The Middle Man - Ein Unglück kommt selten allein

Komödie | Dänemark/Deutschland/Kanada/Norwegen/Schweiz/Großbritannien 2021 | 95 Minuten

Regie: Bent Hamer

In einem heruntergekommenen US-Städtchen ergattert ein arbeitsloser Mann den Job des behördlichen „Mittelsmanns“, der schlechte Nachrichten zu überbringen hat. Wie alles in seinem Leben erledigt er auch dies mit fatalistischer Gelassenheit, selbst wenn Unglücksfälle anfänglich ausbleiben. Doch bald wird er selbst in tragische Vorkommnisse verstrickt. Der lakonisch-surreale Genre-Mix aus Sozialdrama, schwarzem Humor und lakonischer Romanze handelt von verlorenen und wiedergefundenen Hoffnungen, wobei makabre Komik, tiefe Trauer und Nachdenklichkeit ebenso irritierend widersprüchlich wie stimmig zusammengehen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MIDDLE MAN
Produktionsland
Dänemark/Deutschland/Kanada/Norwegen/Schweiz/Großbritannien
Produktionsjahr
2021
Produktionsfirma
Pandora Film/Bulbul Film/The Film Farm/Profile Pict./Bord Cadre Films Sàrl/Sovereign Films/ZDF/arte
Regie
Bent Hamer
Buch
Bent Hamer
Kamera
John Christian Roselund
Musik
Jonathan Goldsmith
Schnitt
Anders Refn
Darsteller
Pål Sverre Hagen (Frank) · Tuva Novotny (Blenda) · Nina Andresen-Borud (Franks Mutter) · Trond Fausa Aurvåg (Bob Spencer) · Aksel Hennie (Arthur Clintstone)
Länge
95 Minuten
Kinostart
17.11.2022
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung | Satire
Externe Links
IMDb | TMDB

Lakonisch-surreale Tragikomödie um einen Mann, der in einem desolaten US-amerikanischen Städtchen fürs Überbringen schlechter Nachrichten zuständig ist.

Diskussion

Karmack ist eine US-Kleinstadt, vermutlich in einem Fly-over-Staat. Wer hier noch wohnt, hatten wohl keine andere Wahl; alle anderen sind längst weg. Der norwegische Drehbuchautor und Regisseur Bent Hamer entwirft mit diesem Städtchen einen perspektivlosen, wirtschaftlich desolaten Ort als Miniatursinnbild des verlorenen US-amerikanischen Traums.

Inmitten dieses trostlosen Settings, in dem in den Amtsstuben die Farbe von den Wänden bröckelt, entfaltet sich kein naturalistisches Sozialdrama, sondern eine zwischen widersprüchlichen Stilen und Stimmungen oszillierende, durchaus tröstliche Tragikomödie voll makabrer Melancholie.

Kein Mangel an schlechten Nachrichten

Frank Farelli, der mit Ende dreißig noch immer bei seiner Mutter wohnt, ist einer derjenigen, die es nicht geschafft haben, wegzukommen. Seit der Bahnhof, bei dem er angestellt war, geschlossen wurde, ist er arbeitslos. Ein mittelalter weißer Mann, der sich trotz der ihm zugeschriebenen Privilegien auf der Verliererseite wiederfindet. Anders als sein Konkurrent um die von einer städtischen Kommission zu vergebende Stelle des „Mittelsmanns“, der pockennarbige Bob Spencer, reagiert der introvertierte Frank darauf allerdings nicht wütend oder hasserfüllt, sondern mit fatalistischer Gelassenheit.

Die Aussicht auf einen neuen Job verleiht seinem leicht verwahrlosten Dasein sogar einen neuen Esprit. Er schneidet sich die Haare und kleidet sich ordentlich ein. Die Aufgabe als Mittelsmann besteht überwiegend darin, die Angehörigen von Unfallopfern im Auftrag der Gemeinde persönlich zu informieren. Denn wenn es in Karmack an etwas nicht mangelt, dann sind es schlechte Nachrichten.

Im Bewerbungsgespräch fragt ihn der Sheriff, der die Kommission leitet, zu der außerdem noch der Arzt und der Pastor gehören, was seiner Meinung nach der Grund dafür sei, dass sich in Karmack so viele Unglücke ereignen. Wahrscheinlich, mutmaßt Frank, weil hier so viele Menschen leben, die noch nie das Meer gesehen haben. Das ist eine vielschichtige Sehnsuchtsmetapher, mit der der pragmatisch humorlose Sheriff allerdings wenig anfangen kann.

Zunächst bleiben Todesfälle aus

Dennoch bekommt Frank die Stelle, womit er sich den Zorn seines Rivalen Bob zuzieht, und dies umso mehr, je näher sich Frank und seine Sekretärin Brenda kommen, mit der Bob früher liiert war. Kaum hat Frank seine Arbeit als Mittelsmann aufgenommen, bleiben die Todesfälle zunächst aus, was Frank Sorge bereitet, obwohl es ihn doch, wie alle sagen, freuen sollte. Doch dann eskalieren die Streitigkeiten mit Bob, und Frank wird immer tiefer in jene Unglücksfälle verstrickt, über die er ja eigentlich nur berichten sollte.

Mit „The Middle Man“ erzählt Bent Hamer einmal mehr aus einfühlsamer Nähe zu seinen Protagonisten, die er weder größer noch kleiner als das Leben erscheinen lässt. Es sind allesamt skurrile, kauzige und dabei durchaus nicht lächerliche Gestalten, Menschen mit moralischen Ecken und Kanten, charismatisch verkörpert von Paul Gross als stoischem Sheriff, Tuva Novotny, die als Brenda wenig spricht, mit ihren Blicken und mimischen Reaktionen aber umso mehr zum Ausdruck bringt, und Pål Sverre Hagen als Frank, der schwerwiegende Entscheidungen treffen muss, ohne immer zu wissen, was richtig und falsch ist.

Eine lakonisch-surreale Tragikomödie

Dass auch „The Middle Man“ das weitgehend offenlässt, resultiert neben den wunderbaren Darstellern primär aus der behutsamen Montage und der malerisch ausgeleuchteten Fotografie, die dem Film seine eigentümlich poetische Aura verleiht.

Die lakonisch surreale Tragikomödie steckt voller Momente, in denen makabre Komik unversehens von ergreifender Trauer und tiefgründiger Nachdenklichkeit unterspült wird, etwa wenn es bei einer vermeintlichen Todesnachricht zu einer Verwechslung kommt, bis sich alles zu einem heiter-schwermütigen Gefühlswirrwarr vermengt. Ein irritierend widersprüchlicher, in sich aber dennoch stimmiger Film über eine verlorene und wiedergefundene Hoffnung und die grausam-albernen Wendungen des graubunten Lebens.

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