Fantasy | Island 2021 | 361 (acht Folgen) (Staffel 1) Minuten

Regie: Baltasar Kormákur

Ein Jahr nach einer Eruption des titelgebenden isländischen Vulkans mutet das Land um ihn postapokalyptisch an. Der Ort Vik in der Nähe des Katla und des ihn bedeckenden Mýrdalsjökull-Gletschers ist in Folge der Ereignisses bis auf wenige Standhafte nahezu entvölkert. Zu diesen und einem Wissenschaftler-Team, das am Vulkan forscht,gesellen sich bald rätselhafte Doppelgänger, die Aussehen und Erinnerungen mit Menschen teilen, um die auf die ein oder andere Weise einer der Bewohner trauert. Anstatt Freude erregt ihr Auftauchen indes allenthalben mehr Irritation, reißt alte Wunden auf und wirft die Frage auf, was es mit den Wesen auf sich hat - und ob sie eine Bedrohung darstellen. Die Mystery-Serie entwickelt von Anfang an eine Atmsophäre des Düster-Unheimlichen, setzt aber nicht auf schlichte Horror- und Suspense-Elemente, sondern entfaltet sich primär als elegisches zwischenmenschliches Drama. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
KATLA
Produktionsland
Island
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
RVK Studios
Regie
Baltasar Kormákur · Börkur Sigþorsson
Buch
Sigurjón Kjartansson
Musik
Högni Egilsson
Schnitt
Sigvaldi J. Kárason · Sigurdur Eythórsson
Darsteller
Gudrun Ýr Eyfjörd (Gríma) · Íris Tanja Flygenring (Ása) · Ingvar Sigurdsson (Thor) · Aliette Opheim (Gunhild) · Þorsteinn Bachmann (Gísli)
Länge
361 (acht Folgen) (Staffel 1) Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Fantasy | Serie | Thriller

Mystery-Serie um eine Anomalie nach einer Eruption des isländischen Vulkans Katla, die die Bewohner eines Küstenorts mit seltsamen Doppelgängern vermisster Menschen konfrontiert.

Diskussion

Einst galt der isländische Vulkan Hekla als Tor zur Hölle. Diese abergläubischen Zeiten zwar sind längst vorbei, doch ein Faszinosum sind Hekla und die anderen Vulkane im Süden der nordischen Insel nach wie vor. Auch, weil ihre Aktivitäten eindrücklich vor Augen führen, dass die Welt durch den homo sapiens nach wie vor nicht vollkommen beherrschbar ist, sondern unkontrollierbaren Kräften ausgesetzt bleibt. Einer dieser aktiven Vulkane ist der Katla, von dem die gleichnamige Mystery-Serie von Produzent und Regisseur Baltasar Kormákur erzählt. Ähnlich wie um Hekla spinnen sich auch um den vom Mýrdalsjökull-Gletscher bedeckten Katla eine Reihe von Legenden. Drehbuchautor Sigurjón Kjartansson fügt ihnen nun eine neue Mythen-Schicht hinzu. Im Zentrum der Serie stehen Bewohner des 10 Kilometer von Katla entfernten Küstendörfchens Vik, das zu Beginn bis auf wenige sture Bewohner nahezu entvölkert und ein in graue Asche gehülltes Sperrgebiet ist, weil Eruptionen des Vulkans den Ort bedrohen; oben am Berg wollen Wissenschaftler herausfinden, was sich auf und unter dem Gletschereis tut. Doch das, womit sie konfrontiert werden, scheint mit wissenschaftlicher Logik nicht erklärbar.

Ein Stück „Solaris“ hat sich unter den Gletscher verirrt

Eine unheimliche Stimmung liegt von Anfang an über den postapokalyptisch anmutenden, düster getönten Szenerien. Allerdings biegt die Serie nicht schnurstracks auf vertraute Horrorpfade wie etwa „The Thing“ ab, wo im Eis etwas Blutgierig-Schreckliches lauert; „Katla“ wandelt eher auf den Pfaden eines existenzphilosophisch getönten Science-Fiction-Stoffes à la „Solaris“.

