Krimi | Großbritannien 2025 | 490 Minuten (9 Folgen)

Regie: Scott Frank

Ein Ermittler der Mordkommission in Edinburgh, der noch gezeichnet ist von einem traumatischen Erlebnis, wird zum Leiter einer neu gegründeten Abteilung ernannt, die „Cold Cases“ neu aufrollen soll. Was zunächst wie ein Abstellgleis wirkt, um ihn nicht wieder in den normalen Dienst zurückzuholen, entfaltet eine unerwartete Dynamik, als er durch seinen syrischen Assistenten an einen brisanten Fall gerät, bei dem es ums unaufgeklärte Verschwinden einer Staatsanwältin vor vier Jahren geht. Die Serienverfilmung eines Jussi-Adler-Olsen-Romans aus dem Jahr 2008 baut er vertrauensvoll auf die erzählerischen Stärken der Vorlage, passt sie dezent ans schottische Setting an und liefert mit nuancierten Figurenzeichnungen, einem exzellenten Gespür für Spannungsdramaturgie sowie einem suggestiven Production-Design mustergültige „Police Procedural“-Spannung. - Ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DEPARTMENT Q
Produktionsland
Großbritannien
Produktionsjahr
2025
Produktionsfirma
Flitcraft/Left Bank Pictures
Regie
Scott Frank
Buch
Stephen Greenhorn · Colette Kane
Kamera
David Ungaro
Musik
Carlos Rafael Rivera
Schnitt
Michelle Tesoro
Darsteller
Matthew Goode (DCI Carl Morck) · Chloe Pirrie (Merritt Lingard) · Kelly Macdonald (Dr. Rachel Irving) · Catriona Stirling (DC Wilson) · Alexej Manvelov (Akram Salim)
Länge
490 Minuten (9 Folgen)
Kinostart
-
Pädagogische Empfehlung
- Ab 16.
Genre
Krimi | Literaturverfilmung | Serie | Thriller
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Eine Serienverfilmung des Auftakts von Jussi Adler-Olsens Carl-Mørck-Krimireihe, die die Handlung nach Edinburgh verlegt: Eine neu gegründete Mordkommissions-Abteilung für „Cold Cases“ nimmt die Arbeit auf und spürt dem Verschwinden einer Staatsanwältin nach.

Aktualisiert am
04.06.2025 - 11:08:21
Diskussion

Das neu gegründete Department Q, das als Sonderabteilung der Mordkommission in Edinburgh „Cold Cases“ wieder aufrollen soll, besteht zunächst nur aus einem Mann, staubigen Aktenstapeln und einem schäbigen Kellerraum, der früher mal als Toilette und Dusche gedient hat. Ein Abstellgleis. Für Mordkommissionschefin Moira Jacobsen (Kate Dickie) soll es zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: einen Vorwand liefern, um mit mehr Budget ausgestattet zu werden, und als Beschäftigungstherapie für den zum Department-Q-Leiter (und zunächst einzigem Mitarbeiter) ernannten DCI Carl Morck (Matthew Goode) fungieren, den Jacobsen nach einem traumatischen Erlebnis noch nicht wieder in den normalen Dienst zurücklassen will.

Der alte Stoff entwickelt eine unerwartete Dynamik

Tatsächlich passen Morck und der Keller zusammen wie die Faust aufs Auge: Beide haben jede Menge „shite“ miterlebt. Die unerwartete Attacke eines Schützen an einem Tatort, seit der Carls Polizei-Partner James Hardy gelähmt im Krankenhaus liegt und bei der Carl selbst verletzt und ein jüngerer Streifenpolizist getötet wurde, hat äußerlich und innerlich eine Narbe hinterlassen. Das hat Morck, der schon vorher als arrogant und schwierig galt, nicht zugänglicher gemacht, die Kollegen im Revier machen um ihn, wie um den dreckigen Keller, lieber einen Bogen. Bis auf den nach Großbritannien geflüchteten Syrer Akram Salim (Alexej Manvelov): Er wittert in der neuen Abteilung seine Chance auf eine Stelle in der Mordkommission und drängt Morck seine Hilfe geradezu auf. Und sorgt dafür, dass das Department Q schnell eine unerwartete Dynamik entfaltet, als er eine Akte als erstes Ermittlungsprojekt aus dem Stapel fischt, die sich als ebenso fordernder wie faszinierender Fall entpuppt.

Eine mitreißende Dynamik entfaltet auch die Serie „Dept. Q“ selbst, und das, obwohl sie nur ein weiterer Vertreter des überstrapazierten „Police Procedural“-Genres ist und zudem die Neuauflage eines bereits als Film adaptierten Jussi-Adler-Olsen-Romans aus dem Jahr 2008. Diese Dynamik verdankt sich der Tatsache, dass Showrunner Scott Frank, bekannt durch seine herausragenden Serien „Godless“ und „Das Damengambit“, gar nicht erst versucht, seinen Stoff künstlich aufzupeppen. Stattdessen baut er vertrauensvoll auf dessen bleibende Stärken und bringt sie mit nuancierten Figurenzeichnungen, einem exzellenten Gespür für Spannungsdramaturgie sowie einem suggestiven Production-Design (verantwortet von Grant Montgomery) neu zum Strahlen. Der Kulturtransfer von Kopenhagen nach Schottland verursacht dabei dank einiger durchdachter Anpassungen keinerlei irritierende Reibungen.

