Mirella Schulze rettet die Welt

Komödie | Deutschland 2021 | (acht Folgen) Minuten

Regie: Jonas Grosch

Achtteilige Dramedy-Serie um eine dreizehnjährige Schülerin, die sich für die Umwelt einsetzt und damit ihre Familie und ihr soziales Umfeld durcheinander wirbelt. Der Serie gelingt es, mit gut gezeichneten und gespielten Figuren und mit einem feinen Sinn für Ironie und Komik verschiedene Positionen und gesellschaftliche Reibungsflächen rund ums Thema Klima- und Umweltschutz unterhaltsam zu verdichten. Beim Bemühen, das Format dramaturgisch zu bedienen, wird allerdings der offensichtliche Bezug zur Fridays for Future-Bewegung etwas verwässert. - Ab 12.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
MadeFor Film
Regie
Jonas Grosch · Sinan Akkus
Buch
Ralf Husmann · Christian Martin · Helena Hofmann · Henning Wagner
Darsteller
Tilda Jenkins (Mirella Schulze) · Jördis Triebel (Mutter) · Moritz Führmann (Vater) · Maximilian Ehrenreich (Mats) · Ella Lee (Maya)
Länge
(acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 12.
Genre
Komödie | Serie

Eine achtteilige Dramedy-Serie um ein dreizehnjähriges Mädchen, das mit seinem Engagement für die Umwelt Familie und Schule durcheinanderwirbelt.

Diskussion

Ist es möglich, einer jungen Generation, die existentielle Angst vor ihrer Zukunft hat, etwas Komisches abzugewinnen? Der „Fridays for Future-Bewegung“ ist gelungen, worin die Nachhaltigkeitskommunikation jahrelang nur bescheidene Erfolge zu verbuchen hatte: Indem die Jugend auf die Straße ging, katapultierte sie das Thema Klimakrise innerhalb weniger Monate auf den Schirm der breiten Öffentlichkeit. Die Protagonisten der Bewegung erreichten eine beeindruckende Medienpräsenz. Ihre Forderungen und ihre Arbeit wurden inzwischen mehrfach filmisch dokumentiert (zum Beispiel in der Doku „I Am Greta“ über Greta Thunberg). Jetzt dringen sie als Vorbilder in die fiktionale Unterhaltung vor: Die Serie „Mirella Schulze rettet die Welt“, die zuerst auf dem Streamportal TV Now der Mediengruppe RTL gestartet wurde und später auch auf VOX gezeigt werden soll, erzählt die Geschichte einer dreizehnjährigen Klimaaktivistin in Form einer Dramedy. Es soll also komisch zugehen in dieser Welt, die ernsthaft zu retten ist. 

Aushandlungsprozesse

Bei Maßnahmen im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit prallen Interessen und Perspektiven aufeinander, die schwer unter einen Hut zu bringen sind, heißt es oft. Wie geht es dabei zu? Juli Zeh hat dies in ihrem Roman „Unterleuten“ geschildert und man kann davon ausgehen, dass einiges, wovon sie erzählt, nicht ausschließlich im Reich der Fiktionen vorzufinden ist. Auch wenn die Bezeichnung in der Erzählliteratur eher nicht eingesetzt wird, ist Zehs Roman genau genommen eine Dramedy, wie auch die mehrteilige Fernsehadaption. Auch „Mirella Schulze rettet die Welt“ greift auf diese Genrehybrid-Form zurück, um die Aushandlungsprozesse zwischen der Titelheldin und den für sie prägenden Institutionen, der Familie und der Schule auf humorvolle und durchaus ironische Weise darzustellen. Dies ist in vieler Hinsicht gelungen, offenbart aber auch das eine oder andere Problem eines solchen Formats.

