Horror | Österreich/Deutschland 2025 | 115 Minuten

Regie: Andreas Prochaska

Eine Berliner Notärztin hat in Österreich ein Haus geerbt, dessen Besitzer sie als Kind zur Adoption freigegeben hat. Vor Ort begegnet sie einer seltsamen Frauengemeinschaft und muss mit düsteren Erinnerungsbildern und Gefühle umgehen, die in ihr Bewusstsein dringen. Bei der Suche nach Aufklärung entgleiten ihr Raum und Zeit. Gefangen in einem Albtraum, versucht sie den Kreislauf zu durchbrechen. Der morbid-makabre Horrorfilm orientiert sich an einschlägigen Filmklassikern und spielt mit den Genre-Regeln, erschafft aber eine sehr eigene Atmosphäre. Heidnische Rituale, Bodyhorror und eine blutige Schwangerschaft verbinden sich zu einem effektiven Schocker. - Ab 18.
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Filmdaten

Originaltitel
WELCOME HOME BABY
Produktionsland
Österreich/Deutschland
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Lotus-Film/Senator Film
Regie
Andreas Prochaska
Buch
Daniela Baumgärtl · Constantin Lieb
Kamera
Carmen Treichl
Schnitt
Karin Hartusch
Darsteller
Julia Franz Richter (Judith) · Reinout Scholten van Aschat (Ryan) · Gerti Drassl (Tante Paula) · Maria Hofstätter (Frau Ramsauer) · Erika Mottl (Hanna Schatzenberger)
Länge
115 Minuten
Kinostart
27.11.2025
Pädagogische Empfehlung
- Ab 18.
Genre
Horror | Mystery | Thriller
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In einem Haus in Österreich, das eine junge deutsche Ärztin von ihrem unbekannten leiblichen Vater geerbt hat, geschehen furchterregende Dinge, die mit der unheilvollen Vergangenheit der Familie zu tun haben.

Veröffentlicht am
22.08.2025 - 16:50:52
Diskussion

Blut ist dicker als Wasser, heißt es. Die junge Medizinerin Judith (Julia Franz Richter) kann das nicht bestätigen. Von ihrer leiblichen Familie als kleines Kind aus Österreich weggegeben, wuchs sie bei einer Adoptivfamilie auf. Nun versorgt sie als Notärztin in Berlin Patienten. Gleich zu Beginn des Horrorfilms von Andreas Prochaska muss sie bei einer Geburt in einem Hausflur helfen. Die Niederkunft verläuft den Umständen entsprechend gut, das Kind wird gerettet.

Dass dieses Ereignis seine Schatten voraus (aber auch zurück) wirft, weiß Judith noch nicht. Sie wünscht sich keine Kinder – aufgrund ihrer eigenen Biografie. Doch diese holt sie wieder ein. Ihr leiblicher Vater ist gestorben und hat ihr ein Haus in Österreich vererbt. Mit ihrem Mann Ryan (Reinout Scholten van Aschat) fährt Judith in das Dorf in der Provinz.

Mysteriöse Dinge gehen vor sich

Dort wird sie von ihrer vermeintlichen Tante Paula (Gerti Drassl) und deren Bekannter Frau Ramsauer (Maria Hofstätter) empfangen. Das Haus, riesig und altmodisch, ist offenbar nicht viel wert. Judith möchte es so rasch wie möglich verkaufen. Doch schon das Treffen mit der Maklerin kommt aus mysteriösen Gründen nicht zustande. Dafür wird Judith von Schreckensvisionen und Albträumen heimgesucht und verliert zwischendurch immer wieder das Gefühl für die Zeit.

