Napoleon (2023)

Biopic | USA/Großbritannien 2023 | 159 207 (Director's Cut) Minuten

Regie: Ridley Scott

Der korsische Artillerie-Kommandant Napoleon Bonaparte steigt in den Wirren der Französischen Revolution zum Brigadegeneral auf und feiert weiterhin spektakuläre militärische Erfolge. Als er Konsul und sogar Kaiser von Frankreich wird, wendet sich sein Schicksal. Der opulente Historienfilm über Aufstieg und Fall von Napoleon dramatisiert seine Ehe mit Joséphine de Beauharnais als emotionale Achillesferse der Heldengestalt. Dem Hauptdarsteller gelingt es zwar, die Zwiespältigkeit zwischen Heroismus und kopfloser Leidenschaftlichkeit zum Ausdruck zu bringen. Doch letztlich dominiert das von Schlachtengemälden geprägte Überwältigungskino. - Ab 14.

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Filmdaten

Originaltitel: NAPOLEON
Format: Scope
Produktionsland: USA/Großbritannien
Produktionsjahr: 2023
Produktionsfirma: Apple Studios/BGI Supplies/Dune Films/Latina Pict./Scott Free Prod.
Regie: Ridley Scott
Produzenten: Mark Huffam · Ridley Scott · Kevin J. Walsh · Winston Azzopardi · Raymond Kirk · Janine Modder
Buch: David Scarpa
Kamera: Dariusz Wolski
Musik: Martin Phipps
Schnitt: Sam Restivo · Claire Simpson
Production-Design: Arthur Max
Kostümdesign: David Crossman · Janty Yates
Kinoverleih: Sony
Erstaufführung: 23.11.2023 9.1.2023 digital 29.8.2024 digital (Director's Cut)

Darsteller: Joaquin Phoenix (Napoleon Bonaparte) · Vanessa Kirby (Kaiserin Josephine) · Tahar Rahim (Paul Barras) · Ben Miles (Caulaincourt) · Rupert Everett (Arthur Wellesley, Duke of Wellington) · Ludivine Sagnier (Thérésa Cabarrus, Madame Tallien) · Matthew Needham (Lucien Bonaparte) · Youssef Kerkour (Marschall Davout) · Phil Cornwell (Charles-Henri Sanson) · Edouard Philipponnat (Zar Alexander) · Paul Rhys (Talleyrand) · Ian McNeice (Louis XVIII.) · John Hollingworth (Marschall Ney) · Catherine Walker (Marie-Antoinette) · Scott Handy (Marschall Berthier) · Mark Bonnar (Junot) · Julian Rhind-Tutt (Sieyes) · Miles Jupp (Kaiser Franz I.) · Jannis Niewöhner (Hippolyte Charles) · Sinéad Cusack (Letizia Bonaparte) · Sam Troughton (Robespierre) · Julian Wadham (Jean de Cambaceres) · Richard McCabe (Lord Whitworth) · Edward Hogg (Bürger Gilbert)
Länge: 159 207 (Director's Cut) Minuten
Kinostart: 23.11.2023
Fsk: ab 12; f
Pädagogische Empfehlung: - Ab 14.
Bewertung: (Keine Bewertung)
Fd-Nummer: 49791
Genre: Biopic | Drama | Historienfilm | Kriegsfilm
Externe Links: IMDb | TMDB

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Opulenter Historienfilm über den Werdegang von Napoleon Bonaparte von der Französischen Revolution bis zur Verbannung nach St. Helena.

Eine Filmkritik von

Thomas Klein

Diskussion

2 Kommentare

Als der Artillerie-Kommandant Napoleon Bonaparte während der Französischen Revolution sieht, wie die Köpfe rollen, ahnt er bereits, dass er erhobenen Hauptes durch diese schweren Zeiten schreiten wird. Seine korsische Herkunft steht ihm zwar im Weg, doch er hat immerhin einige militärische Erfolge vorzuweisen. Ein erster Schritt ist das Kommando bei der Wiedereinnahme von Toulon im Jahr 1793. Es ist die erste Schlacht des Films, die Napoleon als Kämpfenden mitten im Getümmel zeigt. Das Schlachtfeld ist seine Welt. Das Gesicht noch vom Blut der Gegner bespritzt, wird er zum Brigadegeneral befördert. Dem Tod war er schon öfters nahe, doch die größten Herausforderungen warten noch auf ihn. Die finden nicht nur auf den Schlachtfeldern, sondern zu Hause zwischen den vier Wänden statt.

