Im Visier des Terrors

Politthriller | Algerien/Frankreich 2018 | 91 Minuten

Regie: Rabah Ameur-Zaïmeche

Ein Arzt, der sich vor allem anderen seinem hippokratischen Eid verpflichtet fühlt, gerät in einer fiktiven nordafrikanischen Militärdiktatur zwischen die Fronten von Rebellen und Geheimpolizei. Nachdem er entführt wurde, um den schwerverletzten Anführer einer Widerstandsgruppe zu retten, verhaftet das Militär den Mediziner und foltert ihn, um den Standort der Rebellen zu erfahren. Der Film entwirft die anspruchsvoll-spannende Skizze eines dystopischen Unrechtsstaates, in dem Gesetze nichts mehr gelten und die Bürger in ständiger Unsicherheit leben. Die Folterszenen sind in ihrer Grausamkeit mitunter kaum erträglich, verdeutlichen aber die Unmenschlichkeit des Regimes. - Ab 18.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
TERMINAL SUD
Produktionsland
Algerien/Frankreich
Produktionsjahr
2018
Produktionsfirma
Sarrazink Prod./Arte France Cinéma/Les Films du Lendemain
Regie
Rabah Ameur-Zaïmeche
Buch
Rabah Ameur-Zaïmeche
Kamera
Irina Lubtchansky · Camille Clément
Musik
Kraja
Schnitt
Grégoire Pontécaille
Darsteller
Ramzy Bedia (Doktor) · Amel Brahim-Djelloul (Hazia) · Slimane Dazi (Moh) · Salim Ameur-Zaïmeche (Busfahrer) · Nabil Djedouani (Chefredakteur)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Politthriller
Externe Links
IMDb | TMDB

Anspruchsvolles Drama um einen Arzt in einer namenlosen afrikanischen Militärdiktatur, der zwischen die Fronten von Geheimpolizei und Rebellen gerät.

Diskussion

Ein Bus fährt langsam durch eine idyllische, sonnendurchflutete Landschaft, die – darauf verweisen wenige Anhaltspunkte – am Mittelmeer, wahrscheinlich in Nordafrika liegt. Plötzlich eine Straßensperre. Soldaten zwingen Fahrer und Passagiere mit vorgehaltener Waffe zum Aussteigen, das Gepäck sollen sie mitnehmen. Schnell durchwühlen die Männer den Inhalt der Koffer nach Wertvollem, raffen zusammen, was sie gebrauchen können, auch die Kasse des Busfahrers. Dann sind sie auch schon wieder verschwunden, nicht ohne vorher einen Mann als Geisel genommen zu haben. Der Busfahrer sucht später nicht etwa die Polizei auf, sondern geht gleich zur Redaktion einer Tageszeitung, um von dem Überfall zu berichten. Er weiß, dass ihm die Behörden nicht helfen werden. Deshalb soll das Verbrechen wenigstens publik werden. Das ist die erste Irritation in „Im Visier des Terrors“.

Szenenwechsel. In einem Krankenhaus untersucht ein Arzt, dessen Namen man nicht erfährt, eine Frau, die mutmaßlich an einer Embolie leidet. Doch viel wichtiger ist ihr die Sorge um ihren Mann, der nach dem Besuch einer Moschee spurlos verschwunden ist. Die zweite Irritation. Kurz darauf wird der Redakteur, mit dem der Busfahrer gesprochen hatte, auf offener Straße von hinten erschossen. Der Arzt kann ihn nicht mehr retten. Nachdem später der Anführer einer Gruppe von Rebellen schwer verletzt wurde, wird der Arzt entführt und gezwungen, ihn zu retten. Das wiederum ruft das Militär auf den Plan, das den Mediziner verhaftet und foltert, um Namen und Standort der Widerstandskämpfer herauszufinden.

Das Unrecht wird zum Alltag

Ein Arzt gerät in einer fiktiven nordafrikanischen Militärdiktatur zwischen die Fronten von Rebellen und Geheimpolizei. Mit nur wenigen Strichen entwirft der franko-algerische Regisseur, Produzent und Drehbuchautor Rabah Ameur-Zaïmeche eine Dystopie, in der das Unrecht zum Alltag wird. Sein Film spielt an einem Un-Ort, in dem Gesetze nicht mehr gelten. „Wieso leben wir in einem Land, in dem Ärzte bedroht werden?“, fragt sich der verzweifelte Doktor. Der bislang vor allem als Komiker bekannte Ramzy Bedia spielt ihn als leidenschaftlichen Mediziner, der sich seinem hippokratischen Eid verpflichtet fühlt und den Menschen helfen will. Doch die Arbeitsüberlastung kann er nur mit Alkohol und Drogen betäuben – etwas, was er seinen Patienten nie erlauben würde.

Ständig wird der Mediziner auf dem Weg von oder ins Krankenhaus von Polizisten kontrolliert; an seiner Wohnungstür hängt ein Drohzettel mit aufgemaltem Sarg; jemand klopft und verschwindet gleich wieder. Er muss hilflos mit ansehen, wie Menschen aus ihren Wohnungen gezerrt oder auf offener Straße willkürlich verhaftet werden. So vermittelt der Regisseur ein ständiges Gefühl der Unruhe und Unsicherheit. Selbst bei harmlosen Unterhaltungen blickt die Kamera im Hintergrund detailverliebt auf die Arbeit der Müllabfuhr – ein fast schon beschämender Kontrast.

Die Folterszenen ersparen nichts

Die Folterszenen hingegen ersparen dem Zuschauer nichts und erinnern in ihrer Grausamkeit an „Die Nacht der tausend Schreie“, in dem Hector Olivera 1986 das Unrecht und die Unmenschlichkeit der argentinischen Militärdiktatur anprangerte. Der Folterkeller ist auch hier ein rechtsfreier Raum, in dem sich der Folterer als Gott aufspielt, weil er allein über Leben und Tod bestimmt. Doch auch die wiedererlangte Freiheit verheißt keine Erlösung. Wo eben noch Flamingos im Sumpf Wasser schöpften oder wilde Schimmel durch die Steppe galoppierten, also die Natur einen friedlichen Gegenentwurf zur Diktatur bietet, zwingt eine Miliz den Arzt zu einer Gewalttat, die ihn nachhaltig verändert. Die Willkür des Staates macht ihn zum Schuldigen. Das ist die eigentliche Tragik dieses Films.

Kommentar verfassen

Kommentieren