Drama | Deutschland 2021 | 93 Minuten

Regie: Laura Lehmus

Als eine fantasiebegabte 40-jährige Erzieherin einen Piloten kennenlernt, scheint ihr Glück perfekt, doch als sie schwanger wird, lässt er sie sitzen. Darüber droht die harte Realität in den Tagträumen der Frau eine Weile überhandzunehmen. Das Drama im Gewand einer Komödie nutzt ein großes Arsenal an Tricktechniken und Ästhetiken, um die kunterbunte Innenwelt der Protagonistin zu beleben, mit der sie ihre Alltagserfahrungen in Schach hält. Allem Überschwang zum Trotz verhandelt der Film die aufgeworfenen Themen aber durchaus ernsthaft und gleitet darüber auch nicht in Selbstmitleid ab. - Ab 14.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Zeitgeist Filmprod./Field Recordings Filmprod./arte/ZDF
Regie
Laura Lehmus
Buch
Ruth Toma
Kamera
Anne Bolick
Musik
Boris Goltz
Schnitt
Andreas Menn
Darsteller
Friederike Kempter (Frida) · Florian Lukas (Felix) · Lena Urzendowsky (Yolanda) · Katharina Behrens (Dora) · Mareile Blendl (Anna Mersmann)
Länge
93 Minuten
Kinostart
11.08.2022
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Drama | Liebesfilm
Externe Links
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Eine 40-jährige Erzieherin mit Hang zu kunterbunten Tagträumen will sich nicht unterkriegen lassen, als sie schwanger wird und der Kindsvater sich auf und davon macht.

Diskussion

Die Tagträume der Erzieherin Frida (Friederike Kempter) sind voller Wölkchen, Sonnenschein und Seifenblasen, insbesondere als sie auf der Heimreise nach Berlin den Piloten Felix (Florian Lukas) kennenlernt, der gerade von seiner Freundin verlassen wurde. In einer bunten Collage aus Papierflugzeugen und Luftballons wird aus ihr und dem Fremden ein Paar mit romantischen Ausflügen und gemeinsamen Lieblingsorten.

Für Frida scheint das Glück perfekt, als sie merkt, dass sie schwanger ist. Obwohl Felix verhalten reagiert, führt er in einem ihrer Tagträume in seiner Pilotenuniform einen Tanz auf, für den sich Fridas Wohnzimmer in eine rot beleuchtete Clubbühne verwandelt und alles in einem Heiratsantrag endet. Felix schreit „Wir sind schwanger!“ aus dem Fenster und lässt die ganze Straße an seiner Freude teilhaben. Doch der Presslufthammer vor ihrem Fenster holt Frida auf den Boden der Tatsachen zurück: Felix ist weg, weil seine Ex wieder auftauchte; Frida hingegen ist allein – 40, schwanger und obendrein bald auch noch arbeitslos.

Je trüber, desto bunter

Die Filmemacherin Laura Lehmus erzählt in ihrem autobiografisch inspirierten Spielfilmdebüt „Sweet Disaster“ ein Drama mit dem Potenzial zur Tragödie. Doch die Regisseurin lässt ihre Protagonistin trotz aller Katastrophen an ihren Träumen festhalten: Je trüber die Realität, desto bunter Fridas Fantasien. Mal schwebt sie über dem Berliner Gehweg, mal taucht sie in die familientauglich umgestaltete Wohnung ab.

Laura Lehmus, die bisher in Design und Animation tätig war, packt ein ganzes Arsenal an Tricktechniken und Ästhetiken aus, um Fridas kunterbunte Innenwelt zu beleben. Diese schwappt auch in die Realität über und macht sich in ihrer farbenfrohen Garderobe und der mit viel Nippes und Tand eingerichteten Wohnung bemerkbar. Ein wenig erinnern Fridas Fantasien an die Traumwelten von Michel Gondry und erfüllen auch einen ähnlichen Zweck. Die Realitätsflucht lässt den Alltag erträglicher erscheinen, bewahrt den Film aber auch davor, selbstmitleidig zu werden, auch wenn ab und an alles absurd überdreht.

Tragödie im Kleid einer Komödie

„Sweet Disaster“ ist eine Tragödie im Kleid einer fantasievollen Komödie, verhandelt die aufgeworfenen Themen jedoch durchaus ernsthaft, etwa Schwangerschaft als körperlichen Ausnahmezustand. Frida gilt mit ihren 40 Jahren als Risikopatientin. Bluthochdruck und andere ernstzunehmende Beschwerden werfen sie in ihrem Streben nach einer heilen Welt immer wieder zurück. Der Wille, sich mit Felix zusammenzuraufen, um getrennt und doch gemeinsam für das Kind zu sorgen, klingt theoretisch zwar ehrenhaft und erstrebenswert, ist aber mehr Arbeit, als Frida wahrhaben will.

Dafür aber bekommt sie eine nicht weniger bunte Wahlfamilie zur Seite. Da Fridas Eltern nach Finnland zurückgekehrt sind, kümmert sich ein Karten spielender Seniorinnentreff um sie; die technikbegabtes Yolanda aus der Nachbarschaft hilft ihr, Felix auszuspionieren, was die Handlung teilweise ins Stalking abdriften lässt; und Fridas Kindergartengruppe wird vom Schulbusfahrer zur neuen Generation „Baywatch – Die Rettungsschwimmer von Malibu“-Fans ausgebildet.

David Hasselhoff ist auch mit dabei

Der Titelsong der Serie wird zur Hymne der eingeschworenen Gemeinschaft: „I’m Always Here“. In diesem überdrehten, aber immer herzlichen und ehrlichen Szenario ist es nur mehr als konsequent, dass David Hasselhoff einen Gastauftritt erhält; worüber man sich auch gar nicht wundert, denn Fridas Traumwelt hat da längst die Überhand gewonnen.

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