Brother in Every Inch

Drama | Russland 2022 | 80 Minuten

Regie: Alexander Solotuchin

Zwei einander sehr nahestehende Zwillingsbrüder absolvieren ihre Ausbildung als Militärpiloten. Beide lieben das Fliegen, müssen aber erfahren, dass die brüderliche Einheit keinen Platz in den Strukturen der russischen Luftwaffe findet. Das Drama schwelgt in der martialischen Ekstase des Fliegens und überdeutlichen Symbolbildern. Dieses Pathos wird allerdings wieder und wieder durch die brüderliche Zärtlichkeit abseits des Flugfelds geerdet, die die Brüdergeschichte zum pazifistischen Film hinter vorgehaltener Hand macht. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
BRAT WO WSJOM
Produktionsland
Russland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Proline Film
Regie
Alexander Solotuchin
Buch
Alexander Solotuchin
Kamera
Andrej Naidenow
Schnitt
Tatjana Kusmitschjowa
Darsteller
Sergej Schurawlew (Andrej) · Nikolaj Schurawlew (Mitja) · Michail Klabukow (Fluglehrer) · Alexandra Schewjrewa (Lera) · Wjatscheslaw Saweljew (Feldwebel Bogomolow)
Länge
80 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama

Russisches Militärdrama um zwei Brüder, die sich bei der Luftwaffe verpflichten. Doch ihre empathische Verbindung untereinander hat dort keinen Platz.

Diskussion

Als das erste Mal der Name „Berezin“ fällt, antworten beide Brüder. Andrej ist gemeint, wie der Ausbilder kurz darauf wissen lässt. Es ist die erste Szene des Films, die nicht nur dazu dient, die Zwillinge Andrej und Mitja (Sergej und Nikolaj Schurawlew) zu unterscheiden, sondern die auch schon den ersten von Dutzenden Hinweisen darauf gibt, dass die Sonderrolle der Brüder nicht wirklich in ein System passen will, das neben Kameraden nur hierarchische Sonderrollen kennt. Andrej und Mitja sind Rekruten einer Pilotenschule der russischen Luftstreitkräfte. Zusammen würden sie einen verdammt guten Rekruten abgeben, scherzt ihr Ausbilder nicht ohne Resignation über die Zwillinge. Im Cockpit der Ausbildungsmaschinen sitzen Andrej und Mitja jedoch allein.

Eine sensible, empathische Beziehung

Die brüderliche Einheit bildet wenig überraschend den Kern des Films von Regisseur Alexander Solotuchin. Eine Einheit, die im Gefüge der größeren militärischen Einheit keine Einheit mehr sein kann. Schuld daran sind jedoch nicht die Drangsal der Kameraden oder die Härte der Offiziere; der von Michail Klabukow gespielte Ausbilder erscheint für die Brüder mehr und mehr wie eine Vaterfigur. Es ist vielmehr die Idee des Militärs an sich, die mit der sensiblen und empathischen Beziehung nicht vereinbar ist.

Das Fliegen zeichnet der Film als puren Rausch der Ekstase. In ausführlichen und aufwändigen Szenen begleitet der Film die Jets von der Landebahn in die Lüfte, fügt jeden technischen Schritt, jeden Handgriff, jedes Manöver und jede Turbulenz in die ekstatischen Momente ein, die Andrej und Mitja im Cockpit erleben. In den Außenaufnahmen kommt die Musik von Richard Wagner dazu.

Diesem Pathos über den Wolken hängt die Inszenierung schwere, mit Metaphern be- und überladene Bilder aus dem Alltag der Rekruten an. Nach einem Unfall soll das Schilf nahe dem Stützpunkt verbrannt und die darin nistenden Vögel verscheucht werden. Es ist erneut Mitja, der sich im Schilf verläuft, als das am anderen Ende bereits entfacht wurde. Auf der Flucht vor den Flammen sieht er ein Nest mit zwei Küken. Zwei Brüder, die den Flammen des Militärs nicht entkommen werden. Er kann sie nicht retten.

Ein Leben in zwei Körpern

Hinter dem Versprechen, das Ekstase und Kameradschaft geben, steht der Krieg. Angesprochen wird das jedoch nie direkt, aber dennoch sehr explizit. Am deutlichsten teilt es Mitjas Körper mit, der sich immer dort sträubt, wo die Kräfte der Kampfjets am deutlichsten sichtbar werden. Während der im Theoriesaal noch einer der schnellsten ist, verliert Mitja im Cockpit das Bewusstsein. Ob aus Sorge um den Bruder, dessen Maschine ein ums andere Mal in Gefahr gerät, oder aus körperlichen Gründen bleibt offen. Außerhalb der Strukturen der Luftwaffe stellt sich diese Frage ohnehin nicht.

Die Brüder sind eins, sie teilen ein Leben in zwei Körpern. Um die Hoffnung auf dieses Leben auch im Dienst zu erhalten, schlägt Andrej vor, dass der Bruder doch Bomberpilot werden könnte; da seien die körperlichen Belastungen geringer. Mitja lehnt ab. Er hat gesehen, was Bomben anrichten. Sein und ihr Leben ist nicht für den Krieg gemacht.

Der Hydrant am Ende des Flugfelds wird von den Brüdern zur Dusche umfunktioniert, die Zäune des Stützpunktes werden für Tagesausflüge überklettert. Draußen wartet Andrejs Liebhaberin. Sogar sie wird für einen Moment zur Geliebten beider Brüder. Sie lässt Mitja gewähren, der ihren Hals küsst, als wolle er genau das nachempfinden, was sein Bruder eben vor ihm spürte. Außerhalb des Stützpunktes scheint das noch möglich; die Armee hingegen kennt keine Brüder, nur Kameraden.

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