Komödie | Österreich 1993 | 90 Minuten

Regie: Paul Harather

Zwei extrem verschiedene, für das österreichische Gast- und Hotelgewerbe zuständige Inspektoren müssen sich während einer Dienstreise durch die Provinz zusammenraufen, wobei sich eine unerwartete Freundschaft entwickelt. Als einer erfährt, daß er sehr bald an Krebs sterben wird, muß sich ihre Zuneigung auch angesichts des nahen Todes bewähren. Eine auf einem kabarettistischen Theaterprogramm basierende Komödie, die von hinreißend komischen Dialog-Attacken geprägt ist, aber auch den Umschwung zum ernst-melancholischen Melodram mit Fabulierfreude, bissigem Witz, präziser Beobachtungsgabe und vor allem einer lebensbejahenden Heiterkeit meistert. (Kinotipp der katholischen Filmkritik) - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
INDIEN
Produktionsland
Österreich
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
DOR FILM/Österreichisches Filminstitut/ORF
Regie
Paul Harather
Buch
Paul Harather · Josef Hader
Kamera
Hans Selikovsky
Musik
Ulrich Sinn
Schnitt
Andreas Kopriva
Darsteller
Alfred Dorfer (Kurt Fellner) · Josef Hader (Heinzi Bösel) · Maria Hofstätter (Kirchnerwirtin) · Roger Murbach (Kirchbergwirt) · Proschat Madani (Krankenschwester)
Länge
90 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Literaturverfilmung
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Heimkino

Verleih DVD
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Diskussion
"Das wird ja eine angenehme Dienstreise", meint Kurt Fellner voller Zweckoptimismus, als er die ersten Eindrücke mit seinem neuen Arbeitskollegen Heinzi Bösel verdaut hat. Gerade erst haben sich die beiden für das österreichische Gast- und Hotelgewerbe zuständigen Inspektoren kennengelernt, um in Bösels klapprigem Wagen zu einer Überprüfungsreise in die Provinz aufzubrechen. Doch bei so unterschiedlichen Charakteren sind die Konflikte schon vorgezeichnet: Fellner ist ein penibler Jung-Beamter, korrekt gekleidet im feinen Anzug, nach Erfolg strebend und zugleich zeitgeistlichen Trends von gesunder Eßkultur und fernöstlichem Denken anhängend; Bösel ist dagegen ein eher dumpfer Mensch, ein ungebildeter, grantiger Nörgler aus kleinbürgerlichem Milieu, der auf sein Äußeres keinen Wert legt, viel raucht, trinkt und nur von Wiener Schnitzeln zu leben scheint. Intuitiv schon haben Fellner und Bösel einen Groll aufeinander. Sie liefern sich nicht nur verbale Gefechte, sondern freuen sich hämisch über die Niederlagen des anderen, demonstrieren die eigene Lebenseinstellung als die einzig richtige. Doch gegen alle Naturgesetze, durch kleine Ereignisse in der ihnen beruflich auferzwungenen Nähe passiert das Unmögliche: das Abenteuer einer unmöglichen Freundschaft zweier Männer. Alsbald gebärden sie sich gar als "Provinz-Herrscher", die auf den zu kontrollierenden Gasthöfen ihre Macht demonstrieren und so für wenige Tage den Traum von einem anderen Dasein gnadenlos ausspielen.

Bis dahin ist der Film eine äußerst komische Beziehungskomödie mit ein bißchen Road-Movie-Flair und den vielen vertrauten Granteleien eines Buddy-Movies. Besonderen Reiz erhält die Geschichte durch die mit funkelnder Präzision ausgespielten Dialoge, die pointierten Wortgefechte von Fellner und Bösel, die zunehmend in dem Sinne unter die Gürtellinie zielen, daß sie immer verletzender. ordinärer und böser werden, bis sie wunderbarerweise an einem "point of no return" die Basis für eine unerwartete Nähe, ja geradezu Zärtlichkeit zwischen den beiden verschiedenen Charakteren werden. Das sind dann kammerspielartige Sequenzen, ganz getragen von den beiden Darstellern, die als Autoren der kabarettistischen Theatervorlage virtuos aufeinander eingespielt sind. Immer wieder aber werden diese dialogbetonten Szenen geschickt filmisch "belebt" durch die Beschreibung einer miefigen Provinzatmosphäre, eine triste Landschaft, flach und konturlos (wenn man einmal von den seltsamen Ungetümen an Fördertürmen absieht, die diese Landschaft verschandeln), spießige Landgasthöfe, die nahezu beklemmend authentisch eingefangen sind. Aber damit ist dieser Film einer ungewöhnlichen Freundschaft noch nicht zu Ende. Im Gegenteil: eigentlich fängt er erst jetzt an.

Am intensivsten Punkt ihrer Freundschaft erwarten Bösel und Fellner vom Auto aus einen Sonnenaufgang. Fellner steckt den Freund angesichts dieses selten erlebten Momentes an und animiert ihn, mitzutanzen zur indischen Musik aus dem Cassetten-Recorder, die Fellner so gerne hört. Ausgelassen verrenken sie ihre Glieder, Bösel schüttelt sich eher vor Lachen und registriert gar nicht so richtig, daß Fellner mit einem unerwarteten Schmerz in die Knie gegangen ist. Was nach einem Schnitt folgt, sind Krankenhausaufenthalt, Untersuchungen, die Ungewißheit des Krankheitsbefundes, das kumpelhafte Überspielen und Verdrängen der unerwarteten Situation. Bezeichnenderweise erfährt zuerst Bösel durch einen Zufall den Befund: Fellner leidet unheilbar an Krebs, er hat nur noch zwei Wochen zu leben. Das ist eine geradezu unerhörte Wendung, ein rigoroser Bruch, weg von der eher unverbindlichen Komödienform, die vornehmlich das Äußerliche der Protagonisten zum Anlaß zur Satire genommen hat, hin zum Existenz-Melodram, in dem es urplötzlich keine Rolle mehr spielt, ob ein Schnitzel aus Kalb- oder Schweinefleisch bestehen muß, ob ein Orangensaft gesünder als ein Bier ist, ob der Nadelstreifenanzug einen zum besseren Menschen macht. Bemerkenswerterweise hält die Geschichte diesem Wendepunkt stand: Indem sich die Freundschaft nun auch angesichts des nahen Todes bewähren muß, bekommt sie unerwartet erst wirklich Sinn. Ohne an Fabulierfreude, ja auch an Heiterkeit einzubüßen, meistert der Film auch diese ernste Seite seines Themas, zugleich empfindsam und präzise in seinen Beobachtungen: der Suche der beiden Männer nach (Selbst-)Beherrschung, ihre zeitweise Fassungslosigkeit, ihre Fragen nach dem Sinn des nahenden Todes, ihr urplötzliches Zurechtrücken von übersehenen Werten, die ein Leben wirklich erst lebenswert machen. Was Bösel letztlich bleibt, sind die Erfahrungen einer verspäteten Initiationsreise, die ihn zu sich und zu wahren "Dingen des Lebens" geführt haben - und auch zu der "verrückten" Hoffnung auf Unsterblichkeit, Wiedergeburt, Seelenwanderung: Als er erschüttert nach Fellners Tod auf einer Bank im Krankenhauspark sitzt, bietet ihm ein Inder eine Banane an. Aus dessen Radio erklingt genau jene indische Musik, die Fellner immer gehört hat, und plötzlich meint Bösel, einen guten Freund wiederzusehen.
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