Es ist keine gute Zeit, um Fischer zu sein. Die asiatische Finanzkrise von 1997 droht den kleineren Fischern, die ohnehin von Überfischung und globaler Marktrealität ins Prekariat gedrängt werden, den Todesstoß zu versetzen. Keiner von ihnen kann eine weitere Fangflaute verkraften. Für Kapitän Kang Chul-joo (Kim Yoon-seok) kommt sie trotzdem. Den Lohn für seine Crew kann er sich noch beim Großhändler leihen. Für seinen Kredit, das mit einer Hypothek belastete Restaurant oder gar die eigene Tasche bleibt nichts. Erschüttert ist Kang nicht mehr. Die Wut ist längst in genervte Resignation übergegangen.
Die einzige Perspektive: Billige Arbeitskräfte aus China
Mit der gleichen Routine, mit der er seinem Schuldenberg eine neue Schippe auflädt, verscheucht er bei seiner Heimkehr auch den Liebhaber seiner Frau. Die Untreue interessiert ihn eigentlich nicht mehr. Allein des gemeinsamen Restaurants wegen, das für den Sex kurzzeitig geschlossen werden musste, ringt sich der Kapitän noch eine Reaktion ab, die kaum über ein vergrämtes Genörgel hinauskommt. Während der Liebhaber panisch aus dem Zimmer stolpert, giftet die Ehefrau noch gelangweilt zurück. Kangs Lebensentwürfe sind am Ende. Der einzige Ausweg, den der Kapitän noch einschlagen kann, ist ein Zuverdienst als Schlepper. Der Auftraggeber lässt im Nebensatz das dazugehörige Fachwissen fallen: „Unsere Wirtschaft überlebt nicht ohne die billigen Arbeitskräfte aus China.“ Kang auch nicht. Er nimmt an.
Sein Schiff wird beim nächsten Auslaufen also keine Makrelen, sondern eine Gruppe chinesischer Gastarbeiter suchen, um sie im Hafen von Dolsan an Land zu bringen. Die ursprüngliche Gastfreundschaft, mit der jedem der Geschleusten bei der nächtlichen Übergabe die Hand und danach eine heiße Nudelsuppe überreicht wird, verkehrt sich nach einem tragischen Zwischenfall in eine erbarmungslose „Wir und die“-Logik. Einer der Migranten ahnt es schon beim Überreichen der Plastik-Suppenschale, die, wie er sagt, weniger eine leckere Mahlzeit als vielmehr die einzige Toilettenschüssel sei, die sie benutzen könnten, sobald sie erst einmal im Fischtank eingesperrt seien.
Das Fischerboot als gesellschaftlicher Mikrokosmos
Das Fischerboot ist, wie in der Kulturgeschichte der Seefahrtserzählungen üblich, ein Mikrokosmos. Der bildet jedoch weniger die koreanische Gesellschaft selbst ab als deren nationalistische Tendenzen. Die Rolle der Arbeitsmigranten in dieser Hierarchie ist klar: Sie sind jetzt menschliche Fracht; der kostbare Fang, den es an Land zu retten gilt. Dort nehmen die Billiglöhner die gleiche, bereits erwähnte Rolle ein: Ohne sie droht allen der Bankrott – Rechte zugestehen will man ihnen aber nicht. Tatsächlich basiert der Film wie seine Theatervorlage auf einer wahren Tragödie, die sich 2001 an Bord des Fischerboots „Taechangho“ ereignete, das chinesische Arbeitskräfte nach Korea schleuste. Nachdem das filmische Pendant der Taechangho, die schrottreife „Advance“, mit den Menschen besetzt ist, die geschleust werden sollen, dauert es nicht lange, bis Regisseur Shim Sung-bo und Co-Autor und Produzent Bong Joon-ho der anfänglichen Solidarität zwischen Schleppern und Migranten ein Ende gesetzt haben. Bald reißt das vom ökonomischen Druck ohnehin überspannte Band, das alle verbindet.
Die Brutalität, die folgt, offenbart die Gnadenlosigkeit des globalkapitalistischen Sogs, der Kang Chul-joo vor die Wahl stellt, im Abgrund zu versinken oder für den eigene Lebensunterhalt andere darin zu versenken. Das zentrale Bild des Films ist eine Stahlleiter, die nach dem Unglück herabgelassen wird, ihren Halt aber nicht mehr auf dem Schiffsboden findet, sondern auf dem Gesicht eines Toten. Ein schlagendes Symbol, das aber auch deutlich macht, wie sehr „Sea Fog“ auf Effekt gebürstet ist.
Vom Drama zum Horror
Die Crew wird nicht figurenpsychologisch, sondern mit der politischen Agenda von innen nach außen gestülpt. Ihr resigniertes Dahintreiben wandelt sich fast augenblicklich in eine bestialische Fortführung des Selbsterhaltungstriebs. Der Wahnsinn greift in grotesker Überzeichnung um sich und verwandelt „Sea Fog“ vom Drama geradezu in einen Horrorfilm. Die verhärmte Genervtheit des Kapitäns, die im Wortgefecht mit der untreuen Ehefrau noch eine kauzige Komik hatte, verkehrt sich in eine völlig abgestumpfte Überlebenspolitik. Einzig der junge Dong-sik (gespielt von K-Pop-Star Park Yoo-chun) hält im ebenfalls überkonstruierten „Liebe in Zeiten der Katastrophe“-Nebenhandlungsstrang an seiner Menschlichkeit fest – ein Hoffnungshorizont, den der Film eher widerwillig annimmt. Der Blick auf die menschlichen Tugenden bleibt wie das Ozeanpanorama von Dunkelheit und Nebel versperrt. Sichtbar bleibt oft nur das angeschlagene Fischerboot, das als trauriges Symbol der Existenzen dahintreibt, die sich nicht mehr retten – nicht einmal auf dem Rücken der Arbeitsmigranten.