Die Sehnsucht nach einem unbeschwerten Sommer kann groß sein. Am besten wird man in der Vergangenheit fündig, aus der im Rückblick alle negativen Dinge ausgeblendet werden, während die positiven Erlebnisse in der Erinnerung umso mehr strahlen. Dieses Gefühl rufen viel Retro-Filme und Serien wie „Summer of 84“ hervor. Auch durch die Bilder von „Hot Summer Nights“ weht der warme Hauch einer nostalgisch verklärten Sommernacht: junge Menschen am Strand, in Pools, auf Partys, alle in Pastellfarben gekleidet und mit kantigen Ami-Schlitten unterwegs. Viel Rauch und viel Alkohol.
Es ist 1991 in Cape Cod, einer Kleinstadt an der Ostküste der USA, wo die Teenager entweder Golf spielen oder Segeln lernen oder beides. Daniel passt mit seiner Mittelstandsfamilie und seiner schüchtern-schlaksigen Persönlichkeit eher nicht in diese Elitegesellschaft. Er ist hier der Junge, der auf Partys alleine herumsteht. Timothée Chalamet wirkt in dieser Rolle noch unbeholfener und unsicherer als Elio in „Call Me By Your Name“.
Von Null auf Hundert
Erst als Danny auf den lokalen Sunny Boy von Cape Cod trifft, wandelt sich sein monotones Außenseiterleben. Der Uncoole trifft auf den Coolen. Hunter (Alex Roe) stürmt eines Tages in den Shop, in dem Danny arbeitet, und drückt ihm ein Päckchen Drogen in die Hand; der überforderte Danny schiebt es in die Kasse, ehe ein Polizist den Laden betritt. Auf diese Weise wird Danny zum Komplizen von Hunter, doch bald mischt er freiwillig in dem Business mit. Nicht zuletzt deshalb, weil er auf der lokalen Beliebtheitsskala der Teenager von Null auf Hundert hochschießt und unter seinen Fans auch McKayla (Maika Monroe) ist, the hottest girl in town. Plötzlich sitzt sie neben Danny auf dem Beifahrersitz im Autokino. Dabei erfährt er auch, dass sie Hunters Schwester ist.
Der Debütfilm von Elijah Bynum liebt solche klischeehaften Teenie-Verwicklungen. Hunter datet außerdem heimlich die Tochter eines Sergeanten, und zusammen mit Danny dealt er auch mit Kokain und Marihuana. Die beiden Übermütigen leisten sich sogar einen - nicht ganz so unauffälligen - roten Sportwagen. Dass irgendwann ein Sturm – hier sogar ein Hurrikan – über der sonnenverwöhnten Küste aufzieht und damit der Untergang des schnellen Geldes und der sorglosen Romanzen beginnt, ist vorhersehbar.
Gefährliche Dreiecksbeziehung
Eine unheilvolle Grundstimmung zieht sich durch „Hot Summer Nights“, die einen Schatten auf die anfangs so strahlenden Sommermonate wirft. Der Film mischt Coming-of-Age-Elemente mit Neo-Noir-Versatzstücken der 1980er- und 1990er-Jahre. Die Dreieckskonstellation Junge-Freundin-Bruder ist der aus „Heißblütig – Kaltblütig“ (1981) von Lawrence Kasdan nicht unähnlich. Latente Gewalt geht von den Männern aus, und Frauen machen sich das zunutze, wobei McKayla als High-School-Teenie nie wirklich aktiv werden darf.
Auf der audiovisuellen Ebene gelingt es der Inszenierung, die Balance zwischen beiden Genres zu halten. Das Drehbuch macht aus den Figuren allerdings keine lebenden Charaktere und aus der Handlung keinen spannenden Film, trotz eines immer wieder mitreißend aufeinander abgestimmten Schnitts und des tollen Soundtracks. Allzu viel verharrt im Ungewissen, was sich sowohl auf Daniels ersten Liebe als auch die Krimi-Elemente des Plots bezieht. Vielleicht ist dies auch nur dem auktorialen Erzähler geschuldet, der die Ereignisse vor dem Publikum ausbreitet und sich am Ende als ein aus dem Fenster schauender Junge zu erkennen gibt. Es ist ein neugierig-naiver Blick, dem man trauen kann, aber nicht muss.