Dokumentarfilm | Burkina Faso/Frankreich/Deutschland 2021 | 67 Minuten

Regie: Moumouni Sanou

In der Stadt Bobo-Dioulasso in Burkina Faso geben Sexarbeiterinnen ihre kleinen Kinder abends in die Obhut einer älteren Frau. Der Film begleitet den Alltag von drei Müttern und fängt dabei intime Momente des Mutter- und Kindseins ein sowie des weiblichen Zusammenhalts, ohne dass viel darüber gesprochen würde. Respektvoll, nah und auf Augenhöhe mit den Protagonistinnen entsteht das Bild einer solidarischen Gemeinschaft inmitten schwieriger Lebensumstände. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
GARDERIE NOCTURNE
Produktionsland
Burkina Faso/Frankreich/Deutschland
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Les Films du Djabadjah/Vrai Vrai Films/Blinker Filmprod.
Regie
Moumouni Sanou
Buch
Moumouni Sanou
Kamera
Pierre Laval
Schnitt
François Sculier
Länge
67 Minuten
Kinostart
06.01.2022
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Dokumentarfilm
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IMDb | TMDB

Dokumentarfilm über drei Frauen aus Burkina Faso, die als Sexarbeiterinnen ihre Kinder nachts in die Obhut einer älteren Betreuerin geben.

Diskussion

Sobald es dunkel wird in Bobo-Dioulasso, machen sich Adam, Odile und Fatim für die Arbeit fertig. Sie schlüpfen in auffälligere Kleidung, tragen Make-up auf und binden sich ihre Babys mit einem Tragetuch um den Bauch. Ein Taxi fährt sie zu der „Tagesmutter“ Madama Coda, wo sie die Kleinen ein letztes Mal stillen. Dann brechen sie ins Quartier Black auf. Auf den belebten Straßen des Viertels, zwischen Garküchen und Musikbars, bieten sie wie viele andere Frauen ihre Körper an. Oft kehren sie mitten in der Nacht von der Arbeit zurück, manchmal graut aber auch schon der Morgen. Nachdem sie auf dem Weg nach Hause ihre Kinder bei der Betreuerin abgeholt haben, fallen sie in ihrer unmöblierten Behausung erschöpft auf die dünnen Decken, die sie auf dem nackten Fußboden ausgebreitet haben.

Auf respektvoller Augenhöhe

Die in „Night Nursery“ porträtierten Frauen sind Sexarbeiterinnen. Auch wenn dieser Job ein existentieller Teil ihres Lebens ist, steht er im Film eher am Rand. Verhandlungen mit Freiern beobachtet die Kamera, wenn überhaupt, nur aus der Ferne. Dann sieht man etwa, wie eine der Frauen mit auf ein Moped steigt, das in der schwarzen Nacht verschwindet. Die filmische Nähe und Intimität gilt anderen Bereichen. In diesen sind Adam, Odile und Fatim Mütter, Gefährtinnen, Verbündete und Schwestern.

Moumouni „Le Chat“ Sanon, wie sich der in Burkina Faso geborene Filmemacher nennt, ist es über einen langen Zeitraum gelungen, das Vertrauen der ausschließlich weiblichen Beteiligten zu gewinnen. Zeigen und Beobachten sind für seine so zurückhaltende wie respektvolle Form des Schauens verkürzte Begriffe – es ist ein unvoreingenommenes Dabeisein auf Augenhöhe, das auf keine Argumente oder Thesen hinauswill. „Seit drei Jahren kommst du nun schon vorbei“, sagt Madame Coda einmal zu ihm.

Über die Lebenswege der Frauen und die Umstände, die sie zur Prostitution gezwungen haben, wird ebenso wenig gesprochen wie über die abwesenden Väter. Interviews sind eher die Ausnahme, etwa wie im Fall einer Mutter, die ihre Tochter bei Madame Coda in Obhut gab und erst ein Jahr später wieder auftauchte. Über ihren Hals zieht sich eine riesige Narbe. Was Frauen wie sie an Gewalt und Not erlebt haben, lässt sich nur ansatzweise erahnen.

„Dann kriechen wir nicht mehr im Staub“

Sanons Aufmerksamkeit, als filmende Instanz nahezu unsichtbar, gilt vor allem dem Alltag der drei Protagonistinnen. Die Kamera sucht die Nahaufnahme, hat dabei aber nichts Insistierendes, vielmehr wirkt der Blick gelegentlich sogar etwas zerstreut. Man sieht die Frauen beim Haushalt und bei der Betreuung des Nachwuchses, bei ihren Wegen mit dem Taxi nach Hause, die schlafenden Kinder im Arm oder fest an die Brust gedrückt. Tagsüber sitzen sie im Innenhof des Hauses und erzählen: von bedrohlichen nächtlichen Situationen mit Taxifahrern und Freiern, aber auch wie sie schwer betrunkenen Kunden, die sich für besonders schlau hielten, das Geld aus der Tasche gezogen haben. Manchmal lästern sie über die sexuellen Vorlieben der Männer oder kokettieren mit der Aussicht auf einen reichen Ehemann: „Dann kriechen wir nicht mehr im Staub herum.“

Im Alltag der Frauen ist Madame Coda, der sie zum Abschied ein paar Geldscheine in die Hand drücken, eine tragende Säule. Inzwischen ist sie schon alt und auf die Mithilfe ihrer Schwiegertochter angewiesen. Die Moskitonetze, unter denen manchmal fünf Kinder auf bunt zusammengewürfelten Decken zusammenliegen, sind ein schönes Bild für das informelle Netzwerk gegenseitiger Unterstützung. Ein schützendes Zelt inmitten widriger Lebensumstände.

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