Coming-of-Age-Film | Finnland 2022 | 101 Minuten

Regie: Alli Haapasalo

Eine finnische Jugendliche wird auf ihrer Suche nach Intimität und Leidenschaft wiederholt verunsichert und erlebt sexuell eine Enttäuschung nach der anderen. Ihre beste Freundin bandelt derweil mit einer ehrgeizigen Eiskunstläuferin an, was deren Ambitionen ausbremst und der Beziehung des Paares eine zusätzliche Bürde auflädt. Einfach, wild und mit lebensbejahender Fröhlichkeit erzählt der Film von den Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens. Dabei geht es um Verletzlichkeit und Bindungsangst, Zwist und die Erfahrung, über sich selbst hinauszuwachsen. - Ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
TYTÖT TYTÖT TYTÖT
Produktionsland
Finnland
Produktionsjahr
2022
Produktionsfirma
Citizen Jane Prod./YLE/SES – Finnish Film Foundation
Regie
Alli Haapasalo
Buch
Ilona Ahti · Daniela Hakulinen
Kamera
Jarmo Kiuru
Schnitt
Samu Heikkilä
Darsteller
Aamu Milonoff (Mimmi) · Eleonoora Kauhanen (Rönkkö) · Linnea Leino (Emma) · Sonya Lindfors (Tarja) · Cécile Orblin (Karoliina)
Länge
101 Minuten
Kinostart
23.02.2023
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Ab 14.
Genre
Coming-of-Age-Film | Liebesfilm
Externe Links
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Heimkino

Verleih DVD
Salzgeber (16:9, 1.78:1, DD5.1 fin./dt.)
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Drei junge Finninnen schlagen sich auf der Suche nach sich selbst mit aufwühlenden Gefühlen, komplizierten Beziehungen und der Sexualität herum.

Diskussion

Mimmi (Aamu Milonoff) trägt eine gehörige Portion Wut in sich. Beim Sportunterricht gerät sie mit einer Mitschülerin nicht nur verbal aneinander. Es knallt. Später erklärt sie ihrer besten Freundin Rönkkö (Eleonoora Kauhanen), dass sie sich nicht unter sportlichen Wettbewerbsdruck setzen lässt, nur weil irgendwer einmal auf die Idee gekommen ist, ein Netz zwischen zwei Pflöcke zu spannen. Die junge Finnin wirkt tough und ziemlich selbstbestimmt, mit einem Hauch von Punk, zumindest eine Weile.

Ganz anders Rönkkö, die auf ihrer Suche nach Intimität und Leidenschaft völlig verunsichert ist: Sie fühle einfach nichts beim Sex, erzählt sie Mimmi. Deren Ratschlag lautet: Einfach mehr vögeln! Auf die Übung käme es an. Die Liebe, die komme dann schon von selbst. Außerdem sei man ja noch jung und habe das ganze Leben noch vor sich.

Es funkt ganz gehörig

Mimmi hat gut reden, schließlich hat sie auf einer Party die ehrgeizige Eiskunstläuferin Emma (Linnea Leino) kennengelernt. Es funkt ganz gehörig, und außerdem fummelt und knutscht es sich mit ihr außerordentlich gut. Doch während Rönkkö sich auf die Suche nach ihren Gefühlen beim Sex macht und von einem koitalen Trauerspiel mit unbeholfen-selbstsüchtigen Jungs ins nächste stolpert, muss auch das schmetterlingsumwehte Paar feststellen, dass die Liebe mitunter ein Sturz ist, bei dem man sich die so sicher geglaubte Identität aufschürft.

So beginnt Emma ihren sportlichen Ehrgeiz und damit ihren Lebensentwurf zu hinterfragen. Was ihr Umfeld in helle Aufregung versetzt. Immerhin hat die junge Frau große Chancen auf eine Teilnahme bei der Europameisterschaft. Die Begegnung mit Mimmi aber hat ein Fenster aufgestoßen. Die kommt damit aber überhaupt nicht klar und muss zudem lernen, ihre tiefsitzende Verletzlichkeit mit einer anderen Person zu teilen – was ihr alles andere als leichtfällt: Harte Schalen knacken nur langsam.

Hellwach & lebensdurstig

„Girls Girls Girls“ von der finnischen Regisseurin Alli Haapasalo ist ein Wunder von einem Film: hellwach, liebeshungrig und lebensdurstig. Obwohl alles daran so unendlich klein und gerade deshalb von strahlender Größe ist. Da werden keine großartigen dramaturgischen Haken geschlagen, die Emotionen nicht aus den Bildern gepresst und vor allem kein Diskurs aufgemacht, wo keiner nötig ist. Mimmis und Emmas Beziehung wird an keiner Stelle problematisiert, Homosexualität als eine Selbstverständlichkeit behandelt. Das ist der Weg, den auch andere Filme gehen müssen, statt sich in reflexiven Diskursen zu verlieren, die letzten Endes immer nur alte Vorurteile aufwärmen.

Die Energie der jungen Frauen in „Girls Girls Girls“ lässt an eine andere Heldin aus einem skandinavischen Film denken: an Julie, die sich in dem hinreißenden Beziehungsfilm „Der schlimmste Mensch der Welt“ einfach nicht festlegen will. Eben diese Julie stellt in einer fabelhaften Szene fest, dass die ganze Menschheit mit größter Selbstverständlichkeit von Potenzproblemen und der Prostata sprechen würde, während Menstruation und weibliche Ejakulation immer noch ein Tabu seien. Würden allerdings Männer menstruieren und sich jeden Monat durch diese mitunter schmerzhaften Tage schleppen, gäbe es kein anderes Thema mehr.

Mit lebensbejahendem Witz

In eben diesem Kontext muss die Alltäglichkeit von „Girls Girls Girls“ gesehen werden. Es ist die politische Beiläufigkeit der Erzählung, die den feministischen Coup ausmacht, sich gar nicht erst mit einer Rechtfertigung herumzuschlagen. Es wird einfach gezeigt, gefeiert, geheult und sich versöhnt.

Damit erinnern die drei eigensinnig-suchenden Protagonistinnen an den aufwieglerischen Charme der „Girls“-Clique aus der Serie von Lena Dunham, allerdings ohne die Neurosen, wie man sie wohl nur in New York entwickeln kann. Alli Haapasalo ist da wesentlich geerdeter. Vielleicht ergibt sich auch erst ein vollständiges Bild, wenn man „Booksmart“ von Olivia Wilde als Referenz heranzieht, weil auch dort Freundschaft, Weiblichkeit und Sex eine unaufgeregte Selbstverständlichkeit ergeben haben. Das passt auch insofern, als auch „Girls Girls Girls“ einen lebensbejahenden Witz entfaltet und man das Kino mit einem hüpfenden Herz verlässt.

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