Die letzte Verführung

Krimi | USA 1993 | 106 (Schnittf. 103) Minuten

Regie: John Dahl

Eine Frau aus New York geht mit dem Geld, das ihr Mann, ein Medizinstudent, aus einem großen Drogendeal mitgebracht hat, auf und davon und taucht in einem Provinznest unter. Um von ihrem Mann loszukommen und das Geld behalten zu können, spannt sie einen Einheimischen für ihre mörderischen Pläne ein. Ein klug erdachter Kriminalfilm, der Motive des "film noir" wiederbelebt und sehr eigenständig variiert. Kühles Kalkül, gelegentlicher spröder Witz und in der Konstruktion angelegter Suspense ersetzen äußere Spannungs- und Gewaltmomente.
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Filmdaten

Originaltitel
THE LAST SEDUCTION
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
ITC Entertainment
Regie
John Dahl
Buch
Steve Barancik
Kamera
Jeff Jur
Musik
Joseph Vitarelli
Schnitt
Eric Beason
Darsteller
Linda Fiorentino (Bridget Gregory) · Peter Berg (Mike Swale) · J.T. Walsh (Frank Griffith) · Bill Nunn (Harlan) · Bill Pullman (Clay Gregory)
Länge
106 (Schnittf. 103) Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 16; f
Genre
Krimi
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Diskussion
Mit seinen ersten Filmen, "Kill me again" (fd 28 365) und "Red Rock West" (fd 30 297), hat John Dahl eine Nische für sich gefunden: er erzählt kleine, schmutzige, amoralische Geschichten vom Verbrechen, die sehr bewußt in der Tradition des "film noir" stehen, dabei aber keine Reminiszenzen in Schwarzweiß wecken wollen, sondern mitten im heutigen, neonbunten Amerika spielen.

Neonbunt wie die Reklame, die über der Bar leuchtet, in der Mike sein Bier trinkt. Mike war schon einmal weg aus Besten, dem Nest im Staat New York. Aber mit der Ehe und der Arbeit in Boston hat es nicht geklappt. Jetzt ist er wieder zurück und droht im Provinzmief zu ersticken. Was er in seinem Leben vermißt, ist Klasse. Die Frau, die an diesem Abend an die Theke stolziert kommt, hat Klasse. Das sieht der Versicherungsagent auf den ersten Blick. Was er nicht sieht - für ihn hat die schöne Unbekannte entschieden zuviel Klasse. Bridget ist gerade mit dem Geld auf und davon gegangen, das ihr Mann, ein Medizinstudent, bei einem Drogendeal herausgeschlagen hatte. Nach New York kann sie nun nicht mehr zurück. Also taucht sie in Beston unter, um zu überlegen, wie sie gleichzeitig ihren Mann loswerden und das Geld behalten kann. Mike ist zunächst nur ein kleines Abenteuer, um den Triumph zu feiern. Nach der ersten Nacht läßt sie ihn auflaufen, dann besinnt sie sich eines Besseren. Der junge Mann, blind vor Lust und Liebe, könnte sich ganz gut als Werkzeug in ihren Machenschaften machen. Und während Clay Privatdetektive auf sie ansetzt, gaukelt Bridget dem Liebhaber vor, sie habe schon einmal einen Mord begangen - an einem betrügerischen Mann, der betrogenen Frau zuliebe. Wenn Mike sich nun auf eine weitere solche Mordtat einließe - gewissermaßen moralisch gerechtfertigt -, würde er damit ihre Liebe besiegeln. Das auserkorene Opfer sitzt in New York ...

Allmählich werden Konstanten in John Dahls Filmen sichtbar. Wieder ist es eine Frau, die die Fäden spinnt - ebenso intelligent wie erotisch, berechnend auch in ihrer Leidenschaft, absolut autark und unter der harten, glatten Oberfläche, so ist zu vermuten, etwas einsam und verletzlich. Wieder zappeln die Männer fast unvermeidlich in ihrem Netz, egal, wie sie sich anstellen und aus welchem Holz sie geschnitzt sind. Sie zahlen den Preis - für ihre Überheblichkeit, für ihre Dummheit, auch für ihre Ehrlichkeit, für die Schwäche, im falschen Moment Gefühle zu zeigen. Wieder entwirft Dahl ein kleines, eng umgrenztes Szenario, eine überschaubare Figurenkonstellation, die fast wie eine Versuchsanordnung anmutet: Was wird A tun, damit B das tut, was A will? Daraus beziehen seine Filme ihre Spannung - nicht das "Ob" ist entscheidend, sondern das "Wie" - und allenfalls aus kleinen Unwägbarkeiten. Auch Mike zeigt sich dem, worauf Bridget ihn programmiert hatte, nicht ganz gewachsen. Das stiftet ein bißchen Verwirrung, und Bridget muß einen letzten Trumpf ausspielen.

"Die letzte Verführung" ist wie die Vorgänger mehr ein intellektuelles Spiel, vielleicht zu kühl für Zuschauer, die knisternde Krimispannung erwarten. Dahl kommt fast ohne explizite Gewalt aus - Ausnahme: wie Bridget den ersten Privatdetektiv los wird -, dafür läßt er etwas spröden Witz in die Geschichte einfließen - etwa wie Bridget den zweiten Privatdetektiv gleich zweimal ausmanövriert.

Natürlich weckt "Die letzte Verführung" Erinnerungen - an Billy Wilders "Double Indemnity", überhaupt an die Geschichten von James M. Cain, auch an die unmoralischen Mikrokosmen eines Jim Thompson, an Stephen Frears' Thompson-Adaption "Grifters" (fd 28 837). Das einzige, was bei John Dahl zählt, ist Geld, das einzige, was Erfolg hat, ist Berechnung; wer Gefühle zeigt, steht auf verlorenem Posten. Nur fehlt seiner Welt das Trostlose, das Verlorene. Seine "Frau ohne Gewissen" (überzeugend glatt, emotionslos und undurchsichtig von Linda Fiorentino verkörpert) vermag es, die Sympathien auf ihre Seite zu ziehen. Eine Frau, die die Männer zu Narren macht und ihnen einen Spiegel vorhält, in den sie nicht sehr gerne schauen werden.
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