Natural Born Killers

Drama | USA 1994 | 119 (DVD 114 & 117 = BD 119 & 122) Minuten

Regie: Oliver Stone

Ein junges Mörderpärchen, dem erst nach 52 Morden das Handwerk gelegt werden kann, steht im Mittelpunkt eines sich kritisch gebenden, äußerst gewalttätigen Films, der seine Geschichten distanzlos erzählt und der Faszination der Gewalt selbst erliegt. Der irritierende und unbequeme Film prangert die Sensationslust der Medien an, ohne sich selbst der Spekulation zu enthalten, wobei er in einem atemberaubenden Feuerwerk eine ganze Palette von Inszenierungsmöglichkeiten aufbietet. Seine dynamische Bilderflut zieht in Bann, doch schießt der Film über das Ziel einer bitterbösen Satire weit hinaus.
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Filmdaten

Originaltitel
NATURAL BORN KILLERS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Ixtlan/New Regency/J.D. Productions
Regie
Oliver Stone
Buch
David Veloz · Richard Rutowski · Oliver Stone
Kamera
Robert Richardson
Musik
div. Songs
Schnitt
Hank Corwin · Brian Berdan
Darsteller
Woody Harrelson (Mickey Knox) · Juliette Lewis (Mallory Knox) · Robert Downey jr. (Wayne Gale) · Tommy Lee Jones (Dwight McClusky) · Tom Sizemore (Jack Scagnetti)
Länge
119 (DVD 114 & 117 = BD 119 & 122) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 18; f (DVD: ab 18, SPIO
JK I und ungeprüft; BD: ab 18 & ungeprüft)
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Heimkino

Der Film ist einer unübersichtlichen Fülle von DVD-Editionen erschienen. Zum Teil mit der Kinofassung (DVD: 114 Min.), zum Teil im sog. „Director’s Cut“ (DVD 117 Min.). Die 3 Disk Edition enthält zudem einen vom Verleih (Laser Paradise) erstellten „Special Cut“ (113 Min.). Auf BD hat Warner bislang zwei Editionen mit der Kinofassung und Marketing eine Edition mit dem Director’s Cut (FSK ungeprüft) herausgebracht. Die Extras der DVD (Warner) enthalten u.a. einen Audiokommentar des Regisseurs, ein alternatives Filmende (5 Min.), ein Feature mit sechs im Film nicht verwendeten Szenen (24 Min.) sowie das Doku-Feature "Chaos Rising" (27 Min.). Die 3 Disc Edition (Laser Paradise) enthält vergleichbare Extras. Bei den Extras der BD- Erstauflage (Warner) fehlt das Doku-Feature. Die Edition von Marketing Film enthält zudem den Soundtrack auf separater CD. Die 2014 erschienene gelungene Neuauflage der BD (Warner) enthält eine Reihe von alten und neuen Extras, wie folgt: den Audiokommentar, die geschnittenen Szenen (mit einer Einführung von Stone), das alternative Filmende, die neue Interviewkompilation "Natural Born Killers: Wahnsinn mit Methode" (16 Min.), die Doku "Chaos Rising", die Doku "NBK: Was wäre heute geschehen" (22 Min.) sowie das Interview "Charlie Rose trifft Oliver Stone" (12 Min.).

