Arielle, die Meerjungfrau (2023)

Animation | USA 2023 | 135 Minuten

Regie: Rob Marshall

Ein Realfilm-Remake des animierten Disney-Films aus dem Jahr 1989, frei nach dem Märchen von Hans Christian Andersen. Als sich eine Meerjungfrau in einen menschlichen Prinzen verliebt, lässt sie sich von einer Meerhexe in einen Menschen verwandeln, um sein Herz zu erobern. Doch die Hexe hegt böse Absichten und will die Meerjungfrau zu ihrer Gefangenen machen. Inhaltlich nah am Vorgänger, versucht der Film mit einer auf Diversität achtenden Besetzung, einem Schauplatz in der Karibik und einigen neuen Songs eigene Akzente zu setzen. Trotz weitgehend starker Musik und teilweise guten schauspielerischen Leistungen schmälert der Realismus jedoch die verspielte Ausdruckskraft des Originals, und der überlange Film verliert sich in langatmigen erzählerischen Abschweifungen. - Ab 8.

Filmdaten

Originaltitel
THE LITTLE MERMAID
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2023
Regie
Rob Marshall
Buch
David Magee
Kamera
Dion Beebe
Musik
Alan Menken · Lin-Manuel Miranda
Schnitt
Wyatt Smith
Darsteller
Halle Bailey (Arielle) · Jonah Hauer-King (Prinz Erik) · Melissa McCarthy (Meerhexe Ursula) · Javier Bardem (König Triton) · Noma Dumezweni (Königin Selina)
Länge
135 Minuten
Kinostart
25.05.2023
Pädagogische Empfehlung
- Ab 8.
Genre
Animation | Märchenfilm | Musical

Eine Realfilm-Neuverfilmung des Disney-Zeichentrickfilms über die Meerjungfrau Arielle, die sich in einen Prinzen verliebt und sich in einen Menschen verwandeln lässt, um sein Herz zu erobern.

Diskussion

Arielle (Halle Bailey) ist eher eine Träumerin als ein rebellischer Teenager. Im Unterwasserreich Atlantica richtet die Meerjungfrau ihren sehnsuchtsvollen Blick immer wieder hoch zur Wasseroberfläche. Während ihr Vater, der mild autoritäre König Triton (Javier Bardem), alles Menschliche verabscheut, fantasiert sie von einem schöneren Leben an Land.

Der frei auf Hans Christian Andersens Märchen „Die kleine Meerjungfrau“ basierende Animationsfilm „Arielle, die Meerjungfrau“ verlieh diesem Wunsch 1989 Ausdruck mit der kraftvollen Ballade „Part of Your World“. Von leisen Tönen schraubt sich Komponist Alan Menken darin zu orchestraler Wucht hoch. Über drei Jahrzehnte später ist der Song nun wieder in Rob Marshalls Realfilm-Remake zu hören, bei dem Disney versucht, die Qualitäten des Originals mit einer diverseren Besetzung und teilweise entschärften Liedtexten zu verbinden. Zumindest Hauptdarstellerin HHalle Bailey legt mit ihrer hingebungsvollen Darbietung nahe, dass sich diese Neuverfilmung lohnen könnte.

Stumm durch einen bösen Zauber

Auch Marshall erzählt in seinem Film davon, wie Arielle bei einem Sturm den Prinzen Eric (Jonah Hauer-King) vor dem Ertrinken rettet und sich unsterblich in ihn verliebt. Mithilfe der biestigen Meerhexe Ursula (Melissa McCarthy) verwandelt sie sich schließlich für drei Tage in einen Menschen. Gelingt es der durch einen bösen Zauber stummen Arielle jedoch nicht, Eric bis zum Ablauf der Zeit zu küssen, wird sie zur Gefangenen der Meerhexe. Die Geschichte wird dabei teilweise exakt wie im Vorgänger inszeniert. Einige der alten Songs werden allerdings weggelassen, während andere, die Menken mit Lin-Manuel Miranda komponiert hat, neu dazukommen.

Ein Realfilm ist „Arielle“ angesichts des großzügigen Einsatzes digitaler Animationen natürlich nur bedingt. Die blaustichigen Ideallandschaften der Unterwasserwelt Atlantica erinnern ein bisschen an James Camerons „Avatar“. Als halb animiertes Fantasiegeschöpf wirkt Arielle manchmal seltsam künstlich. Wohlwollend könnte man sagen, ihr ist anzusehen, dass sie unter Wasser nicht in ihrem Element ist.

An mehreren Stellen versucht der Film, seine Märchen-Elemente abzuschwächen. Der Schauplatz etwa ist diesmal kein Fantasie-Ort, sondern eine karibische Insel, deren musikalische Einflüsse deutlich auf dem Soundtrack zu hören sind. Der Realismus, dem sich der Film visuell verschreibt, sabotiert allerdings viele Qualitäten des klassischen Disney-Kinos. Das mal niedliche, mal furchteinflößende, in jedem Fall aber expressive Charakterdesign kommt hier etwa zu kurz. Vor allem die Entscheidung, für tierische Sidekicks wie die obrigkeitshörige Krabbe Sebastian, die ängstliche Flunder Fabius und die geschwätzige Möwe Scuttle echte Tiere als Vorlage zu verwenden, schmälert die Bandbreite des mimischen Ausdrucks enorm. Selbst Melissa McCarthy, die sich als Ursula mit ihren Tentakeln bissig und amüsant durch den Film räkelt, muss zwangsläufig hinter ihrer schamlos überkandidelten Vorgängerin zurückbleiben.

Calypso mit der halben Unterwasserbevölkerung

Einige Stärken des Vorgängers kann „Arielle“ aber bewahren. Sebastians berühmtes Calypso-Solo „Under the Sea“ ist musikalisch nach wie vor mitreißend und wird auch im Remake mit einer ausgefeilten Choreographie, an der die halbe Unterwasserbevölkerung beteiligt ist, aufwändig umgesetzt. Doch was an technischer Raffinesse hinzukommt, geht an Ausdruck verloren.

Das vielleicht größte Manko von „Arielle“ ist aber seine ausufernde Laufzeit. Fast eine Stunde länger als sein Vorgänger ist der Film geworden, jedoch ohne dass inhaltlich Wesentliches ergänzt würde. Die neuen Songs fallen durchwachsen aus. Während ein virtuoser Rap von Scuttle und Sebastian durchaus witzig gerät, versucht Erics schnulziges Solo erfolglos, die Figur des Prinzen komplexer zu gestalten. Ein längerer Ausflug von Arielle und Eric zu einem Marktplatz soll vermutlich die Anziehung zwischen den beiden plausibler machen, bleibt aber zu oberflächlich, um den Figuren oder der Beziehung Kontur zu verleihen. Tiefe wird in „Arielle“ öfters durch bloße Dauer vorgegeben als durch Treffsicherheit erreicht.

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