Narvik
Historienfilm | Norwegen 2022 | 108 Minuten
Regie: Erik Skjoldbjaerg
Filmdaten
- Originaltitel
- KAMPEN OM NARVIK
- Produktionsland
- Norwegen
- Produktionsjahr
- 2022
- Regie
- Erik Skjoldbjaerg
- Buch
- Christopher Grøndahl
- Kamera
- John-Erling Holmenes Fredriksen
- Musik
- Christine Hals
- Schnitt
- Martin Stoltz
- Darsteller
- Carl Martin Eggesbø (Korporal Gunnar Tofte) · Kristine Hartgen (Ingrid Tofte) · Stig Henrik Hoff (Aslak Tofte) · Henrik Mestad (Major Omberg) · Holger Handtke (General Eduard Dietl)
- Länge
- 108 Minuten
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Historienfilm | Kriegsfilm
Kriegsfilm über die Schlacht um Narvik (1940): Im Zweiten Weltkrieg besetzen deutsche Truppen Norwegen; bei See-, Land- und Luftgefechten um die Hafenstadt Narvik versuchen Norweger und alliierte Truppen, die Nazis zurückzuschlagen.
Ingrid (Kristine Hartgen) und ihr Mann (Carl Martin Eggesbø) genießen einen zärtlichen Moment, bevor Gunnar wieder zurück zu seiner Einheit muss. Weil in der kargen, beengten Wohnung außerdem noch der gemeinsame Sohn Ole (Christoph Gelfert Mathiesen) sowie Gunnars Vater Aslak (Stig Henrik Hoff) leben, erlaubt dem Paar lediglich ein dünner Vorhang die nötige Privatsphäre, um sich noch einmal zu lieben. Wie kostbar dieser intime Augenblick ist, wird den beiden erst später bewusst. Denn die Heimat wurde mittlerweile von den Deutschen besetzt, und der daraus resultierende Krieg reißt sie auf unbestimmte Zeit auseinander.
Erik Skjoldbjaergs aufwändiges Kriegsdrama „Narvik“ erzählt von der historischen Schlacht um die gleichnamige Hafenstadt am Ofotfjord. Norwegen war im Jahr 1940 zwar offiziell neutral, lieferte zugleich aber Eisenerz an die Rüstungsindustrie des Dritten Reichs. Nachdem in Narvik zunächst sowohl Briten als auch Deutsche in angespannter Koexistenz stationiert waren, brachten die Nazis die Stadt schließlich in ihre Gewalt.
Souveräne Action
Die Liebe des jungen Paars bildet den Rahmen des abwechselnd an der Front und im besetzten Narvik spielenden Films. Während Gunnar auch nach der Kapitulation der Norweger noch mit seiner Einheit gegen die Deutschen kämpft und schließlich in Kriegsgefangenschaft gerät, bleibt Ingrid zurück, um als Übersetzerin für den Nazi-Konsul Wussow (Christoph Bach) zu arbeiten. Die fiktiven Figuren dienen Skjoldbjaerg dazu, die geschichtlichen Ereignisse aus einer persönlichen Perspektive zu erzählen. Die Hoffnung der Liebenden, sich eines Tages wiederzusehen, bildet zudem den roten Faden der Erzählung.
Das glatte Historienspektakel, das „Narvik“ hätte werden können, schimmert nur selten durch. Skjoldbjaerg erweist sich vor allem als souveräner Actionregisseur, der uns unmittelbar in die chaotische Stimmung der überraschenden Okkupation wirft. Es ist ein apokalyptisches Szenario aus Rauch, Licht und dunklen Silhouetten, mit dem er die Angst vor der Ungewissheit in Bilder überträgt. Die bewegte Kamera von John-Erling Holmenes Fredriksen hetzt durch Menschenmassen, enge Gassen oder Hintertüren, durch die sich Leute panisch in Sicherheit bringen. Die Aufregung, die Ingrid stets ins Gesicht geschrieben steht, vermittelt „Narvik“ mit seinem immersiven Szenario.
Auch die Kämpfe sind von dieser Spannung durchdrungen. Als Gunnar mit seiner Einheit eine Eisenbahnbrücke sprengt, wird daraus ein Wettlauf gegen die Zeit, bei dem eine lange Zündschnur durchbrennt, während sich Gunnar rechtzeitig in Sicherheit bringen muss. Die Schlachten inszeniert „Narvik“ als unbezwingbares Chaos, bei dem die Geschosse hautnah an den Menschen vorbeizischen oder die Druckwellen von Explosionen sie meterweit durch die Luft wirbeln. Skjoldbjaerg schafft eine von Unübersichtlichkeit und Zeitdruck geprägte Atmosphäre, in der folgenreiche Entscheidungen im Affekt getroffen werden müssen.
Zerrissen zwischen nationaler und familiärer Verantwortung
Die dramatische Last liegt vor allem auf Ingrids Schultern. Sie ist zerrissen zwischen nationaler und familiärer Verantwortung, ist zugleich Ehefrau und Mutter, vaterlandsliebende Norwegerin, Informantin der Engländer und schließlich auch Kollaborateurin der Nazis. Sie liebt ihren Mann und sorgt sich um ihr krankes Kind, bewegt sich auf einem schmalen Grat zwischen den verfeindeten Kriegsparteien und muss schließlich abwägen, ob sie ihren Sohn zugunsten der Heimat opfert oder die Heimat zugunsten des Sohnes.
Skjoldbjaerg weiß dieses dramatische Potenzial allerdings nicht immer zu nutzen. So sehr er das Spiel mit Atmosphäre und Spannung beherrscht, so holzschnittartig geraten einige der dramatischen Szenen. Wenn das Dilemma der Figuren komplexer und mitreißender hätte sein können, setzt „Narvik“ zu oft auf ergriffene Gesichter und den streckenweise arg dick aufgetragenen Pathos-Score von Christine Hals.
Kein staatstragendes Heldenepos
Man muss „Narvik“ allerdings auch hier zugutehalten, dass er nie zum staatstragenden Heldenepos wird. So wie die wenig heroische Angst der Soldaten Beachtung findet, so weit entfernt ist auch Christoph Bachs Figur vom Klischee des dämonisch strengen Nazi-Sadisten. Skjoldbjaerg zeichnet Wussow als gehemmten und autoritätshörigen Normalo, der die gewaltsame Besatzung mit sanfter Stimme und höflichem Lächeln zu kaschieren versucht.
Obwohl die Schlacht siegreich als „erste Niederlage Hitlers im Zweiten Weltkrieg“ bezeichnet wird, erwies sie sich letztlich als Tragödie. Nachdem die Deutschen vertrieben waren, kamen sie mit Bombern wieder und legten die gesamte Stadt in Schutt und Asche. Dementsprechend lässt auch Skjoldbjaerg seine Liebesgeschichte als Trümmerhaufen enden, über dem jedoch ein sanfter Optimismus liegt. Eines ist dabei gewiss: Ob körperlich, geistig oder moralisch, aus einem Krieg kommt man nur schwer beschädigt wieder heraus.