Nach der Einnahme von Toulon sieht man Napoleon kursorisch als Feldherrn in Ägypten. Die großen Schlachtengemälde des Films sind diejenigen, die auch in den Schulbüchern stehen und von den Napoleonischen Kriegen erzählen: die Schlacht von Austerlitz, der Russlandfeldzug mit dem Einmarsch in das von der Bevölkerung verlassene Moskau sowie die Schlacht von Waterloo.

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Romain Antony | 08.12.2023

cf. auch filmblog: www.filmekommentieren.wordpress.com Was mag Ridley Scott zu diesem unnötigen Filmprojekt motiviert haben? Beschäftigt ihn die Frage, ob Geschichte durch soziale, gesellschaftliche, politische Zusammenhänge oder durch das Wirken Machtbesitzender, Machtbesessener, möglicherweise psychopathologischer Persönlichkeiten bestimmt wird? Hat sich Scott mit Napoleons Rolle im postrevolutionären Frankreich, mit dessen Vorhaben (Laizität, Code Civile Napoléon, Bildungswesen, Verwaltungsaufbau ...) beschäftigt? Beschäftigt in der Vorbereitung des Films sicherlich, aber im Film erfahren wir - bis auf den emperatorischen Größenwahn - kaum etwas über Napoleons politische Absichten. Oder hat, ganz lapidar unterstellt, die Marketingabteilung seiner Produktionsfirma ihm ins Ohr gesetzt, dass Schlachtenfilme Kinokassen klingeln lassen? Scott zeigt uns Zuschauenden den Schlachtenlenker, den Strategen: die Nachgestaltung von Kriegshandlungen sind akribisch genau, wenn auch in ihren Abläufen, verkürzt, plakativ und historisch nur grobrastig verbürgt. Jedoch bleiben sie eindrucksvoll, detailliert nachgebildet, ermöglicht durch einen enormen Finanzetat für Materialausstattung, Kavallerie, Artillerie und Komparserie. Das kann Scott. Heereskämpfe hat er bewundernswerterweise im "Gladiator" (2000) vorgeführt und im "Königreich der Himmel" (2005) wiederholt. Oder war ihm die Landschaft und Atmosphäre des bemerkenswerten Filmes "Die Duellisten" (1977), der auch im ersten Kaiserreich spielt, wiederholenswert? Oder war es der Umstand, dass die Weinberge, die Ridley Scott in der Provence gekauft hat, früher mal einem General von Napoleon gehört hatten, wie aus dem Artikel "Größenwahn" von David Steinitz in der Süddeutschen Zeitung vom 18./19.11.2023 zu erfahren ist. Doch einige Passagen später gibt Ridley Scott dort einen erhellenden Hinweis. Zitat: "Diese Diskrepanz zwischen dem gnadenlosen, genialen Feldherrn Bonaparte und dem gehörnten Ehemann - das ist der interessante Filmstoff." Er gibt der Schilderung dieser Ehe ausgiebig Raum, eine Heirat, die durch einen umfangreichen Briefwechsel gut zu analysieren ist. --> cf.: "Œuvres littéraires de Napoléon Bonaparte" Texte établi par Tancrède Martel, Albert Savine, 1888 (Tome 1, p. 376-382), sowie: https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb11447517?page=,1 und "Napoléon und Joséphine in ihren Briefen", übersetzt und erläutert von Oskar Marschall von Bieberstein ; bearbeitet von Ludwig Mosner (Bereitstellung in der Deutschen Nationalbibliothek, Frankfurt und Leipzig). Ich habe mir einige Briefe durchgelesen. Wie ein roter Faden durchzieht die Korrespondenz der gegenseitige Wunsch, den anderen, die andere glücklich zu sehen. Napoleon beteuert seine Liebe, Joséphine beklagt ihr Leid nach der Scheidung und befleißigt sich zuzusichern, dass sie ihn immer an erster Stelle in ihrem Herzen tragen wird und alles tun will, um ihm keinen