Krimi | Großbritannien 2021 | 461 (acht Folgen) Minuten

Regie: Hans Herbots

In den 1970er-Jahren vergiftete, beraubte und tötete der französische Betrüger Charles Sobhraj mit Hilfe seiner Freundin Marie-Andrée Leclerc auf dem sogenannten „Hippie Trail“ in Südasien junge Reisende. Die achtteilige Krimiserie zeichnet den realen Fall als sich über Jahre hinziehendes Fernduell nach, das zwischen dem charismatischen Serienkiller und einem gutherzigen niederländischen Diplomaten ausgetragen wird. Zwischen der ostentativ in Szene gerückten Schönheit Südostasiens und einer gleichermaßen überbetonten Zeitbezogenheit wahrt die Serie eine fragile Balance zwischen der Faszination für den Serienkiller und einer tiefen Empathie für seine Opfer, denen sehr viel Raum gegeben wird. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
THE SERPENT
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
BBC One/Living Films/Mammoth Screen/Netflix
Regie
Hans Herbots · Tom Shankland
Buch
Richard Warlow · Toby Finlay
Kamera
Si Bell · Anton Mertens · Seppe Van Grieken
Musik
Dominik Scherrer
Schnitt
Helen Chapman · Malcolm Crowe · Danielle Palmer
Darsteller
Tahar Rahim (Charles Sobhraj) · Billy Howle (Herman Knippenberg) · Jenna Coleman (Marie-Andrée Leclerc) · Ellie Bamber (Angela Knippenberg) · Mathilde Warnier (Nadine Gires)
Länge
461 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Krimi | Serie

Heimkino

Verleih DVD
Edel
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Krimiserie nach dem realen Fall des französischen Serienkillers Charles Sobhraj, der Mitte der 1970er-Jahre auf dem „Hippie Trail“ in Asien zahlreiche Morde beging, bis ihm ein hartnäckiger Diplomat auf die Schliche kam.

Diskussion

Bevor seine Geschichte erzählt wird, versichert Charles Sobhraj (Tahar Rahim) seine Unantastbarkeit. Nirgendwo auf der Welt könne man ihn vor Gericht stellen, sagt er und gibt kurz das Lächeln preis, das er für die Fragen, die sich auf die von ihm verübten Morde beziehen, mehr oder weniger gut versteckt hat. Die verstörende Geschichte hinter diesem Lächeln, mit dem sich Sobhraj für einen kurzen Moment in der Weltöffentlichkeit suhlt, erzählen die acht Episoden von „Die Schlange“. Auch diese Geschichte beginnt mit Sobhrajs Charisma und dem, was dahinter verborgen liegt.

Der sogenannte „Hippie Trail“ ist das Jagdrevier des bizarr gestriegelten Diamantenhändlers. Jene Reiseroute, die in den 1960er- und 1970er-Jahren einen Strom von Rucksacktouristen, Sinnsuchenden und Hippies durch Südasien führte. In Bangkok, der letzten Station des Trails, lauert Sobhraj auf seine Opfer. Er ist die Ausnahmeerscheinung unter den Aussteigern und Selbstfindern, die in der thailändischen Hauptstadt absteigen. Er ist der Mann, der die Menge übersieht, die Schwachen erkennt, ihnen ein Lächeln zuwirft, einen Gefallen tut, ein Essen bezahlt und ein Zimmer bereitstellt. Sein Designerhemd wirft keine Falten, die Frisur steht wie betoniert, nie läuft auch nur ein Schweißtropfen über seine Stirn. Eine unnahbar glatte Oberfläche, die den jungen Menschen eine falsche Verbundenheit spiegelt.

Aalglatter Killer vs. Diplomat mit Menschenliebe

Der Gegenentwurf zum todbringenden Glamour der „Schlange“ ist Herman Knippenberg (Billy Howle). Der niederländische Diplomat wirkt stets zerstreut, ist die Randfigur der eng vernetzten, manchmal geradezu kolonial wirkenden Soziosphäre der westlichen Botschafter in Bangkok. Sein Hemd kommt von der Stange und ist ebenso wenig bemerkenswert wie sein restliches Äußeres. Knippenberg ist der kettenrauchende Bürohengst mit der einen besonderen Qualität: Er interessiert sich wirklich für die Menschen, die er im Dienst vertreten soll. Für seinen australischen Kollegen sind zwei verkohlte Leichen ein Ärgernis im reibungslosen Betriebsablauf, der (auch im Hause Knippenberg) zwischen Botschaft, Nachtclub und den riesigen exotischen Anwesen (inklusive Bediensteter) geschildert wird. Knippenberg und seine deutlich wortgewandtere Frau Angela (Ellie Bamber) lässt der Fall nicht los. Der Diplomat fängt an, Fragen zu stellen. Er nervt seine Vorgesetzten, die Behörden und seine Kollegen. Bis sein Arbeits- und Privatalltag gegen die Ermittlungen im Fall Alain Gautier (Sobhraj) eingetauscht wird.

