Drama | Brasilien/Portugal 2020 | 115 Minuten

Regie: Felipe Bragança

Ein junger brasilianischer Filmemacher heftet sich an die Fersen seines Großvaters, um mit Hilfe eines zotteligen Biests, das für die Geister der Vergangenheit steht, die Geschichte seiner Familie und damit auch seines Landes zu erkunden. Er begibt sich nach Mosambik, verbündet sich dort mit einem disparaten Trio und landet schließlich in Lissabon. Ein faszinierender Hybrid aus Geisterfilm-Reflexion und Film-im-Film, der erzählerisch in der Mitte ausfranst, aber dank der betörenden Bilder optisch ein Genuss ist. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
UM ANIMAL AMARELO
Produktionsland
Brasilien/Portugal
Produktionsjahr
2020
Produktionsfirma
Duas Mariola Filmes/O Som e a Fúria
Regie
Felipe Bragança
Buch
Felipe Bragança · João Nicolau
Kamera
Glauco Firpo
Musik
Nicolas Becker
Schnitt
Marina Meliande · Karen Black
Darsteller
Higor Campagnaro (Fernando) · Isabél Zuaa (Catarina) · Catarina Wallenstein (Susana) · Tainá Medina (Luiza) · Sophie Charlotte (Sofia)
Länge
115 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama
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Ein filmisches Vexierspiel um einen brasilianischen Regisseur, der mit einem Stoff um ein Monster, das seine Familie heimsucht, auch der Geschichte seines Landes nachspürt.

Diskussion

„Ich muss das kleine Monster kennenlernen“, spricht der alternde Mann und verlässt seinen musikalischen Liebhaber Juliano, der mit seiner Gitarre zurückbleibt. Als der Alte zurückkommt, findet er Juliano ermordet vor. Betastet die Leiche ungläubig, verreibt seine blutigen Hände anschließend auf dem Instrument des Toten. Es ist 1984 - das Jahr, in dem Brasilien eine Militärdiktatur abstreifen kann. Doch die Geister der Vergangenheit wird es nicht so leicht los.

Das kleine Monster, das ist sein Enkel Fernando, der zwiespältige Held des brasilianischen Films „Yellow Animal“ („Animal Amarelo“). Ein großes Monster gibt es auch noch, in Gestalt eines zottelig-gemütlichen Biests, das eine afrikanische Maske zum Gesicht hat und (nicht nur) Kinder verschlingt. Es ist ein Geist, der Fernandos Familie nachstellt. Er wohnt in ihrer Wohnung und schaut mit Fernandos Vater Actionfilme.

Ein Film über eine Familie, einen Fluch und brasilianische Geschichte

Als Erwachsener beschließt Fernando, Regisseur zu werden – und entwickelt ein Drehbuch, das mit ebenjenem gelben Monster von seiner Familie und damit zugleich der brasilianischen Geschichte erzählen will. Zum Unverständnis potenzieller Geldgeber, die sich etwas mehr Gegenständlichkeit wünschen. Dies aber kommt weder für Regisseur Felipe Braganca noch für sein Alter Ego Fernando in Frage, und diese filmische Absage an den falschen Schein des Realismus hat ihren Reiz. Um den Ursprüngen des Fluchs auf den Grund zu gehen, begibt sich Fernando, der immer einen Knochen dabeihat, der „in einer fremden Sprache singt“, nach Mosambik. Er tarnt sich als Diamantenschürfer und verbündet sich notgedrungen mit einem disparaten Trio Einheimischer. Darunter die sich nun offenbarende Erzählerin des Films, zu deren Vater, einem portugiesischen Ex-Wilderer und Juwelier, die Truppe nach Lissabon reist – und mit dessen Tochter Fernando sowohl ins Geschäft kommt auch als auch anzubandeln vermag.

Wenn Felipe Braganca seinem verwickelten, in Kapitel eingeteilten Werk den Zusatz „Un Film Brasileiro“ hinzufügt, ist das nicht als pflichtschuldige Erwähnung des Produktionsorts zu verstehen. Er sei „der Fluch für jene, die die gewaltsame Vergangenheit des Kolonialismus vergessen wollen“, meint der Regisseur über seinen Film, der nun auf der alternativen Streaming-Plattform Sooner zu sehen ist.

Hypnotische Magie

Geistern aus der kolonialen Vergangenheit in Afrika nachzuspüren, das erinnert an markante Werke der jüngeren portugiesischen Filmgeschichte: Filme wie „Tabu“ von Miguel Gomes oder „Cavalho Dineiro“ von Pedro Costa. Aber auch Brasilien, einst als portugiesische Kolonie gegründet, wird jedenfalls in seiner weißen Gestalt selbst von derlei Dämonen heimgesucht. Ähnlich wie „Cavalho Dineiro“ wohnt „Animal Amarelo“ eine hypnotische Magie inne, ist dabei aber gegenständlicher erzählt. Mit „Tabu“ verbindet den Film sein Hang zum Leichthändigen, Verspielten, ohne flach zu wirken. So traumwandlerisch und mystisch sich der Film auch gibt, so konkret ist die Handlung in der Zeit verortet.

Allerdings franst „Animal Amarelo“ in der Mitte des Films und ab der Reise nach Mosambik merklich aus. War der Film zuvor atmosphärisch und konzentriert, bekommt er nun Züge einer Satire, verfällt ins Farcenhafte. Die Regie hat viele Einfälle, die für sich genommen originell wirken, aber als flüchtige Momente kein Ganzes mehr bilden. Es entsteht eine seltsame Spannung zwischen dem Unmittelbaren, Mystischen, Atmosphärischen des Geisterfilms und dem Gebrochenen, Vermittelten, das der Form des Film-im-Film eingeschrieben ist. Trotzdem stellt sich der Film als ein faszinierender Filmhybrid dar – und ist optisch dank der durchkomponierten Bilder des Kameramanns Glauco Firpo durchgängig ein Genuss.

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