Anlass für Ärgernis zu geben. Beide sind um Zufriedenheit und Wohlergehen besorgt, sich ihrer gegenseitige Zuwendung und Liebe versichernd. Napoleon gibt sich freizügig, erlaubend, unterstützend, Joséphine zeigt sich eher unterwürfig, bittend, aber auch ihr Leid durch die Trennung hervorhebend. M.E. liefert die von mir gelesene Briefauswahl Hinweise, dass Napoleon auf vermeintlich fehlende Zuwendung, Bestätigung und Enttäuschungen mit gekränkter Verletztheit reagiert, er demnach unsicher-am´bivalente Bindungserfahrungen gemacht zu haben scheint und daraufhin geneigt ist, mit strafender Abwendung und Distanzierung zu reagieren. Ich kann mir vorstellen, dass bei tiefer Kränkung, durch welche Umstände auch immer, eine rachsüchtige Bestrafungsbewegung einsetzen könnte. Das kling nun etwas weit hergeholt, als sollte damit etwas ein Psychogramm erstellt werden, das politische oder kriegstreibende Entscheidungen verstehen lässt, aber dem ist nicht so. Es wäre eine Hybris, mit Psychologie politisches Weltgeschehen erklären zu wollen. Dennoch spielt meines Erachtens belegbar, am Beispiel der beiden Paranoiker Hoxha in Albanien, der 700.000 Bunker bauen wollte und 173.371 gebaut hat, um sich gegen Feinde abzusichern und Stalin, der aus Angst vor Entmachtung impulsiv alle umbringen ließ, bei denen ihm ein Gefühl von Zweifeln beschlich, dass die Persönlichkeitsperspektive auf Machtmenschen der Geschichte erkenntnisreich sein kann. Der Film wird getragen von zwei erzählerischen Strängen, einerseits dem Kriegsverlauf von Napoleons 61 geschlagenen Schlachten, von denen wir einige kürzer (Kampf um Toulon gegen die Engländer, Aufenthalt in Ägypten), andere umfassender (Austerlitz, Russlandfeldzug, Waterloo) zu sehen bekommen, andererseits von den Beziehungsschlachten zwischen Napoleon und seiner Frau. Kanonendonner (die Überlegenheit verschaffende Waffe seiner Armee) auf der einen Seite, Demütigungen, Unterwerfung, Aufbegehren, auch beim schnellen Geschlechtsakt en levrette bleibt die Uniformjacke an, Affairen einer sexuell wohl unausgelasteten, unbefriedigten Joséphine (dabei soll er selbst, einigen Historikern nach, über 50 Geliebte gehabt haben, eine davon ist Eleonore Denuelle, mit der er sein erstes Kind zeugt, der Beweis seiner Fruchtbarkeit), Liebesschwüre, Liebesentzug, Liebesleid, Abwertungen, Vorwürfe und Scheidung wegen fehlender Schwangerschaft, alles was eine kaiserliche Ehe so ausmachen kann, nebst pompösen Crowning zum Empereur in der Notre-Dame - als Set diente die Kathedrale von Lincoln - und ein bisschen Nachtgeplänkel auf St. Helena, füllen die 158 Minuten eines nicht notwendigen, überflüssigen Films. Lässt sich ein Film als überflüssig charakterisieren? Das Waterloo von Ridley Scott? Nein, die Aussage ist der Lust am Wortspiel geschuldet. Der Film ist unterhaltsam, perfekt gemacht und dennoch obsolet und überflüssig. Über Napoleon und seine Schlachten ist bereits fast alles gefilmt. Aus meiner subjektiven Sicht auf den Scott-Film sehe ich Schlachtengetümmel, was mich wenig berührt, wohl auch weil die Angst der Soldaten, die Hunderttausende von Toten, die zigtausend Verletzten, die traumatisierten Kriegsveteranen, die über 3 Millionen Toten und Kriegsgeschädigten nur im Abspann erwähnt werden, im Film aber es sich um Napoleon, um seine Strategien, seinen Werdegang und seine maso, sado Ehe geht, die Details des