Bad Boy Bubby

Drama | Australien/Italien 1993 | 114 Minuten

Regie: Rolf de Heer

Ein Mann wird 35 Jahre von seiner mit ihm in einem inzestuösen Verhältnis zusammenlebenden Mutter "gefangengehalten". Erst als er sie und seinen zurückgekehrten Vater tötet, lernt er die "Außenwelt" kennen - als ein aus den Fugen geratenes "Endzeit"-Szenario. In stimmungsvollen Bildern erzählte Odyssee eines neuzeitlichen Kaspar Hauser, die aber allzu vulgär-philosophisch vorgetragene Antworten bereithält und auch vor Kitsch und Blasphemie nicht zurückschreckt. Durch den überzeugenden Hauptdarsteller werden allerdings viele Schwächen des Buches überdeckt.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
BAD BOY BUBBY
Produktionsland
Australien/Italien
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Bubby PTY/South Australia Film/Australian Film Finance Corp./ Fandango-South Australia
Regie
Rolf de Heer
Buch
Rolf de Heer
Kamera
Ian Jones
Musik
Graham Tardif
Schnitt
Suresh Ayyar
Darsteller
Nicholas Hope (Bubby) · Claire Benito (Bubbys Mutter) · Ralph Cotterill (Bubbys Vater) · Carmel Johnson (Angel)
Länge
114 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Drama
Externe Links
IMDb | TMDB

Diskussion
Bubby ist 35 Jahre alt. Seit seiner Geburt lebt er mit seiner Mutter in einem fensterlosen, verkommenen "Kellerloch". Sein Vater, ein Prediger, hat beide verlassen. Die Mutter verläßt die Behausung nur mit einer Gasmaske, während Bubby noch nie das Licht des Tages erblickt hat. So kriecht er, völlig abhängig von seiner Bezugsperson, hospitalisiert und geistig retardiert, auf allen Vieren durch die Wohnung, quält seine Katze, zerlegt riesengroße Kakerlaken. Jeder Ungehorsam wird von der Mutter mit Prügel oder dem Hinweis auf die Strafe Gottes, der als "aufpassendes" Kruzifix drohend an der Wand hängt, im Keime erstickt. Zuneigung zeigt sie ihm nur, indem sie ihn sexuell mißbraucht. Diese obskure Idylle wird jäh unterbrochen, als der Vater zurückkehrt und Bubbys Platz in Mamas Bett wieder einnimmt. Die Eifersucht steigert sich zu einer eher unbeabsichtigten Gewalttat: als Bubby nur mal ausprobieren will, wie es ist, wenn man nicht mehr atmet, erstickt er seine Eltern und die Katze mit einer Plastikfolie. Mit der verwesenden Katze im Koffer zieht er dann in die Welt hinaus und muß sich nun, bis auf wenige Brocken, sprachlos, im "Draußen" behaupten. Eine Heilsarmee-Schwester lehrt ihn die Liebe. Eine erfolglose Rockband nimmt ihn als "Roadie" auf und läßt ihn auch nicht fallen, als sie durch die Zeitung von seiner Vergangenheit erfährt. Er wird in der Gesellschaft als Faktotum herumgereicht, landet im Gefängnis, weil er eine Frau belästigt hat, deren große Brüste ihn an seine Mutter erinnerten. Schließlich verhilft er der Band zu Ruhm und Geld, indem er seine Sprachfetzen wie anklagend zwischen ihrer Musik ins Publikum schreit. Bubby nennt sich nun "Pop", trägt den Prediger-Kragen seines Vaters und integriert sich immer mehr in die Gesellschaft: er heiratet eine großbusige Krankenschwester, wird Vater und lebt glücklich in einem hübschen Vororthäuschen mit Garten.

Es ist eine skurrile Welt, die Rolf de Heer in "schmutzig"-braunen bis blau-grauen CinemaScope-Bildem ausbreitet. Der klaustrophobischen Innenwelt folgt eine an Endzeitstimmung erinnernde Außenwelt, in der vor allem die Kommunikation unter die Räder gekommen zu sein scheint: da laufen Menschen laut schreiend aus ihren Häusern, hasten einander verfolgend durch die Straßen; die Heilsarmee singt ihre Botschaft auf einem nächtlichen, menschenleeren Platz hinaus, und der Gefängniswärter bettelt Bubby geradezu um ein Gespräch an. Bubby, der wie ein neuzeitlicher Kaspar Hauser staunend durch diese Welt läuft und nichtverstehend das Aufgeschnappte nachplappert, trifft mit seiner unvermittelten Direktheit dann manchmal, wenn auch eher zufällig, den Kern der Dinge. So haben seine "Botschaften" an die Außenwelt etwas von seiner aus der Naivität des reinen Toren geborenen "Wahrheit", die dem Zuschauer den Spiegel vorhält. Aber der beschlägt immer dann, wenn Rolf de Heer versucht, das direkte Erfahrungsumfeld von Bubby zu verlassen und die Welt erklären will.

Der Exkurs über die Vergiftung der Umwelt ist dermaßen aufgesetzt, daß er schon unfreiwillig komisch wirkt. Und die Begegnung Bubbys mit einem Wissenschaftler, der ihm einen Vortrag über die Verantwortlichkeit des Menschen hält, der erst dann wirklich "gut" sein kann, wenn er die Existenz Gottes verneint und seine Sünden nicht mehr abschieben (und vergeben lassen) kann. Hier versteigt er sich in seiner radikalen "Forderung" ("Man muß Gott ständig beleidigen!") und der von Bubby übernommenen "Sprach-Kurzformel" ("Gott ist ein Wichser") bis an den Rand der Blasphemie. An den Rand des Kitsches bewegt er sich auch mit der "Erlöser"-Sequenz, in der Bubby in einem Heim für geistig und körperlich behinderte Kinder als einziger einen Zugang zu den Menschen findet, ja sogar ihre "Laute" versteht und übersetzen kann. Nur das intensive Spiel von Nicholas Hope bewahrt diese Szenen vor dem Abgleiten ins Peinliche, läßt sogar etwas Anrührend-Menschliches durchscheinen. Die übrigen Darsteller werden von der Regie nicht immer so straff geführt, so daß einige Figuren hart am Rande der Karikatur landen, wie Bubbys Vater, oder wie seine Mutter nicht genügend "Substanz" vom Drehbuch mitbekommen, um überzeugen zu können.

Die Wut von Rolf de Heer über eine Welt, die Kindern Liebe vorenthält und sie damit letztlich lebensunfähig macht, findet in der filmischen Umsetzung nicht immer die adäquaten Bilder und Töne, zumal die angewandten technischen Raffinessen sich dem Zuschauer nicht inhaltlich vermitteln; so hat er die "Außenwelt" des Films von 31 verschiedenen Kameramännern drehen und dem Hauptdarsteller Mikrofone und Sendegeräte in die Perücke "einbauen" lassen, um durch den dadurch entstehenden "binauralen" Ton einen neuen, realistischeren Sound zu entwickeln. Aber diese Spielereien wirken letztlich genau so aufgesetzt wie die allzu vulgär-philosophische "Belehrung", die von der Intensität der durchkomponierten und aussagekräftigen Bilder nur ablenkt und bisweilen auch verärgert. Rolf de Heer will zwar keine Antworten auf die aufgeworfenen Fragen geben, schafft es aber, durch die dogmatisch klingende Endgültigkeit mancher Aussagen einen Punkt zu setzen, der jede Diskussion im Kein erstickt.
Kommentar verfassen

Kommentieren