Thriller | Kanada/Belgien 2021 | 114 Minuten

Regie: Nicholas Jarecki

Ein US-Ermittler versucht das Netzwerk eines in der USA und Kanada tätigen Drogenhändlers zu infiltrieren; eine Mutter, deren Sohn an einer Überdosis starb, spürt den Hintergründen seines Todes nach; ein Wissenschaftler gerät mit einem Pharmakonzern aneinander, in dessen Auftrag er ein Schmerzmittel getestet hat. Anhand unterschiedlicher, teilweise sich kreuzender Handlungsstränge beleuchtet der spannende Thriller unterschiedliche Facetten der Opioid-Drogenproblematik in den USA und geht mit den Profiteuren hart ins Gericht. Dank guter Darsteller und einer dramaturgisch stimmigen Orchestrierung der Erzählstränge gelungene Unterhaltung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
CRISIS
Produktionsland
Kanada/Belgien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Les Productions LOD/Bideford Prod./Burn Later Prod./Construction Film/Green Room Films/Matisse Pict./Paradise City Films/Such Content/Tuesday Films
Regie
Nicholas Jarecki
Buch
Nicholas Jarecki
Kamera
Nicolas Bolduc
Musik
Raphael Reed
Schnitt
Duff Smith
Darsteller
Gary Oldman (Dr. Tyrone Brower) · Armie Hammer (Jake Kelly) · Evangeline Lilly (Claire Reimann) · Michelle Rodriguez (Garrett) · Greg Kinnear (Dean Talbot)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Thriller
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Capelight (16:9, 2.35:1, DD5.1 engl./dt.)
Verleih Blu-ray
Capelight (16:9, 2.35:1, dts-HDMA engl./dt.)
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Ein mit mehreren Handlungssträngen jonglierender Thriller um die Opioid-Krise in den USA.

Diskussion

1996 brachte das Unternehmen Purdue Pharma in den USA das Schmerzmittel Oxycontin auf den Markt. In den folgenden Jahren stieg die Anzahl von Drogenabhängigen und Drogentoten rapide, ein Phänomen, das als „Opioidkrise“ von sich reden machte: Die von Purdue und bald auch anderen Pharmaunternehmen seit Ende der 1990er-Jahre mit aggressiver Lobbyarbeit und Marketing durchgesetzten Opioid-Schmerzmittel greifen drastisch in die Hirnchemie ein und machen schnell abhängig. Von Ärzten massenweise verschrieben, trieben die Medikamente die Patienten in die Sucht, teilweise auch als legale Einstiegsdroge, von der dann auf billigere illegale Opioide wie Heroin umgestiegen wurde. Im Abspann des Thrillers „Crisis“ wird die Anzahl der Toten im Zug dieser Krise zur Zahl der in Vietnam Gefallenen ins Verhältnis gesetzt, um zu unterstreichen: Hier tobt ein fataler Krieg.

Die Opioid-Krise aus verschiedenen Perspektiven

Der Thriller von Nicholas Jarecki spielt, festgemacht an einer Vielzahl von Figuren, an verschiedenen Fronten dieses Krieges. Da ist etwa Claire Reimann (Evangeline Lilly), eine Architektin, die ihre eigene Tablettensucht überwunden und ihr Leben gerade wieder in den Griff bekommen hat, als ihr halbwüchsiger Sohn ums Leben kommt – als Opfer einer Überdosis. Da ist der DEA-Ermittler Jake (Armie Hammer), der von ständigen Sorgen um seine drogenabhängige Schwester geplagt wird und sich umso verbissener in seinen aktuellen Undercover-Einsatz wirft, bei dem die Machenschaften eines armenisch-stämmigen Drogenbosses offengelegt werden sollen, der mit dem Opioid Fentanyl dealt. Und da ist der Wissenschaftler Tyrone Brower (Gary Oldman), der in seinem Labor im Auftrag eines Pharmakonzerns ein neuartiges Schmerzmittel testet, das angeblich nicht abhängig machen soll. Doch Brower kommt zu einem Ergebnis, das seinen Auftraggebern nicht passt. Was eine Reihe hässlicher Konsequenzen nach sich zieht.

Jarecki, der auch das Drehbuch geschrieben hat, legt den Stoff nicht als Drogen-Sozialdrama und auch nicht als differenzierte Analyse an, sondern als auf Suspense gebürsteten Thriller, wobei zunächst eine Vielzahl von erzählerischen Mosaiksteinchen eingeführt wird, aus denen sich dann allmählich ein Bild ergibt. Der Handlungsfaden um die trauernde Mutter, die die Hintergründe des Todes ihres Sohnes aufdecken will, trifft sich irgendwann mit dem Crime-Plot um den DEA-Agenten, der zusammen mit einem Kollegen viel riskiert, um den „Mother“ genannten Drogenboss aus der Reserve zu locken. Das Leid der von ihrem Verlust gezeichneten Frau, von Evangeline Lilly eindringlich gespielt, markiert einen starken Kontrapunkt zur Kälte des kriminellen Treibens, bei dem einzig das Geld und die geschmuggelten Pillen, ein Menschenleben aber gar nichts zählt.

Gary Oldman gegen die Pharma-Branche

Ergänzend dazu entfaltet sich rund um den von Gary Oldman gespielten Dozenten eine Art Antigone-Geschichte um einen aufrechten Menschen, der sich hartnäckig weigert, sich von äußerem Druck zu etwas nötigen zu lassen, was ihm sein Gewissen verbietet. Nachdem Tyrone Brower dem Pharmakonzern seine Forschungsergebnisse vorgelegt hat, winkt dessen Vertreter (Luke Evans) mit einem großzügigen Scheck, der das Institut des Wissenschaftlers unterstützen soll, falls sich Brower zu Stillschweigen verpflichtet. Brower weigert sich und sieht sich bald von Seiten des Konzerns (zu dem auch Veronica Ferres in der Rolle einer toughen CEO gehört) als auch seines Vorgesetzen an der Uni (Greg Kinnear) massiven Repressalien ausgesetzt. Was die Regie in Form verbaler Psycho-Duelle inszeniert, bei denen Brower sich mit viel Energie aus den beschwichtigenden Wortschlingen befreien muss, mit denen seine Kontrahenten ihn einzuwickeln suchen, was dank des Nuancenreichtums von Gary Oldman mindestens ebenso spannend ist wie die handfestere Action im parallelen Handlungsstrang.

Die Inszenierung verwebt das alles zu einem dramatisch zugespitzten Krisenszenario, das mit den Profiteuren der Sucht bitter ins Gericht geht. Zwar sind in der Realität zahlreiche Pharmaunternehmen sowie ihre Unterstützer (darunter auch die Beraterfirma McKinsey) mittlerweile wegen der Verschleierung der Suchtgefahr mit Schadensersatzklagen überzogen, zu Geldstrafen verurteilt oder zu millionenschweren Vergleichen genötigt worden; doch Bedarf für Aufarbeitung besteht immer noch. Denn die Opioid-Krise dauert an und soll sich im Zug der Coronakrise noch verschärft haben. Im vergangenen Jahr sind, wie kürzlich berichtet wurde, in den USA 90.000 Menschen an einer Überdosis Drogen gestorben, jeder zweite davon an dem synthetischen Opioid Fentanyl.

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