Kein Friede den Toten

Krimi | Spanien 2021 | 467 (acht Folgen) Minuten

Regie: Oriol Paulo

Eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Harlan Coben, die die Handlung des Buchs nach Spanien verlegt: Unwillentlich tötet ein junger Mann beim Versuch, einen Streit aufzulösen, einen Menschen; neun Jahre später versucht er, zusammen mit seiner Frau wieder eine gemeinsame Zukunft aufzubauen. Doch dann sorgen ein befremdlicher Anruf und die Verwicklung in einen weiteren Todesfall dafür, dass sein Leben erneut in die Brüche zu gehen droht. Die achtteilige Mini-Serie überzeugt durch eine wendungsreiche Geschichte, die ihre vielen Handlungsstränge und Figuren geschickt miteinander verknüpft. Auch die Darsteller können die Ambivalenz ihrer Charaktere exzellent vermitteln. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
EL INOCENTE
Produktionsland
Spanien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Sospecha Films/Think Studio
Regie
Oriol Paulo
Buch
Guillem Clua · Oriol Paulo · Jordi Vallejo
Kamera
Bernat Bosch
Musik
Fernando Velázquez
Schnitt
Guillermo de la Cal · Judith Miralles · Pau Itarte
Darsteller
Mario Casas (Mateo Vidal) · Juana Acosta (Emma) · Joxean Bengoetxea (Kommissar Oliete) · Jordi Coll (Isma) · José Coronado (Teo Aguilar)
Länge
467 (acht Folgen) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Literaturverfilmung | Serie

Eine spanische Serien-Verfilmung des gleichnamigen Romans von Thriller-Autor Harlan Coben: Rund um einen Mann, der einst unwillentlich einen Menschen tötete, entspinnt sich ein unheilvolles Netz aus alter Schuld.

Diskussion

Oriol Paulo ist ein Meister der Plot-Twists. Der spanische Regisseur entfaltete vor allem in seinen Thrillern „Der unsichtbare Gast“ und „The Body – Die Leiche“ ein raffiniertes Geflecht aus Hinweisen und überraschenden Wendungen. Am Anfang seiner Geschichten stand jeweils ein Verbrechen; doch an einer einfachen Auflösung war Paulo nicht interessiert, sondern spielte ein faszinierendes Spiel der Täuschungen und Illusionen. Nun tut er das erneut, doch statt in weniger als zwei Stunden Spielfilm-Zeit entfaltet er sein Netz auf einer Länge von rund acht Stunden: Der Spanier hat für Netflix die achtteilige Mini-Serie „Kein Friede den Toten“ nach dem gleichnamigen Roman des US-amerikanischen Thriller-Autors Harlan Coben inszeniert, die jüngste einer Reihe von Netflix-Serien nach dessen Werken („Ich schweige für dich“, „Das Grab im Wald“).

Ausgangspunkt ist auch in diesem Thriller-Stoff wieder ein Todesfall. Vor einem Club versucht der Jurastudent Mateo Vidal (Mario Casas) einen Streit aufzulösen, als er selbst in das Handgemenge gerät und dabei versehentlich einen anderen jungen Mann tötet. Er wird wegen fahrlässiger Tötung zu einer Haftstrafe verurteilt. Neun Jahre nach dem Zwischenfall ist Mateo endgültig dabei, seine Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich eine Zukunft aufzubauen. Mit seiner Frau Olivia (Aura Garrido) ist er glücklich, die beiden erwarten ein Kind und wollen ein Haus kaufen. Doch eines Tages ist es mit der Ruhe vorbei.

Szenenwechsel. Lorena Ortiz (Alexandra Jiménez) ist die jüngste Ermittlerin der Mordkommission. Die Polizeikommissarin ermittelt nach dem Tod einer Nonne, der wie ein Selbstmord aussieht. Doch Lorena traut der Spurenlage nicht und stellt weitere Nachforschungen an.

Nichts geschieht zufällig

Auf den ersten Blick haben diese beiden Geschichten nichts miteinander zu tun. Oriol Paulo, der auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, erzählt sie zunächst unabhängig voneinander, und im Laufe der acht Folgen flicht er immer wieder neue Handlungsstränge ein und etabliert weitere Figuren, um dann doch irgendwann ihre Wege und Geschichten sich kreuzen zu lassen. Nichts geschieht zufällig. Dadurch ergibt sich ein komplexes, aber kein verwirrendes Bild. Der Regisseur verliert nie seinen Fokus und bewegt sich souverän zwischen den einzelnen Handlungssträngen.

Geschickt bindet er immer wieder Rückblenden ein. So gibt es zu Beginn einer jeden Folge Monologe unterschiedlicher Figuren, die kurz auf verschiedene Stationen ihres Lebens zurückblicken. Die Szenen gleichen sich zum Teil, doch durch den Blickwinkel verschiedener Charaktere ändert sich die Sichtweise auf das Geschehene. Es eröffnen sich neue Theorien und mögliche Erklärungen. Der Zuschauer kann sich nie sicher sein, welche Version eigentlich die richtige ist. Was in diesem Punkt für die Geschichte gilt, gilt gleichermaßen auch für die Figuren. Jede scheint ihre eigene Agenda zu verfolgen, die eigentlichen Motive bleiben lange im Verborgenen.

Exzellente Darsteller

Im Fokus der Serie stehen Figuren, die mit Schicksalsschlägen umgehen müssen. Es sind Charaktere, die neu anfangen oder bereits neu angefangen haben. Der Film blickt in ihre Abgründe und beleuchtet – auch durch die Rückblenden – ihre Vergangenheit. Dadurch ergeben sich vor allem in den Hauptrollen ambivalente und undurchsichtige Figuren, die trotz ihrer Geheimnisse den emotionalen Boden der Geschichte bilden. Dass dies so gut funktioniert, liegt auch an der exzellenten Darsteller-Riege. Oriol Paulo setzt dabei teils auf bewährtes und bekanntes Personal. Wie in „Der unsichtbare Gast“ arbeitet er erneut mit Mario Casas, José Coronado und Ana Wagener zusammen, die in ihren wichtigen Rollen einmal mehr überzeugen.

Oriol Paulo beweist mit „Kein Friede den Toten“ auch auf Serienebene sein Gespür für clevere Suspense-Geschichten, wobei ihm das Serienformat erlaubt, das Spiel mit Andeutungen, Hinweisen und Unvorhersehbarkeiten förmlich auf die Spitze zu treiben. Mit jeder Aufklärung, die eine Szene bringt, stellt sich eine weitere Frage. Doch Paulo verliert sich nicht in diesem labyrinthischen Erzählgeflecht, er fügt die Einzelstücke zu einem schlüssigen Ganzen zusammen. Dass manchmal doch der Zufall eine etwas größere Rolle spielt oder etwas doch ein wenig konstruiert wirken mag, tut der Spannung keinen Abbruch. Und die hält Paulo bis zur allerletzten Einstellung hoch.

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