Drama | Ungarn 2024 | 600 Minuten (zehn Folge)

Regie: Robert Dornhelm

Im 15. Jahrhundert dringt das Osmanische Reich immer weiter nach Osteuropa vor. Ein junger Mann aus dem niederen Adel in Siebenbürgen wird in das Ringen mit den Invasoren, aber auch in die Machtkämpfe der europäischen Königshäuser untereinander verstrickt und steigt zum wichtigen Feldherrn auf. Das zehnteilige Historienepos um den ungarischen Nationalhelden János Hunyadi (1387-1456) wartet mit grandios inszenierten Schlachten, facettenreichen Charakteren und eindrucksvollen Drehorten auf. Eine vielschichtige, mit ungewöhnlichen Frauenfiguren ausbalancierte Heldensaga vor dem Hintergrund einer politisch unruhigen Zeit. Obwohl der ungarische Filmfonds als wichtigster Geldgeber fungiert, bleibt die im Original multilinguale Serie frei von nationalistischen Untertönen und bemüht sich um eine angemessen komplexe Darstellung der Zeit und ihrer Protagonisten. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
HUNYADI
Produktionsland
Ungarn
Produktionsjahr
2024
Produktionsfirma
Serendipity Point Films/Hg Media/MR Films/Twin Media
Regie
Robert Dornhelm · Orsi Nagypal · Attila Szász · Balázs Lengyel
Buch
Balázs Lengyel · George Mihalka · Balázs Lovas · Attila Veres · Zsófia Ruttkay
Kamera
Dániel Garas · György Réder · Ábris Gosztola
Schnitt
Wanda Kiss · Károly Szalai · László Hargittai · Péter Gábor Duszka · Júlia Hack
Darsteller
Kádár L. Gellért (Johann Hunyadi) · Vivien Rujder (Elisabeth Szilágyi) · Franciska Töröcsik (Mara Branković) · Balázs Csémy (Johann Vitez) · Murathan Muslu (Murad II.)
Länge
600 Minuten (zehn Folge)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Drama | Historienfilm | Serie
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Historienserie um den ungarischen Feldherrn János Hunyadi und seine Verwicklungen in innereuropäische Machtkämpfe im 15. Jahrhundert sowie den Konflikt mit dem Osmanischen Reich.

Aktualisiert am
09.06.2025 - 12:10:24
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Siebenbürgen im 15. Jahrhundert. „Ziele nicht mit deiner Hand, auch nicht mit deinen Augen“, sagt der Vater zu seinem Sohn. „Benutze das hier“, fügt er hinzu, und tippt ihm liebevoll auf die Stirn. In dieser Szene im Prolog sieht der zehnjährige Janko seinen Vater zum letzten Mal. Kurz darauf überrennen osmanische Söldner die väterliche Burg Hunyád und ermorden fast alle Bewohner. So blutig und drastisch beginnt das Heldenepos „Rise of the Raven“. Der deutsche Anbieter Magenta TV hat sich für den internationalen Titel der zehnteiligen Serie entschieden, die auf einen Spitznamen Hunyáis anspielt: der Rabe. In Österreich heißt die Serie treffender „Hunyádi – Aufstieg zur Macht“.

Ein Krieger aus dem 15. Jahrhundert

Janko ist der Spitzname von János Hunyadi (1387-1456), einer historischen Figur, um die die Serie kreist. Nach dem Prolog und dem Vorspann begegnet man ihm als stattlichem jungen Mann mit langen Haaren und breiter nackter Brust wieder, der auf einem weißen Pferd durch den Wald reitet. Mehr Männlichkeitsklischee geht kaum; die teure Großproduktion kommt dezidiert klassisch-heroisch und altmodisch daher. Der bisher unbekannte Hauptdarsteller Gellert L. Kádár schafft es im Verlauf der Serie, aus der Figur mehr als nur einen Arnold-Schwarzenegger-Verschnitt mit beachtlicher physischer Präsenz zu machen und sie zu einer durchaus komplexen Heldengestalt auszubauen.

Zunächst ist dieser Hunyádi schlicht nur verliebt, in Mara Brankovic (Franciska Töröcsik), die schöne und kluge Tochter des serbischen Despoten Durad Brankovic. Hunyádi selbst stammt aus dem niederen Adel, weshalb er eigentlich keine standesgemäße Partie ist. Deshalb hofft er darauf, dass der ungarische König Sigismund sein Fürsprecher wird, damit er Mara trotzdem heiraten kann. Doch Mara wird von ihrem Vater an den türkischen Sultan Murad II. verkauft. Jankos Hass auf die Osmanen erhält dadurch eine zusätzliche, romantische Komponente. Die Serienautoren nutzen dies zu einigen Freiheiten. Zwar ist auch Mara Brankovic eine historische Figur, die tatsächlich mit dem türkischen Sultan verheiratet wurde und eine bedeutende Frau und Politikerin war. Die Liebesgeschichte mit János Hunyadi allerdings ist frei erfunden.

Macht- und Liebeskämpfe

Die Geschichte von János Hunyádi würde auch ohne solche Ausschmückungen genügend Stoff für eine Serie bieten. Denn der Protagonist entwickelt sich vom hünenhaft-ungestümen Soldaten zum Krieger, Feldherrn und Staatsmann. Er strebt selbst nicht nach Macht, sondern will vor allem seinen Königen dienen, besteht aber darauf, in militärischen Fragen mitzusprechen.

