Your Friends & Neighbors (2025)

Drama | USA 2025 | (10 Folgen)

Regie: Jonathan Tropper

Nach seiner Entlassung stiehlt ein bis dahin erfolgreicher Hedgefonds-Manager Geld und Preziosen aus den Häusern seiner Freunde und Nachbarinnen im äußerst wohlhabenden Westmont Village an der US-Ostküste; zudem hat er mit seiner kürzlichen Scheidung und einer On-and-off-Affäre zu tun. Zum Gentleman-Ganoven geworden, entdeckt er bei seinen Coups nolens volens viele schmutzige, auch blutige Geheimnisse seiner High-Society-Nachbarschaft, die ihm in der Folge zugleich nutzen und schaden. Die Serie präsentiert ihren (Anti-)Helden als Alphamann im freien Fall in einer Gesellschaft, deren Spielregeln im Wandel begriffen sind. Dabei unterhält die Serie als spannender, von pointierten Episoden getragender Krimistoff ebenso wie als anschaulich geschilderte soziologisch-satirische Studie über die Fliehkräfte des sozialen Miteinanders in den modernen USA und die Desintegration von Beziehungen, bis schließlich die Familie als stabilisierendes Element neu etabliert wird. Eine treffsichere Kritik aktueller gesellschaftlicher Schieflagen in den USA, die aber doch noch Anteile am amerikanischen Traum hält. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
YOUR FRIENDS & NEIGHBORS
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Apple Studios/Fortunate Jack Prod./Tropper Ink Prod.
Regie
Jonathan Tropper · Craig Gillespie · Greg Yaitanes · Stephanie Laing
Buch
Jonathan Tropper · Jennifer Yale · Josh Stoddard · Evan Endicott
Kamera
Zack Galler
Schnitt
Andy Keir · Sheri Bylander
Darsteller
Jon Hamm (Andrew Cooper) · Amanda Peet (Mel Cooper) · Olivia Munn (Samantha "Sam" Levitt) · Hoon Lee (Barney Choi) · Isabel Gravitt (Tori Cooper)
Länge
(10 Folgen)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Serie
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Eine Serie um einen Hedgefonds-Manager, der gefeuert wird und sich finanziell über Wasser hält, indem er seine äußerst wohlhabende Nachbarschaft zu beklauen beginnt.

Aktualisiert am
17.04.2025 - 14:50:23
Diskussion

Nicht nur die Revolution frisst ihre Kinder, auch der Kapitalismus in seiner raubtierhaften US-amerikanischen Ausprägung hat ungezügelten Appetit, verschlingt und verdaut Freund wie Feind und scheidet alle irgendwann ununterscheidbar wieder aus. Diese zunächst etwas generisch anmutende Systemkritik gewinnt dadurch an Glaubwürdigkeit, dass der, der sie vorbringt, lange selbst ein aktiver Treiber von Mergers & Acquisitions gewesen ist: Andrew „Coop“ Cooper (Jon Hamm), die Hauptfigur der Serie „Your Friends & Neighbors“ von Jonathan Tropper, war ein erfolgreicher und daher eher unkritisch-sorgloser Hedgefonds-Manager mit einer anspruchsvollen Exfrau (Amanda Peet als Mel) und zwei Kindern, einem rasanten Boliden italienischer Bauart, auf immer üppigeren Latifundien in der besten Gegend im Staate New York. Bis er eines Tages wegen einer leichten Schlüpfrigkeit (nichts Monströses) zu seinem aasig-heuchlerischen Chef gerufen wird: Er sei mit sofortiger Wirkung gefeuert.

Man versteht sogleich: nicht der Sache selbst wegen, sondern weil es anderweitig opportun erscheint und Cooper ja tatsächlich die Zeichen der Zeit nicht mehr recht zu deuten weiß – ein manifestes Problem für einen seiner Zunft. Die Serie ersinnt dazu glaubhafte Situationen und Motivationen für ihren Antihelden als Alphamann im freien Fall.

Beziehungsstatus: kompliziert

Sex im 21. Jahrhundert – it’s complicated: mit wem, unter welchen Umständen, wie viel – und warum überhaupt? So viele Fragen, so viele Möglichkeiten, sich misszuverstehen … Die Serie präsentiert hier wesentlich eine Welt im Wandel: Die (mittel-)alten weißen Männer gucken mindestens verdutzt, die (jungen) Frauen profitieren mehrheitlich von neuen Codes of Conduct in der Arbeitswelt, aber auch von geschickt ausgehandelten Eheverträgen. Am Ende sind sie obenauf (teilweise ganz wörtlich zu verstehen). Als wäre das alles nicht schon verzwickt genug, unterhält Coop auch noch eine reichlich turbulente On-and-off-Affäre mit einer „Freundin“ seiner Frau (Olivia Munn als Samantha). Jene wiederum hat sich allzu rasch mit einem Hünen von Sportler (Mark Tallman) getröstet, deutlich jünger, deutlich fitter, deutlich dunkler als Coop – was in der überwiegend von WASPs dominierten Country-Club-Gesellschaft zumindest für Tuscheln sorgt, halb empörtes, halb neidvoll-anerkennendes.

