Hundertdreizehn
Drama | Deutschland 2025 | (sechs Folgen)
Regie: Rick Ostermann
Filmdaten
- Produktionsland
- Deutschland
- Produktionsjahr
- 2025
- Produktionsfirma
- Windlight Pictures/ARD/WDR
- Regie
- Rick Ostermann
- Buch
- Arndt Stüwe
- Kamera
- Ralph Kaechele
- Musik
- Karwan Marouf
- Schnitt
- Christoph Cepok · Benjamin Kaubisch
- Darsteller
- Lia von Blarer (Anne Goldmundt) · Robert Stadlober (Jan Auschra) · Anna Schudt (Riccarda Hövemann) · Patricia Aulitzky (Caro Novak) · Armin Rohde (Richard Born)
- Länge
- (sechs Folgen)
- Kinostart
- -
- Pädagogische Empfehlung
- - Ab 16.
- Genre
- Drama | Serie
- Externe Links
- IMDb | TMDB | JustWatch
Eine Dramaserie über menschliche Schicksale, die durch ein Busunglück miteinander verbunden sind.
Es ist eine bittere Ironie, wenn in „Hundertdreizehn“ ausgerechnet ein Doppeldeckerbus mit der Aufschrift „Rosig Reisen“ umgekippt und ausgebrannt auf einer Hochstraße liegt. Auf den Wegen von A nach B denken wir für gewöhnlich nicht daran, dass die Katastrophe eintreffen könne – auch wenn rational klar ist, dass Verkehrsunfälle keine Seltenheit sind. Rund 2,5 Millionen waren es im letzten Jahr nach Angaben des Statistischen Bundesamts; die Zahl der Verkehrstoten belief sich auf 2780.
„Hundertdreizehn“ dramatisiert eine andere Statistik: Laut dem Bundesverkehrsministerium beeinflusst es die Leben von 113 Menschen, wenn eine Person im Straßenverkehr tödlich verunglückt. Doch nur für sich genommen sagt solch eine Zahl wenig über die radikale Kraft eines solchen Ereignisses; sie lässt nicht auf die Bandbreite eben jener menschlichen Schicksale blicken. Genau das versucht dagegen die Serie „Hundertdreizehn“. Im Drehbuch von Arndt Stüwe wird ein Unfall somit zu einer Art Antagonist, der das Leben der durch ihn Betroffenen aus der Spur reißt.
Eine Todesfahrt der Vielen
Es ist also jenes Busunglück von „Rosig Reisen“, das das Zentrum der Serie bildet, und die fiktiven Leben hinter der Schicksalszahl „113“. Im Krankenhaus stehen nicht nur ganze Flure, nein ganze Räume voll Hinterbliebener, die die Leichen ihrer Angehörigen identifizieren müssen. Und so geschieht es, dass Riccarda (Anna Schudt) auf Caro (Patricia Aulitzky), die andere Lebensgefährtin ihres Lebensgefährten, trifft – denn der Busfahrer (Felix Kramer) führte ein Doppelleben. Schnell vermutet die Spezialistin für Selbstmord und Attentate Anne (Lia von Blarer), die der Fall auf den Plan ruft, deshalb einen erweiterten Suizid als Ursache des Unfalls.
„Hundertdreizehn“ erzählt im Grunde anthologisch. Die beiden Familien aus dem Doppelleben des vermeintlichen Todesfahrers sowie die Ermittlungen bilden eine Rahmengeschichte und dienen so als Gerüst, an dem pro Folge immer wieder neue Einzelgeschichten aufgehangen werden. Daraus entwickelt die Serie nicht nur eine ganze Menge an Betroffenenperspektiven, sondern in der Gesamtschau durchaus eine Art Gesellschaftspanorama. Bruchstückartig erzählt wird unter anderem von psychischer Krankheit, Trauma, missbräuchlicher Beziehung und Drogenhandel.
Allzu dick aufgetragen
Oft schnellt „Hundertdreizehn“ indes dabei am Ziel vorbei. Allzu gern steigert sich die Serie in überbordende Extreme und trieft vom Pathos einer bedeutsamen Schwere, überlädt sich motivisch und bleibt verhaftet in Klischeeversätzen. So zum Beispiel eindrücklich in der Folge über den Feuerwehrmann Jesper (Max von der Groeben): Jesper soll die medizinische Ersteinschätzung am Unfallort vornehmen und ungeachtet sämtlicher Hilfeschreie nicht eingreifen, tut genau das aber trotzdem. Und ausgerechnet dabei wird er von Erinnerungen an den Geburtstag seiner Großmutter eingeholt, bei dem er nicht nur erfährt, dass er bald selbst Vater wird, sondern auch endlich seine von einem traumatischen Verlust überschattete Beziehung zu seinem eigenen Vater aufarbeiten muss. Die Folge ist dabei derart retardierend erzählt, dass innerhalb weniger Sekunden zwischen verschiedenen Erzählebenen umhergesprungen wird und Trauma-Erzählungen in Trauma-Erzählungen verschachtelt werden, wobei Motive wie Wasser/Feuer und Vater/Sohn/Bruder-Konstellationen dick auf jede Szene geschmiert werden.
In lauter Plakativität verspielt „Hundertdreizehn“ das Potenzial, subtiler zu erzählen. Flashbacks überschlagen sich zum beliebig werdenden Traumata-Mischmasch, das droht, erzählerischer Selbstzweck zu werden – so als erschöpfe sich Bedeutung und emotive Wirkmacht im Katastrophalen. Wenn das Haus von Riccardas Familie bis in die Nacht von Reportern belagert wird, Sätze fallen wie „Ich sagʼ Ihnen was wirklich passiert ist: Der Vater meiner Tochter ist tot, das ist passiert“ oder die Einzelgeschichten zu stereotypen Handlungsmustern erstarren, dann erliegt die Serie unter platter Klischeehaftigkeit.
Die Unausweichlichkeit des Schicksals
In anderen Folgen findet das erzählerische Vorhaben aber stimmiger zu sich. Sofia (Antonia Moretti) sollte eigentlich ihre Hochzeitsfeier genießen, findet sich aber im „Rosig Reisen“-Bus wieder. Warum, das weiß sie erst selbst nicht, denn als Folge des Unfalls verliert sie all ihre Erinnerungen. Es ist also ein totaler Selbstverlust, der die Notwendigkeit (vielleicht Chance?) totaler Neuorientierung birgt. Die Suche nach den Geschehnissen der Nacht wird gekoppelt mit der Rekonstruktion des Unfallhergangs, bei der der Regisseur Rick Ostermann mit Erwartungshaltungen und Handlungsmustern zu spielen beginnt. Durch die anthologische Erzählanlage ergeben sich dabei Wiederholungen kleiner Details, die vorher zwar schon gesehen wurden, aber erst durch neue Figurenperspektiven größere Relevanz in der Rekonstruktion des Falls erlangen.
In der Folge über die Architektin Clara (Friederike Becht) geht es um das Leben nach dem Unfall und die Unausweichlichkeit einer vermeintlichen Schuld des Überlebens, denn unter dem Schock des Unfalls hat Clara einen anderen Fahrgast in den lodernden Flammen zurückgelassen. Und so, wie jede Folge am Ende offenbleibt, bleibt es für die Figuren eine Unmöglichkeit, Abschluss mit dem Unfall, ihrer Schuld und ihren eigenen Schicksalen zu finden.