„Die Schlange“ schafft es, eine fragile Balance zwischen dem Charisma des Mörders und den Gräueltaten zu halten, die scheinbar nur Knippenberg interessieren. Das Muster der Verbrechen ist so einfach wie effektiv. Sobhraj baut Schritt für Schritt ein Verhältnis zu seinen Opfern auf, entwendet ihre Reisepässe und ihren Schmuck – und vergiftet sie. In einer Montage-Sequenz fließen alle Etappen der Methode zusammen: Sobhraj scherzt mit dem jungen Paar, trinkt und isst mit ihnen, lullt sie langsam ein, bis sich die junge Frau im letzten Bild der Sequenz auf den Esstisch erbricht. Es ist ein kurzes, kaum mehr als eine Sekunde langes Aufblitzen der Gewalt, mit dem das Leben zweier Menschen zerstört wird. Aber auch die Anziehungskraft des charismatisch-cleveren Serienmörders ist mit dieser einen grausamen Sekunde vernichtet. Zu sehen ist nur noch die Machtlosigkeit seiner Opfer, die langsam den hoffnungslosen Kampf gegen sein Gift verlieren.

Die Serie erliegt nicht dem Charisma der Titelfigur

In dieser Machtlosigkeit liegt die eigentliche Brutalität der Morde, die der echte Charles Sobhraj verübte, teils gemeinsam mit Ajay Chowdhury (Amesh Edireweera) und mit Hilfe seiner Geliebten Marie-Andrée Leclerc (Jenna Coleman). „Die Schlage“ verfällt nicht dem Charisma des Serienmörders, sondern nimmt sich Zeit, die letzten Wege der Opfer nachzuzeichnen. Das abgerundete 4:3-Format, das sich immer wieder ostentativ über das Bild legt, stellt den dazugehörigen „true crime“-Aspekt der Serie etwas marktschreierisch zur Schau. Doch die Annäherung an die Geschichten der Opfer bleibt das gelungene Gegenbeispiel der Zeitbezogenheit.

Alice Englert hat einen fantastischen Auftritt als Sobhrajs erstes Opfer Teresa Knowlton (ihr Name wurde, wie viele andere, für die Serie geändert). Sie ist eine von jenen jungen Menschen, die allerorts abfällig „long hairs“ genannt werden und auf dem Weg in ein neues Leben in einem nepalesischen Kloster noch ein letztes Mal die Vorzüge der Zivilisation genießen will. Ihre letzte Reise durch die exotische Schönheit der südostasiatischen Natur (ein weiterer, geradezu manisch betonter Aspekt der Serie) endet mit einem mit Benzodiazepin versetzten Drink. Mit dem Einsetzen der Wirkung weiß Knowlton sofort, was ihr geschieht, und muss doch, von der Droge gelähmt, hilflos mitansehen, wie Sobhraj und Chowdhury sie verschleppen, berauben und ertränken.

Das bescheidene Heldentum von Empathie und Beharrlichkeit

Die immer spürbare, aber nie explizit gefilmte Grausamkeit ist das Zentrum der Serie; sie verleiht dem über Jahre andauernde Fernduell zwischen dem Diplomaten-Spießer und dem Psychopathen-Playboy seine Spannung. Ein wenig büßt die Serie über die lange Dauer des Duells, das trotz der unzähligen Sprünge dramaturgisch erstaunlich bündig aufbereitet wird, davon ein. Doch der Reiz von „Die Schlange“ liegt weniger nicht in der Verfolgung des Serientäters, als vielmehr in der Hinwendung zur Integrität des Verfolgers. Der Diplomat wird allein von seinem Humanismus durch mentale, eheliche und diplomatische Krisen getragen und beendet das Fernduell eben nicht mit einem glorreich-heroischen Moment, sondern mit der ihm eigenen, wunderbar biederen Beharrlichkeit, indem er ein Fax verschickt. So hängt das Wachstum des Guten einmal nicht von der gerechten Selbstjustiz, der spektakulären Heldentat oder der genialen Ermittlung ab, sondern von der Empathie eines einfachen Spießers.

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