Was sie als wenige Stunden empfindet, waren in Wirklichkeit Tage. Weitere unerklärliche Dinge geschehen. So wacht sie mehrmals unverhofft in einem Wald auf. Außerdem scheinen alle Bewohner des Ortes sie von früher her zu kennen. Zudem verheimlichen sie ihr Dinge, die mit dem Tod ihrer Mutter zu tun haben. Diese wollte Judith offenbar töten, als sie ein kleines Kind war, was ihre Freigabe zur Adoption erklären würde. Außerdem drängen die Dörfler Judith, die Arztpraxis ihres leiblichen Vaters zu übernehmen. Darauf lässt sie sich ein, für ein paar Wochen, wie sie denkt. Doch der Aufenthalt in dem verwunschenen Haus gestaltet sich viel länger; schließlich richtet sich das Paar darin ein. Als Judith schwanger wird und alle im Ort sich für ihr ungeborenes Baby interessieren, eskaliert die Lage.

Mit makabrem schwarzem Humor

Die Parallelen zu Roman Polanskis Horrorklassiker „Rosemary’s Baby“ werden mit dem Voranschreiten der Intrige immer offensichtlicher und sind auch gewollt. Doch das österreichische Provinz-Ambiente verleiht der Geschichte einen eigenen Charakter sowie einen morbiden Charme. Auch Versatzstücke aus anderen Horrorfilmen, die auf heidnische Opferrituale verweisen, ergänzen den Film. Blut, das von erlegtem Wild tropft, ein Wespennest, hinter dem sich ein Gesicht verbirgt, ein Schrein mit Totenköpfen und andere Schreckensbilder bis hin zum Body Horror durchziehen den Film. Sie sind nicht unfreiwillig komisch, auch wenn sich ein makabrer schwarzer Humor durch den Film zieht.

Doch es geht auch um existenzielle Fragen nach Blutsbanden, Familie, Traditionen und deren Perversion durch überkommene oder übersteigerte Interpretationen. Blut wird hier in allen seinen Bedeutungen durchdekliniert. Es bedeutet nicht nur Vererbung, etwa des Berufs des Vaters auf die Tochter, sondern auch Qualen und Schmerzen. Schlimme Ereignisse sollen in dem Ort und insbesondere in dem Haus buchstäblich totgeschwiegen werden. Das merkt man auch an den Bildern von Ryan, der Fotograf ist. Sie sind verschwommen oder „nichts geworden“, wie Laien sagen. Auf versteckten alten Fotos im Haus sind die Figuren herausgekratzt worden.

Frauen geben den Ton an

So ist Judiths Rückkehr an den Ort, mit dem sie schicksalhaft verbunden ist, nur folgerichtig. Sie kann als Leben spendende Frau eine zerstörerische Tradition fortsetzen oder einen Teufelskreis durchbrechen. Ihrem Mann kommt dabei nur eine Statistenrolle zu. Er erscheint viel manipulierbarer als Judith, der Schwerstarbeit zugemutet wird. Sie muss arbeiten, Aufklärungsarbeit leisten, gebären und sich gegen unheimliche Visionen und Kräfte wehren. Überhaupt erscheinen Frauen hier als die eigentlichen Tonangeberinnen. Männer gibt es kaum, und wenn, verfügen sie über wenig Macht.

Die Freude am makabren Spiel mit Horror, Geheimnistuerei und Verschwörung ist dem Ensemble um Maria Hofstätter und Gerti Drassl anzumerken. Regisseur Andreas Prochaska spielt auch mit Vorurteilen gegenüber österreichischer Ländlichkeit oder jüngeren Kriminalfällen wie der Josef-Fritzl-Affäre. Dabei bewegt sich der Film innerhalb der Genreregeln, bricht sie aber immer wieder auf, etwa durch eine zur Schau gestellte Frankophilie. Diese offenbart sich in einem Plakat von Jean-Pierre Melvilles „Der eiskalte Engel oder in Liedern, die zu französischen Chansons umgewandelt wurden. Dabei bringt ein Song namens „Et si tu n’existais pas“ - Wenn es dich nicht gäbe - das Thema des Films so exemplarisch wie gekonnt auf den Punkt und evoziert erneut das im Film omnipräsente Thema des Blutes.

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