Bambi - Eine Lebensgeschichte aus dem Wald
Abenteuer | Frankreich 2024 | 78 Minuten
Regie: Michel Fessler
Filmdaten
- Originaltitel
- BAMBI, L'HISTOIRE D'UNE VIE DANS LES BOIS
- Produktionsland
- Frankreich
- Produktionsjahr
- 2024
- Produktionsfirma
- MC4/Gébéka Films/Kinology
- Regie
- Michel Fessler
- Buch
- Michel Fessler
- Kamera
- Daniel Meyer
- Musik
- Laurent Perez del Mar
- Schnitt
- Laurence Buchmann
- Länge
- 78 Minuten
- Kinostart
- 01.05.2025
- Fsk
- ab 0; f
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 8.
- Genre
- Abenteuer | Drama | Familienfilm | Literaturverfilmung | Naturfilm | Tierfilm
- Externe Links
- IMDb | TMDB
Allegorische Geschichte um ein Rehkitz, das sich im Wald auch ohne seine Mutter behaupten muss, erzählt mit dokumentarischen Bildern und einer Erzählerin aus dem Off.
Als Filmkritiker ist man in der Regel nicht besonders geeignet, einen dokumentarisch angehauchten Film über die Tiere des Waldes daraufhin zu bewerten, ob die Darstellungen besonders realistisch sind. Wenn es sich allerdings um einen Film mit dem Titel „Bambi – Eine Lebensgeschichte aus dem Wald“ handelt, so muss man zumindest anmerken, dass selbst bei dem Romanautor Felix Salten, auf dessen 1923 erschienenen Roman der Film zurückgeht, die männlichen Hirsche im Winter ihr Geweih abwerfen. Allerdings enthält dessen Werk auch einen Abschnitt, in dem sich zwei herbstlich gefärbte Blätter, die beiden letzten an einem kahlen Ast, über die Vergänglichkeit und das Fallen unterhalten. Realismus ist hier also womöglich nicht die richtige Kategorie.
Mit der Krähe auf dem Rücken
Beim Stichwort „Bambi“ kreist das kollektive Gedächtnis hingegen eher um die von David D. Hand inszenierte Disney-Verfilmung aus dem Jahr 1942, die Saltens Buch als Animationsfilm voller Niedlichkeit, Drama und Pathos für die Leinwand adaptierte. Wer Ähnliches in den von Michel Fessler real gefilmten Bildern zu finden hofft, wird allerdings enttäuscht. Hier gibt es keinen Klopfer und keine Blume. Außer Bambi und Faline tragen die Tiere, unter anderem Fasan, Eichhörnchen, Wildschwein und Waschbär, keine Namen. Der beste Freund des jungen Rotwilds ist eine Krähe, da sich diese am ehesten zu erstaunlichen Kunststückchen bewegen ließ, etwa einer kurzen Pause auf Bambis Rücken. Gedreht wurde in einem französischen Tierpark, der speziell für Dreharbeiten mit Tieren ausgerichtet ist und deren Bewohner:innen sich an den Kontakt mit Menschen gewöhnt haben.
Getragen wird die Geschichte vor allem durch eine Erzählerin aus dem Off, der in der deutschen Fassung Senta Berger die Stimme leiht. Aus ihrem Mund erfährt man, was die Tiere miteinander sprechen; sie fasst aber auch aktuelle Entwicklungen zusammen („Bambi wird langsam mutiger und selbstbewusster“) oder deutet sie aus („Wenn sich zwei kleine Herzen finden, beginnt ein großes Abenteuer“).
Das fällt mal trocken beschreibend, mal bürokratisch-sachlich („stark ausgeprägter Geruchssinn“) aus. Doch auch das patriarchale Pathos, das Saltens Buch heute stellenweise fast unlesbar macht, klingt an: „Das waren die Väter, Bambi,“ verrät seine Mutter dem Jungtier. „Eines Tages werden sie mit dir sprechen.“ Dass die Väter abwesend sind, scheint bei Hirschen allerdings nicht ungewöhnlich zu sein. In der Vermenschlichung werden sie zu adeligen Prinzen, Fürsten und Königen oder zu Trägern mythischer Geheimnisse, die von den Vätern an die Söhne weitergegeben werden.
Im Herbst fallen Blätter
Ist das im 21. Jahrhundert immer noch notwendig, um „Bambi“ zu erzählen? Wo von der schrittweisen Emanzipation von der Mutter und dem Aufwachsen nach dem (nicht im Bild gezeigten) gewaltsamen Tod derselben doch noch genug von der Romanvorlage übrigbleibt?
Zum Todesfall erklingt pathetische Musik, Bambi blickt in den Himmel, aus dem – es ist Herbst – Blätter fallen. Nach einem Filmschnitt schneit es. Das ist gelinde gesagt dann doch etwas platt. Dabei müsste es Regisseur Fessler wirklich besser wissen, da er als Autor bei „Die Eiche – Mein Zuhause“ mitgewirkt hat, in dem ganz ohne Off-Kommentare ausschließlich mit Kamerapositionen, Montage und Musik erzählt wurde.
Auch dort gab es pathetische Momente, aber verbunden mit zarter Ironie. In „Bambi“ hingegen wird stets frontal und ernsthaft erzählt, wenn „die spektakulären Kämpfe“ der männlichen Hirsche dahingehend ausgedeutet werden, dass sie „die Weibchen damit beeindrucken“ wollen. Überhaupt: Die Figur des Vaters! Er befreit sogar ein Kaninchen aus einer Falle, und als Bambi sich an einer rostigen Konstruktion verletzt hat, zeigt ihm der ehrwürdige Vielender, mit welchen Kräutern es seine Schmerzen lindern kann. Mit anderen Worten: Papa begleitet den Sohn durch seinen ersten Drogentrip, ohne dass dies dem Film Anlass für zumindest einen Hauch von Respektlosigkeit böte.
Der Mensch ist der Bösewicht
Immerhin erlaubt Fessler seinem faden Hirschgarn doch so viel Realismus und Wahrheit, dass der Mensch der eigentliche Bösewicht ist. Allerdings wünschte man sich, dass die Geschichte über das Thema „Treibjagd“ hinaus doch noch bei anderen Themen aus der Gegenwart ankäme. Doch nein: „Bambi – Eine Lebensgeschichte aus dem Wald“ bleibt ein ganz und gar gestriges Unterfangen.