Gleich zu Beginn wird man Zeuge von etwas, das wie eine rätselhafte Geburt aussieht. Dem Eis, Rauch und dunklen Gestein entsteigt eine nackte, mit einer Asche-Lehm-Schicht bedeckte Menschengestalt. Bald tauchen noch andere solche Gestalten auf. Es sind Doubles von Menschen, die ihren Liebsten auf die oder andere Weise verlorengingen. Etwa die Schwedin Gunhild, die vor zwei Jahrzehnten eine Affäre mit dem verheirateten Thor hatte, ehe sie schwanger in ihre Heimat zurück kehrte und Thor nie wiedersah; jetzt taucht sie in jugendlicher Gestalt wieder auf. Oder Ása, die ältere von Thors Töchtern, die vor einem Jahr am Gletscher verschwand, was ihn, vor allem aber ihre jüngere Schwester Grima schwer getroffen hat. Man hielt Ása für tot und errichte auf dem Friedhof einen Gedenkstein für sie; jetzt ist sie zurück – oder etwas, das wie sie aussieht, ihre Erinnerungen teilt und sich selbst für Ása hält. Ähnlich ist es bei Mickael, dem kleinen Sohn eines der Wissenschaftler. Der Junge starb vor drei Jahren bei einem Unfall, taucht nun aber in der Forschungsstation auf und stürzt seinen Vater, einen dem Rationalen verpflichteten Geologen, in ein qualvolles Gefühlschaos.

Doppelgänger-Grausen

Dass es sich nicht um Wieder- sondern um Doppelgänger handelt, wird relativ früh klar, wenn neben der jungen Gunhild bald auch die durch einen Telefonanruf herbeigerufene, gealterte Gunhild in Vik auftaucht, die seit ihrem Aufbruch aus Island vor zwanzig Jahren in Schweden ein ganz normales Leben lebte. Und sie ist nicht die Einzige, die sich im Laufe der Serie mit einer anderen Version ihrer selbst konfrontiert sieht. Was allerdings im Ungewissen bleibt, ist der Grund für diese seltsame Anomalie, die wahrzunehmen und einzugestehen sich die Menschen in Vik zunächst hartnäckig weigern. Hat das sagenhafte Huldrevolk etwas damit zu tun, von dessen den Menschen untergeschobenen "Wechselbälgern" diverse Sagen berichten? Was wollen die Besucher? Was ist ihre Bestimmung? Eine Frage, die eine der Doppelgängerinnen kurzerhand an das "Original" zurückgibt: Was sei denn eigentlich dessen Bestimmung?

Tatsächlich könnte man den Daseinsgrund der Doubles zunächst in einer Gnade (des Vulkans?) für die Menschen in Vik vermuten; die Wesen, die auf Katla das Licht der Welt erblicken, sind Antworten auf ihre Sehnsüchte und ihre Trauer um Verlorenes. Als Geschenk vermögen allerdings die wenigsten die Anomalie wahrzunehmen, sie wird vielmehr als tiefgreifende Irritation empfunden. Weil damit eine Vergangenheit wieder lebendig wird, die man zwar als Erinnerung liebt, die nun aber unangenehme Fragen an das seither geführte Leben und die eigenen durchgemachten Veränderungen stellt. So werden die Doppelgänger nicht zuletzt als Bedrohung wahrgenommen – ob zu Recht oder zu Unrecht, bleibt lange in der Schwebe.

Tatsächlich spitzen sich in den letzten Folgen die Ereignisse zu; Gewalt kommt ins Spiel, doch handfesten Suspense-Genremustern verweigert sich die Serie bis zum Schluss. Wenn es ein Tor zur Hölle gibt, aus dem Monströses hervorkriecht, dann liegt es nicht im Vulkan oder unter dem Gletschereis, sondern in den schwachen Herzen der Menschen, die weder das Glück fassen noch das Unglück aushalten zu können scheinen.

 

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