zu wenig Eleganz.