Wenn jedoch der Kontostand stimmt (aber so genau will man das wohl gar nicht wissen), dann ist man dort, so die Serie, mittlerweile tolerant und inklusiv. Coops guter Freund und Finanzberater Barney Choi (Hoon Lee) zum Beispiel hadert mit seinen südkoreanischen Wurzeln nur zuhause, im Angesicht seines ebenso reichen wie stets unzufriedenen Schwiegervaters – ein gelungenes Porträt eines modernen Leistungsträgers der US-Gesellschaft unter Dauerstress.

Der Gentleman-Ganove findet eine bestens vernetzte Partnerin

Andrew Cooper hingegen, immer noch sehr der Mann, nach dem alle sich umdrehen, hat derweil andere Probleme: wie weiterhin den Anschein erwecken, er gehöre legitimerweise noch dazu zur Schickeria, und wie tatsächlich seinen teuren Lebensstil dauerhaft erhalten? Einmal verirrt er sich während einer der ewigen Hauspartys in die oberen Stockwerke der Villa eines besonders reichen, besonders oberflächlichen seiner „Friends & Neighbors“. Er erblickt die nachlässig wie im Märchen ausgestreuten Preziosen, die dicken Rollen der Hundertdollarscheine – und er greift das erste Mal zu: eher beiläufig und aus einer Laune heraus, dann wiederholt und mit Plan und Absicht.

Coop wird zum Gentleman-Ganoven. Er ist gut darin, kennt er doch alle Gepflogenheiten seiner Klasse. Und natürlich entdeckt er beim Blick hinter die Kulissen viele kleine und größere schmutzige, auch blutige Details und Heimlichkeiten – amüsant für den Zuschauer, oft brenzlig für ihn, wenn ihm Mann und Hund auf den Fersen sind und er mehrmals nur um Haaresbreite der Enttarnung entgeht.

Zum Glück für ihn findet sich bald ein kompetenter „Partner in Crime“ in Gestalt der jungen Immigrantin Elena (Aimee Carrero), mit der zusammen er das „Geschäft“ professioneller aufzieht. Wieder beweist die Serie feines gesellschaftskritisches Gespür in der Skizzierung eines Netzwerks der Hausangestellten, ohne die die Upper Class nicht lebensfähig wäre, vermeidet aber allzu stereotype Zeichnungen, die nur Vorurteilen Nahrung geben könnten. All die Zimmermädchen und Poolreiniger, sie verkehren natürlich untereinander, und es entsteht ein reger Austausch auch über die Geheimnisse ihrer Herrschaft – „niemand ist ein Held in den Augen seines Kammerdieners“ …

Gute Beziehungen zum Zeitgeist

Ab hier lässt sich die Serie weiterschauen als spannungsgetriebener „Catch Me If You Can“-Stoff, hält aber auch noch weitere Bedeutungsschichten und -angebote bereit. „Your Friends & Neighbors“ ist eigentlich eine anschaulich geschilderte soziologische Studie über die Fliehkräfte des Gesellschaftlichen in den modernen USA, über die dadurch forcierte Desintegration von Beziehungen (jeglicher Art) und, wie sie selbst an einer Stelle bekundet, über „die stille Verzweiflung reicher, mittelalter Männer“ inmitten ihrer Statussymbole (man beachte all die Uhren und Gemälde!).

In einer typisch amerikanischen Wendung versucht sie, (neben den Freunden und Nachbarn) die Familie als stabilisierendes Element neu zu etablieren – ausnahmsweise halbwegs erfolgreich: Coops chaotische Schwester Ali (Lena Hall), der er in Zeiten der Not (beider!) ein prekäres Heim gewährt, ist zwar selbst ziemlich labil, erscheint aber neben all den „Desperate Housewives“ als das eine menschliche Wesen unter lauter gelifteten Lemuren.

In Machart und Tonalität ruft die Serie zudem leicht augenzwinkernd die absoluten Größen des goldenen Serienzeitalters herauf: die Auffahrten und Pools der „Sopranos“, in Türmen aus Stahl und Glas die Geschäftswelt der „Mad Men“, den zum Kriminellen mutierten Bürger aus „Breaking Bad“. Auch ihre Flashbacks zeigen, mehrheitlich nostalgisch, Coops als glücklich erinnerte Vergangenheit als Familienmensch. So gewinnt seine Rolle noch mehr an Profil, auch wenn Jon Hamm ihr (diesmal) mit seiner etwas limitierten Mimik der Entgeisterung leider ein wenig schuldig bleibt. Vieles dreht sich hier um ihn, doch auch die Figur seiner Ex Mel entwickelt sich komplexer, als es zunächst den Anschein hat.

Die Serie unterhält gute Beziehungen zum Zeitgeist: Sie ist zugleich Kritik des aktuellen US-Unwesens, hält aber noch Anteile am amerikanischen Traum; ihr fallen pointierte Episoden ein, aber eine große Erzählung gestaltet sie nicht; sie propagiert ein (mildes) „Eat the rich!“, ohne ihren Helden aber unzulässigerweise in Robin-Hood-Nähe zu rücken. Auf den weiteren Verlauf von Andrew Coopers Doppelleben darf man also mit Recht gespannt sein.

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