Die Mediocren

- | Deutschland 1994 | 84 Minuten

Regie: Matthias Glasner

Die Liebesbeziehungen und Lebenskrisen zweier Männer und zweier Frauen zwischen 20 und 30, die vorgeben, an der Mittelmäßigkeit des Lebens zu leiden, damit aber nur ihre eigene Perspektivlosigkeit und innere Leere überdecken. Eine inszenatorisch überraschend kurzweilige, betont ausgeflippt-fröhliche "Zeitgeist"-Komödie mit einigen ironischen Spitzen, die sich aber weitgehend eines Kommentars enthält. Sie beschreibt die Personen sowohl in ihrer Lebendigkeit als auch in ihrer Unfähigkeit, einen Sinn in ihrem Dasein zu finden. Dadurch wird der Film zwischen den Zeilen zum ebenso amüsanten wie alarmierenden Seismografen für seelische Erschütterungen und Defizite.
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Filmdaten

Produktionsland
Deutschland
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
JACK Filmprod./NDR
Regie
Matthias Glasner
Buch
Matthias Glasner
Kamera
Sonja Rom
Musik
Oliver Probst
Schnitt
Miles Fender · Marcel Peragine
Darsteller
Jürgen Vogel (Leo) · Jasmin Tabatabai (Robin) · Dani Levy (Jost) · Andreja Schneider (Anna) · Benjamin Barge (Bob)
Länge
84 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; nf
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Diskussion
Leo, Robin, Jost und Anna, zwei Männer und zwei Frauen zwischen 20 und 30, leiden schrecklich an der Mittelmäßigkeit des Lebens. Manchmal dämmert ihnen für einen Moment, daß gar nicht das Leben langweilig ist, sondern sie selbst langweilig sind. Dann empfinden sie sich ernüchtert als mittelmäßig, was aber lateinisch formuliert schon wieder viel sympathischer klingt, klüger, reflektierter, irgendwie sogar wie ein Programm, das man doch eigentlich gar nicht hat, ist doch für sie die elegante Floskel, die Verpackung, der schöne Schein entscheidendes Indiz dafür, daß man lebt und das auch noch Sinn macht. Und so "labern" sich die vier "Mediocren" gegenseitig voll, verweigern sich und den anderen dabei aber jede Art von Nähe, wirklicher Intimität und aufrichtiger Gefühlsregung. Wer heute zwischen 20 und 30 und nicht unzufrieden ist, so formuliert es Robin einmal, der ist entweder berühmt oder geistig minderbemittelt. Ihre Freundin Anna erzieht ihren sechsjährigen Sohn allein, registriert aber weder dessen Sprachlosigkeit noch seine stillen Proteste: daß sie ihn ignoriert, hält sie für eine Form von antiautoritärer Erziehung: Hauptsache. das Kind würde nicht zufrieden und satt, doziert sie und will dem Jungen gleichzeitig die Verklemmtheit der bürgerlichen Erziehung ersparen. Alles dreht sich für die "Mediocren" um Liebe, die sie aber weder empfinden noch geben können. Robin: "Meine Liebe ist unabhängig davon, ob sie erwidert wird oder nicht." Mit Aggression schützt sie sich gegen Nähe und Liebe, während Anna klarstellt: "Ich brauche jetzt keinen Liebesbeweis, sondern einen Orgasmus." Beziehungen gehen die Vier zwar ein, halten sie aber zugleich für absurd. Überhaupt: Negatives Denken wird zum kategorischen Imperativ erhoben und mit Souveränität verwechselt.

Die "Mediocren" klopfen Sprüche und Lebensweisheiten, die einem manchmal den Atem stocken lassen. Nur ab und zu bricht hinter ihrer aalglatten Fassade so etwas wie Unruhe oder gar Erschrecken über die eigene Befindlichkeit auf, etwa wenn Anna weint: "Monster, wir sind alle Monster." Das zwischen Larmoyanz und permanentem Zwang zum Selbstschutz pendelnde Gerede der vier jungen Menschen bestimmt das aktionsarme Geschehen und bedarf auch kaum einer komplexeren äußeren Handlung. Es geht um Liebesbeziehungen - Jost, Annas Bruder, beginnt eine zunächst heimliche Beziehung zu Robin, Robins bisheriger Geliebter wechselt zu Anna - und schließlich um einen Verdacht, der eine Vertrauenskrise unter den Vieren auslöst: Leo könnte aus dem Osten Deutschlands kommen, dort hat er jedenfalls ein heruntergekommenes Häuschen, das seiner verstorbenen Tante gehört haben könnte.

Die Vier fahren dorthin und geraten damit auch im übertragenen Sinn über die Grenzen des ihnen gegebenen Aktionsradius hinaus. Ihre Vorurteile gegen die "Ossis" sind dabei ebenso heftig wie entlarvend: Sprechblasen, deren vorgeblicher Rassismus nur die Leere der eigenen Argumente verdeckt.

All das präsentiert sich in Form einer "Neo-Romantic-Fastfood-Comedy" in CinemaScope als ein betont ausgeflippt-fröhlicher Film, der "ausschließlich in Küchen, Betten, Autos und am Telefon" spielt. Die anekdotische Reihung der Szenen wird durch Inserts strukturiert, die wie Kapitelüberschriften das jeweils Folgende ironisch gebrochen ankündigen. Ansonsten enthält sich Matthias Glasner aber einer überdeutlichen Kommentierung seiner "Mediocren" und überläßt es dem Zuschauer, eine Haltung zu ihnen und ihrer Art von Leben einzunehmen. Beim aufmerksamen Betrachten stellt sich dann ein emotionales Wechselbad ein: die vier Protagonisten nerven wie Zahnschmerzen, sie machen aggressiv, und man empört sich über sie, allmählich aber entwickelt man auch so etwas wie Mitleid mit ihnen, da sie zwischen den Zeilen sehr subtil als fremdbestimmte Produkte ihrer Umwelt kenntlich gemacht werden. Glaser diskreditiert sie deshalb nicht, arbeitet ihre Lebendigkeit ebenso deutlich heraus wie ihre Unfähigkeit, einen Sinn in ihrem Dasein zu finden. Selbst mancher Leerlauf des Films erweist sich dabei als Programm, die inszenatorische Kurzweiligkeit offenbart ihre Tiefen und Fallstricke eigentlich erst in der Rückschau. Dann aber erweist sich der Film als ein ebenso amüsanter wie alarmierender Seismograf, der durchaus klug (seelische) Erschütterungen der "Mediocren" registriert - auch wenn er vielleicht zu wenig über deren Richtung, Dauer und Auswirkungen aussagt.
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