Drama | Deutschland/Frankreich/Hongkong 2021 | 80 Minuten

Regie: Jonas Bak

Nach ihrem letzten Arbeitstag im Pfarramt einer Kirche im Schwarzwald freut sich eine Frau auf einen gemeinsamen Sommerurlaub mit ihren Kindern an der Ostsee. Doch ihr in Hongkong lebender Sohn sagt kurzfristig ab. Um die Leere des Ruhestands zu durchbrechen, fasst die Rentnerin den Entschluss, zu ihm zu fliegen. Sie quartiert sich während seiner Abwesenheit in dessen Wohnung ein, lernt die Stadt und einige Bewohner kennen. Der zwischen Traum und Wirklichkeit changierende Film belässt den Figuren ihre Geheimnisse und imaginiert mit kontemplativen Bildern einen Zustand zwischen Vergangenheit und Zukunft. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
WOOD AND WATER
Produktionsland
Deutschland/Frankreich/Hongkong
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Trance Films
Regie
Jonas Bak
Buch
Jonas Bak
Kamera
Alex Grigoras
Musik
Brian Eno
Schnitt
Jonas Bak
Darsteller
Anke Bak (Mutter) · Ricky Yeung (Sozialaktivist) · Alexandra Batten (Herbergsmitbewohnerin) · Patrick Lo (Pförtner) · Theresa Bak (Tochter)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Drama
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Kontemplativ-märchenhafter Film über eine Frau zu Beginn ihres Ruhestandes, die aus ihren Routinen ausbricht und ihren entfremdeten Sohn in Hongkong besucht.

Diskussion

Mit Anfang 60 hat sich Anke von ihrem Beruf verabschiedet. Aus dem Pfarramt einer Kirche im Schwarzwald soll es nun in den Urlaub an die Ostsee gehen, gemeinsam mit den Kindern. Dorthin, wo die Familie vor vielen Jahren, als der Vater noch lebte, sehr glücklich war. Ankes Gedanken kreisen vor allem um diese Vergangenheit; an den Erinnerungen kann sie sich festhalten. Es scheint, als würde genau darin ihre Zukunft bestehen: ein Leben, reduziert auf das Echo von einst.

Doch „Wood and Water“ ist nicht die Geschichte einer Endzeit. In seinem ersten langen Spielfilm interessiert Jonas Bak vielmehr die sanfte Verwandlung der Hauptfigur, und dass der Aufbruch zu neuen Ufern kein Privileg der Jugend sein muss. Als der in Hongkong lebende Sohn Max in letzter Minute seine Teilnahme am familiären Urlaub absagt, entschließt sich Anke, zu ihm zu fahren. Die Mutter macht sich auf die Reise zum verlorenen Kind, in eine fremde Stadt, eine fremde Welt.

Tunnel und Totale

Inszeniert ist das wie ein Märchen, für das Alex Grigoras mit seiner 16mm-Kamera zauberisch-metaphorische Bilder gefunden hat. Ankes Fahrt führt ohne den Umweg über den Flughafen direkt aus dem deutschen Wald in die asiatische Metropole, nur symbolisiert durch einen langen Autobahntunnel, der ausschließlich aus Deckenlichtern und Fahrbahnmarkierungen zu bestehen scheint.

Die bevorzugte Einstellungsgröße in Hongkong ist zunächst die Totale. Max holt seine Mutter nicht vom Flughafen ab und wartet auch nicht in der Wohnung. So ist Anke in der Fremde ganz auf sich zurückgeworfen. Ihre Blicke aus dem Hochhausfenster hinunter auf die ferne Straße, auf die Demonstranten im Hintergrund wirken zunächst völlig unbeteiligt. Es ist wie in E.T.A. Hoffmanns Erzählung „Des Vetters Eckfenster“: Die Verbindung zum Leben beginnt mit der Kunst zu schauen. Der Romantiker Hoffmann war damals, zu Beginn des 19. Jahrhunderts, als er die Erzählung diktierte, am Körper komplett gelähmt. Auch Anke (gespielt von Jonas Baks Mutter) muss ihre Lähmung durchbrechen, um eine Perspektive für sich zu erobern. Denn der Wecker, der in Max’ Wohnung laut tickt, deutet das unerbittliche Verfließen der Zeit an. Nichts ist mehr zu verlieren, aber manches zu gewinnen.

Zwischen Doku und Fiktion

Ankes Hongkonger Begegnungen, changierend zwischen Dokumentarfilm und Fiktion, geben ihr sanfte Anstöße, ein inneres Gleichgewicht zu finden und es zu trainieren. Da sind die Bewegungen des Tai Chi-Mannes, deren Langsamkeit sich auf Anke – und den Film – überträgt. Der freundliche Hausportier, der sie zum Essen einlädt. Der Arzt, von dem sie erfährt, dass ihr Sohn mit Ängsten und Depressionen zu ringen hat. Der Wahrsager, der ihr empfiehlt, die Abwesenheit ihrer Kinder durch die Nähe zum Wald und das Trinken von Wasser zu kompensieren. Dazwischen das kaltblaue Zimmer von Max, die abstrakten Lichtspiele der Leuchtreklamen, und aus der Ferne ein Gebäude, dessen Dachkonstruktion einer Schanze ähnelt, mit einem Schanzentisch, vor dem sich eine unendliche Tiefe auftut – oder der weite Himmel, je nachdem, wie man den Absprung bewältigt.

Jonas Baks kontemplative, traumwandlerische Beobachtungen, so schlicht und unspektakulär sie auch wirken mögen, behaupten eine eigentümliche Schönheit und Sanftheit. Am Ende der Reise nach Hongkong führt Ankes Traum sie wieder nach Deutschland zurück, zum Bild des verwunschenen Waldsees, in dem sich der verlorene Sohn zu spiegeln scheint.

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