Die ersten Folgen skizzieren zunächst seinen Werdegang. Nach Brankovics` Verrat rettet er dem ungarischen König Sigismund das Leben. Er verliebt sich in die unangepasste Erzsébet Szilagyi – auch diese Frauenfigur fußt auf einem historischen Vorbild –, heiratet sie und schickt sie auf seine Burg nach Siebenbürgen mit dem Versprechen, in wenigen Wochen nachzukommen. Doch der ungarische König Sigismund will Kaiser werden und einen neuen Kreuzzug nach Jerusalem anführen. Um sich das Wohlwollen und die finanzielle Hilfe eines reichen Mailänders zu erkaufen, der von Sigismund Soldaten verlangt, beordert der König János Hunyádi nach Mailand, wo der Frischverheiratete dann mehrere Jahre verbringt und eine neue Liaison eingeht, auch weil ihm seine italienische Geliebte die Briefe seiner Frau vorenthält.

Die Charaktere werden vielschichtig angelegt

Aus dem historischen Stoff rund um Hunyádi und die bewegte Zeit des späten 14. Jahrhunderts macht die Serie eine süffige „Game of Thrones“-Version voller politischer und privater Intrigen, mit Liebe und Hass und garniert mit diversen handfesten Schlachtszenen. Zu den Stärken der Inszenierung zählt es, die meisten Charaktere vielschichtig anzulegen, einen großen Bogen zu spannen und geschickt zwischen den einzelnen Schauplätzen in Buda, Wien, Edirne und im großen Finale in Belgrad hin und her zu wechseln.

Der osmanische Herrscher Murad II. wird von Murathan Muslu keineswegs als eindimensionaler Antagonist und „Bad Guy“ dargestellt, sondern menschlich-komplex gezeichnet. Wenn er seinen liebsten Sohn opfern soll, weil der aus der Beziehung zu einer Nebenfrau entstammt, spürt man seine Trauer; wenn er Mara Brankovic näher an sich heranlässt, fühlt man, wie schwer ihm das zunächst fällt. Die gemeinsamen Szenen von Murathan Muslu und Franciska Töröcsik gehören zu den schauspielerischen Highlights der Serie.

Keine Propaganda für das Orbán-Regime

Das zehnteilige Historienepos hat sagenhafte 56 Millionen Euro gekostet. Ein Großteil des Budgets stammt vom Nationalen Ungarischen Filmfonds, der von dem Filmemacher Kaél Csaba geleitet wird, der Victor Orbán treu ergeben ist. Es gab deshalb Befürchtungen, dass die Finanzierung durch den staatlichen Filmfonds und den Privatsender TV2, der der ungarischen Regierungspartei Fidesz nahesteht, einem geschichtsklitternden Propagandastück Vorschub leisten könnte.

Aber dann nahm unter anderem der aus Siebenbürgen stammende Österreicher Robert Dornhelm auf dem Regiestuhl Platz. Er wies die Propagandavorwürfe weit von sich, zumal es auch eine lesbische Liebesszene gibt, die in nationalistischen Kreisen in Ungarn für Empörung sorgte, sowie viele Nackt- und Sexszenen, die im Vergleich zu „Game of Thrones“ allerdings sehr viel konventioneller ausfallen. In der Originalfassung ist die Serie zudem auf Ungarisch, Türkisch, Deutsch, Italienisch, Serbisch und sogar Tschechisch und Rumänisch gedreht. Der wirkliche Garant dafür, dass „Rise of the Raven“ eher internationale Standards als den ungarischen Nationalstolz bedient, heißt jedoch Robert Lántos. Der kanadisch-ungarische Produzent bestand auf einer vielsprachigen, mit Untertiteln arbeitenden Originalfassung. Selbst MagentaTV präsentiert das Werk neben der deutschen Synchronfassung auch in der „ungarischen“, also sehr multilingualen Originalfassung.

In Ungarn brach „Hunyadi“ alle Zuschauerrekorde, erreichte ein Millionenpublikum und präsentierte das Finale Ende April 2025 in Multiplex-Kinos auf der großen Leinwand. Zensiert wurde die Ausstrahlung dennoch, nämlich um die provokanten Sexszenen. Der „Director’s Cut“ ist in Ungarn dennoch zugänglich, online bei TV2 und auch bei Netflix, wo „Rise of the Raven“ unmittelbar nach der ungarischen Fernsehausstrahlung startete.

Auch der ORF freute sich über insgesamt 2,2 Millionen Zuschauer; pro Folge waren es fast 400 000 Menschen. In Deutschland ist die historische Figur des in Ungarn als „Retter des Abendlands“ gefeierten János Hunyádi, der die Osmanen in vielen Schlachten besiegte, hingegen kaum bekannt.

Von den 10 Episoden besitzt die letzte, die um die Belagerung von Belgrad kreist, mit 82 Minuten schon Spielfilmlänge und bewegt sich auch visuell auf Kinoniveau. Bis auf wenige Ausreißer bleibt „Rise of the Raven“ weitgehend frei von Pathos und ideologischer Aufladung. Zeitgemäß ist zudem, welche Rolle die Frauenfiguren darin spielen, die sich gegen Männer behaupten und durchaus auch selbst zum Schwert greifen. Die epische Hochglanzproduktion bleibt dadurch durchgängig unterhaltsam und entwirft ein pralles Mittelalter-Panorama der bewegten politischen Landschaft im Europa des 15. Jahrhunderts, mit wechselnden Allianzen zwischen den europäischen Königshäusern und dem großen Konflikt mit dem Osmanischen Reich. Ein Werk, das zu sehr Heldenfabel ist, um wirklich woke zu sein, dafür aber nie ins Reaktionäre abgleitet. Kurzum: eine solide europäische Großproduktion, die sich sehen lassen kann.

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