Verleih DVD
Best Entertainment (1.85:1, DD5.1 dt.) Warner (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl./dt.) Laser Paradise (16:9, 1.85:1, DD6.1 engl/dt., dts6.1 dt.)
Verleih Blu-ray
Warner (16:9, 1.78:1, TrueHD engl., DD5.1 dt.) Marketing Film (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl./dt.) Warner Neuauflage (16:9, 1.78:1, dts-HDMA engl., DD5.1 dt.)
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Diskussion
Zu Hollywoods Meister-Regisseuren zählt Oliver Stone zweifellos noch immer nicht, aber er ist ein Workaholic, der meist - sei es als Regisseur oder als Produzent - an mehreren Projekten gleichzeitig arbeitet. Und bisweilen gebiert seine rastlose Arbeitswut Filme, die einen mehr oder minder ratlos aus dem Kino entlassen - "Natural Born Killers" ist einer davon. Nach einer ursprünglichen Idee von Autor Quentin Tarantino erzählt Stone vordergründig die Geschichte von Mickey und Mallory, einem weißen Killerpärchen, das wahllos 52 Menschen umbringt, bevor es von der Polizei gefaßt werden kann. Die - deutlich abgesetzte - zweite Hälfte des Films schildert eine Häftlingsrevolte, während der den beiden die Flucht gelingt. Soweit, so nichtssagend. Denn eigentlich läßt sich "Natural Born Killers" mit einer schlichten Inhaltsangabe kaum beikommen. So sehr die Story auf den ersten Blick auch an Kino-Mythen à la "Bonnie & Clyde" erinnern mag, so sehr ist hier doch alles ganz anders. Mickey und Mallory erscheinen keineswegs als starke Figuren, passionierte Outlaws mit einem Hang zur Anarchie, sondern sind fleischgewordene, letztlich austauschbare Karikaturen, Barbie-Puppen gleich, einer aus allen Fugen geratenen Spezies, die früher einmal homo sapiens hieß. Wie die beiden zu dem wurden, was sie sind, ihre "Geschichte", liefert der Film in Rückblenden als stereotype TV-Sitcom, einschließlich sexuellem Kindesmißbrauch, nach. So wie diese Sequenzen nichts erklären, hat der ganze Film keinen auch nur annähernd nachvollziehbaren (geschweige denn nacherzählbaren) Plot. Vielmehr sieht man sich einem atemberaubenden Feuerwerk an rasant zusammengeschnittenen Bildern unterschiedlichster Machart ausgesetzt. Mal kommen sie in grobkörnigem Schwarz-Weiß, mal farbig daher, mal in neckisch gekippter Perspektive, dann wieder so konventionell wie aus einer Fernsehserie. Damit nicht genug, geht das Ganze bisweilen bruchlos in einen Comic-Strip über oder verliert sich in psychedelischen Farborgien im Stil der späten 60er Jahre.

Sicherlich kann man dem Film auch dezidiert zeitkritische Ambitionen nicht gänzlich absprechen. Wenn im Gefängnis ein Moderator einer sogenannten TV-Reality-Show inmitten der Revolte plötzlich die Kamera mit einer Pistole vertauscht und geradezu euphorisch durch die Gegend zu schießen beginnt, dann ist das schon eine bitterböse Spitze gegen jenen scheinbar grenzenlos schamlosen Voyeurismus, mit dem Fernsehsender inzwischen weltweit um Einschaltquoten buhlen. Ansonsten aber setzt Stone radikal auf die Faszination jener Gewalt, die kritisieren zu wollen er treuherzig vorgibt. Unter diesem Aspekt muß man dem Film dann Oberflächlichkeit, Naivität oder Heuchelei vorwerfen, von manchen schlicht albernen Einschüben gar nicht zu reden. Doch Kino ist nun einmal weder philosophisches Traktat noch moralische Anstalt, und nicht selten bekommen die Dinge, die sich auf der Kinoleinwand ereignen, ein Eigenleben jenseits der Kontrolle und Ambitionen des Regisseurs. "Natural Born Killers" ist womöglich so ein Film. Zumindest entwickelt er eine Faszination, die irritiert und der man sich im Kinosessel nur schwer entziehen kann - schon allein auf Grund der physischen Dynamik in Form der Bilderflut, gepaart mit den rasend schnellen Schnittfolgen, die einem faszinierenden (Horror-)Trip gleichkommen. Oder sollte sich Stone gar insgeheim die Lehren der französischen Poststrukturalisten zueigen gemacht haben, wonach die einzig mögliche Form der Kritik nur noch in einer auf die Spitze getriebenen Verdoppelung der Verhältnisse bestände? Wie auch immer: "Natural Born Killers" ist ein Film, den kaum einer lieben wird, den man "bequem" hassen kann, der einen jedoch kaum gleichgültig aus dem Kino entläßt.
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