Leidens über 20 Jahre Krieg in Europa mit Folgen für Bevölkerungen, Menschen, nicht reflektiert,bzw. thematisiert werden. Über Napoleons Biografie und seine Schlachtengeilheit brauchen wir keinen weiteren Film. Abel Gance 1925-27 / 1935 / 1959-60, Lupu Pick 1929 Napoleons letzten Tage, Karl Grune 1929, Clarence Brown 1938 über Napoleon und Maria Walewska dargestellt von Greta Garbo, Sacha Guitry 1938 / 1941 / 1948 / 1955, Vladimir Petrov 1943 die Niederlage Napoleons in Russland wird im Schlachtenepos ( Borodino, Berezina..) - "Koutouzov" - für die stalinistische Kriegspropaganda verwendet, so auch Veit Harlan, der mit "Kohlberg" 1945 den Widerstandwillen gegen Napoleon für nationalsozialistische Durchhalteparolen propagandisiert 1945, Leonard Buczkowski über Napoleons Liebe zu Maria Walewska 1966, Sergei Fjodorowitsch Bondartschuk 1965 / 1969, Jerzy Skolimowski 1992, Youssef Chahine 1985 Austerlitz, Jerzy Kawalerowicz 1989 Napoleon auf St. Helena, Édouard Molinaro 1992 Charles-Maurice deTalleyrand und Joseph Fouché besprechen das Schicksal Frankreichs nach Napoleons Niederlage in Waterloo beim Essen, Yves Simoneau 2002, Antoine de Caunes 2003 über die Zeit im Exil, Paolo Virzi 2006 Napoleon auf Elba, Daniel Benmayor 2010... es gab ausreichend Napoleon im Film! Auch in "Krieg und Frieden" von King Vidor 1956 als es in der Schlussphase um die Schlacht von Borodino geht, ist Napoleon mit dabei, dargestellt von Herbert Lom. Auf die vielen Napoleoninterpreten will ich nun nicht weiter eingehen, allerdings erwähnen, dass die mimikarme, emotionsreduzierte Darstellung von Joaquin Phoenix mir gut gefallen hat. Das Premier Empire ist ein dankbares Filmsujet und Napoleon taucht darin als mystifizierte Person auf (sogar in " Eine Nacht im Museum 2" von Shawn Levy 2009) und er geistert durch Woody Allens "Letzte Nacht des Boris Gruschenko" (1975) und durch Andrzej Wajdas "Pan Tadeusz" (1999). Es seien weiterhin erwähnt: "Pamela" von Pierre de Hérain (1945), "Madame Sans-Gêne", die Napoleons Uniformen wäscht mit Arletty in der Version von Roger Richebé (1941 ) und als Remake von Christian-Jaque (1961) mit Sophia Loren. Sogar John Ford hat sich 1928 in einem Kurzfilm mit Napoleon und seinem Barbier beschäftigt. Im Wiener Kongress, der sich tanzend amüsiert, erzählt Erik Charell (1932) operettenhaft von der Metternichen Restauration nach der Ära Napoleon. Eine Szene möchte ich zum Schluss noch hervorheben. In einer ihrer zahlreichen Rivalitäten beschmeißen sich beschimpfend Napoleon und Joséphine, an langen Tischenden sitzend, in Anwesenheit mit Gästen an den Tischseiten, mit Speisestückchen. Super!" Und wenige Minuten später im Film metzeln sich wieder tausende Soldaten im Auftrag von Republik und Monarchie nieder. Und der Wahnsinn zum Beginn des 19. Jahrhunderts geht im 21. weiter.

Thomas Neuhauser | 24.11.2023

Die Besprechung geht in Ordnung, bis auf zwei wesentliche Punkte: Es war keineswegs eine Vergewaltigung wegen ihrer Untreue, Josephine will ihn nicht verlieren. Und es ist eine komplizierte, widersprüchliche Beziehung zwischen zwei grossen Egos, aber doch kein „schwer zu verstehendes Band“ zwischen beiden. Den Fokus auf die Psychologie der Beziehung zu legen, ist gerade die Stärke des Films, wo er als Heldenepos schwächelt.

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Tahar Rahim (l.), Vanessa Kirby, Joaquin Phoenix