Innerhalb ihrer Familie prallen Mirellas (Tilda Jenkins) Interessen vor allem auf die ihrer Mutter Pia, die beim größten Arbeitgeber der Stadt, einem Chemiekonzern, tätig ist. Sie ist die Hauptverdienerin zuhause. Jördis Triebel spielt sie überzeugend differenziert und mit feinem Gespür für Komik zwischen Mutterliebe und Verantwortung für Arbeit und Existenzsicherung der Familie. Ihr grundsätzlich eher anspruchsloser Mann Mike (Moritz Führmann) arbeitet als LKW-Fahrer. Die Konfliktlinien und der Wortwitz zwischen Pia und Mike werden mit gelungener Ironie in Szene gesetzt, wenn sie zu zweit faden Bulgur zu Abend essen. Er erinnert sie daran, dass sie ihrer Tochter doch beigebracht hätten, für ihre Ideale einzustehen. Darauf entgegnet sie: „Als Idee! Als abstrakte Idee! So wie Nächstenliebe oder Demokratie. Aber doch nicht so.“

Ernährt werden müssen mit Mats und Maya zwei weitere Kinder, die älter als Mirella sind. Mit Mirellas Aktivismus können sie nichts anfangen. Während Mirella ihrer äußeren Erscheinung wenig Beachtung schenkt und auf intelligente Ausstrahlung setzt, donnert sich Maya (Ella Lee) gerne auf. Mats (Maximilian Ehrenreich) ist eigenbrötlerisch auf der Suche nach seiner Männlichkeit. Damit ist bereits innerhalb der Familie eine Figurenkonstellation etabliert, die viel Potential für komische Reibereien bereithält. Hinzu kommen die Schuldirektorin (Katrin Wichmann), die mit dem „Klimaquatsch“ nichts anfangen kann, und ihr Alt-68er-Lehrerkollege Marquardt (Rainer Reiners) dessen Klima-AG sie lediglich billigt, sowie Pias schleimiger Chef (Harald Schrott) im Chemiekonzern, der keine Scheu vor Greenwashing hat.

Formatprobleme

So gut in weiten Teilen geschrieben und umgesetzt, so brav bleibt die sich an ein junges Publikum richtende Serie letztlich aber auch. Dies zeigt sich etwa darin, dass sie den Aktivismus der Jugendlichen ausschließlich in einer Klima-AG der Schule stattfinden lässt. Davon, dass andere freitags die Schule ausfallen lassen, um zu demonstrieren, wird zumindest in den ersten vier Folgen nichts erwähnt. So erweckt die Serie fast den Eindruck, sich in einer fiktionalen Blase zu bewegen, die bestimmte Aspekte der außerfilmischen Realität gezielt ausblendet. Die Besonderheit von FFF als globale Jugendbewegung, die exzellent vernetzt ist, geht dadurch leider verloren. Alles wird auf einen lokalen Aktivismus weniger Kinder reduziert, die schon bei den geringsten kommunikativen Anforderungen ins Schwimmen geraten.

Dies ist in mancher Hinsicht dem Format geschuldet, das sich in einem begrenzten zeitlichen und räumlichen Rahmen bewegen muss, damit sich komische Handlungsstränge und Situationen durch Wiederholung und Variation entfalten können. Diese dramaturgischen Erfordernisse führen dann auch dazu, dass es den jungen Aktivistinnen und Aktivisten in der Serie nicht nur, wie bei FFF, um das Wesentliche geht (das 1,5-Grad-Ziel, globale Klimagerechtigkeit), sondern auch darum, wie schädlich Haustiere für die Umwelt sind.

Die ungelenke Anlage der Serie spiegelt sich im Übrigen schon in ihrer Ankündigung. Da heißt es: „Die 13-jährige Mirella hat sich die Rettung der Welt auf die Fahne geschrieben. Mirellas Familie unterstützt ihr Anliegen. In Maßen. So wie wir alle.“ Interessant, dass RTL für alle Menschen sprechen zu können glaubt. Da wird der fiktionale Rahmen mal ganz beiläufig mit einem „So wie wir alle“ verlassen und eine imaginäre Gemeinschaft behauptet, deren Haltung zur realen Klimakrise und zu FFF durch eine deutliche Kohärenz gekennzeichnet sei. Da scheint allerdings ein Irrtum vorzuliegen!

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