Lebendig begraben

Der ungelöste Fall, an dem sich Morck, Akram und bald auch noch die zu ihnen stoßende Jungpolizistin Rose (Leah Byrne) als dritte im Bunde abarbeiten, kreist ums Verschwinden einer Staatsanwältin vor vier Jahren. Merritt Lingard (Chloe Pirrie) wurde zuletzt mit ihrem an Aphasie leidenden Bruder auf der Fähre gesehen, die das schottische Festland mit Lingards Heimatinsel verbindet, wo sie ihren Vater, einen Fischer, besuchen wollte. Ist sie durch einen Unfall oder Mord über Bord gegangen? Wurde sie entführt? Das konnte nie aufgeklärt werden. Ihr Bruder, der auf der Fähre einen Streit mit Merritt hatte, dem aber nie eine Schuld nachgewiesen werden konnte, lebt seitdem in einer psychiatrischen Einrichtung; zu einer verbalen Aussage ist er nicht fähig. Trotzdem ist er eine der ersten Anlaufstellen für Morck und sein Team, als diese die Ermittlungen aufnehmen. Und die führen bald in verschiedene Richtungen: Hat Merritts Verschwinden mit ihrer Vergangenheit auf der Insel zu tun, mit den tragischen Ereignissen, in die sie dort verstrickt war? Oder mit dem letzten Fall, den sie als Staatsanwältin (erfolglos) vor Gericht brachte?

Die Zuschauerinnen sind dabei von Anfang an eine Erkenntnis weiter als die Polizisten: Dass Merritt damals keineswegs ertrank oder ermordet wurde, erzählt eine Parallelhandlung, die (wie in Jussi Adler-Olsens Romanvorlage „Erbarmen“) alternierend mit dem Plot um die Ermittlungsarbeiten verwoben wird und, zwischen verschiedenen Zeitebenen changierend, das Schicksal des Opfers und dessen Erinnerungen ausleuchtet. Offensichtlich wurde Merritt entführt: Sie schmachtet eingesperrt in einer Druckluftkammer, wird durch Schleusen von ihren anonym bleibenden Peinigern mit Lebensmitteln versorgt und soll mit dieser verschärften Isolationshaft für etwas bestraft werden – ohne dass ihr aber klar ist, wofür.

Beinharter Nordic Noir mit belebenden Kontrasten

Es geht also gleich auf mehreren Ebenen um die sprichwörtlichen Leichen im Keller, um Schrecken und Sünden der Vergangenheit, die gesühnt werden sollen. Beinharter Nordic Noir, wie er im Buche steht. Scott Franks Inszenierung sträubt sich allerdings dagegen, das Szenario einfach nur in genretypischer Düsternis und Kälte darzubieten. Auf visueller Ebene wird die Serie geprägt vom Farbpaar Rot und Grün, einem markanten Komplementärkontrast, der die Bilder energetisch auflädt. Das Kellerbüro, in dem das Department Q seine Arbeit aufnimmt, und die Druckluftkammer, in der Merritt ihr Martyrium erlebt, mögen klaustrophobische Orte sein, wo man sich wie begraben fühlt; die Farbdramaturgie aber hält renitent ihre Energie und Lebendigkeit dagegen. Für den Erzähltonfall und die Figurenzeichnung gilt ähnliches. Die beiden zentralen Darsteller, Goode und Pirrie, verstehen es bestens, der Zerquältheit ihrer Figuren durch eine scharfkantige Widerborstigkeit und Vitalität alles Dumpf-Larmoyante zu nehmen.

Das Serienformat erlaubt es zudem, die Nebenfiguren so auszubauen, dass sich auch durch sie energetische Komplementärkontraste ergeben. Etwa zwischen Morck und einer Psychotherapeutin (höchst charmant gespielt von Kelly Macdonald), die er von Dienst wegen aufsuchen muss und die seinen Zynismus mit so entwaffnend-humorvoller Gelassenheit pariert, dass fast ein gewisses Screwball-Flair zwischen den beiden entsteht. Oder zwischen Morck und Akram, der so geschmeidig und nachgiebig erscheint wie Morck scharfkantig und stur, nichtsdestotrotz aber zur treibenden Kraft der Ermittlungen wird und vom Sidekick zum Co-Helden avanciert (mit dubioser Vergangenheit – wo hat er diese Nahkampf- und Verhörtechniken gelernt?).

Bitte mehr!

Nicht zuletzt aber schafft es Scott Frank dank seines Gespürs für Rhythmus und Spannungsbögen, aus etwas, was oft genug Seriendramaturgien ins Stolpern und Stocken bringt, einen zuverlässigen Motor zu machen: Das Einbinden von Rückblenden wird hier nicht zur Erklärbär-Bremse, sondern fügt sich so in die Erzählgegenwart, dass alles wie gut geölte Zahnräder ineinandergreift und die Handlung vorantreibt. „Dept. Q“ mag nur ein weiteres „Police Procedural“ sein – aber in so mustergültiger, clever-spannender Ausführung, dass man nur hoffen kann, dass sich Scott Frank auch noch der weiteren Carl-Mørck-Romane annimmt. Mehr Staffeln von „Dept. Q“ kann das Krimi-Einerlei gut brauchen.

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