Rendezvous in Paris (1995)

Komödie | Frankreich 1995 | 100 Minuten

Regie: Eric Rohmer

Liebe, Lügen, Seitensprünge, die Suche nach einem beständigen Partner, das sind die großen Themen in Rohmers dreiteiligem Episodenfilm. Wie immer in seinen Filmen setzt der Zufall die Handlungen in Gang und liefert die jungen Protagonisten einer nüchternen, aber feinfühligen Versuchsanordnung aus. Ein kluger Film mit einfühlsamen Dialogen, der die Stadt Paris sehr reizvoll als "Darsteller" in die Handlung einbezieht. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
LES RENDEZ-VOUS DE PARIS
Produktionsland
Frankreich
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Les Films du Losange
Regie
Eric Rohmer
Buch
Eric Rohmer
Kamera
Diane Baratier
Schnitt
Mary Stephen
Darsteller
Clara Bellar (Esther) · Antoine Basler (Horace) · Aurore Rauscher (Sie) · Serge Renko (Er) · Michael Kraft (der Maler)
Länge
100 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie | Liebesfilm

Diskussion
Wenn es etwas gibt, woran Eric Rohmer felsenfest glaubt, dann dürfte das der Zufall sein. Zufällige Begegnungen setzen bei ihm die Handlung in Gang, zufällig aufgeschnappte Worte ändern Lebenspläne, zufällig ausgetauschte Blicke lösen Beziehungskarussells aus. Dies geschieht beiläufig, getragen von einer gewissen Heiterkeit, die auch die unglücklichsten Entwicklungen noch in einem milden Licht erscheinen läßt und die die tiefe Sympathie des 75jährigen Regisseurs für seine Personen zum Ausdruck bringt.

Trotz des Prinzips "Zufall" sind Rohmers Filme auch immer wieder klar strukturierte Versuchsanordnungen, die seinen meist jungen Darstellern kaum Gelegenheit zum Entrinnen bieten. Im Fall von "Rendezvous in Paris", eines dreiteiligen Episodenfilms, den der Pariser Regisseur zwischen seinen "Jahreszeiten-Zyklus" - anscheinend zur Entspannung -eingeschoben hat, kommt noch hinzu, daß diese Filme im Untertitel durchaus als "Anleitungen zum Unglücklichsein" angekündigt sein könnten. Wie immer bei Rohmer geht es um Liebe bzw. wie diese zerbricht oder erst gar nicht zustande kommen kann, und wie immer bei Rohmer tragen die Protagonisten alles Menschenmögliche dazu bei, daß gerade diese Entwicklung eintritt. Nur, sie sind nicht über die Maßen unglücklich, leiden nicht über Gebühr, sie sind eher verdutzt, daß gerade sie sich in dieser konkreten Situation so verhalten haben, reagieren konsterniert, sind jedoch nicht am Boden zerstört.

"Rendezvous um 7": Esther und Horace sind ein Paar. Verliebte junge Studenten, die wegen des Lehrstoffes häufig nicht Zeit füreinander haben. So scheint es zumindest. Das Gerücht, Horace treffe sich mit einer anderen Frau, stürzt Esther in eine mittelschwere Krise, beschwichtigende Worte der Freundin mildern, zerstreuen jedoch nicht die Zweifel an der Treue des Geliebten. Auf dem Markt erregt Esther die Aufmerksamkeit eines attraktiven jungen Mannes, nach einigem Zögern verabredet sie sich mit ihm in der Bar "Dame Tartine" am Centre Pompidou. Nicht ohne Hintergedanken: es ist eben jene Bar, in der man Horace mit der anderen gesehen haben will. Doch der kleine Flirt zwischen den Gemüseständen scheint nur ein perfider Trick gewesen zu sein: Esthers Geldbörse ist verschwunden, der Fremde war wohl ein Taschendieb. Doch der Zufall hilft weiter. Aricie, eine unbekannte junge Frau, liefert das gefundene Portemonnaie bei Esther ab, die beiden Frauen kommen ins Reden, und da beide um Sieben eine Verabredung im "Dame Tartine" haben, gehen sie gemeinsam zu ihren Treffen. Esther fällt aus allen Wolken, als sich herausstellt, daß Aricie ein Rendezvous mit Horace hat. Sie spielt zunächst die Unbeteiligte, genießt sogar die Nöte, m denen sich Horace befindet, dann verläßt sie ihn. Auch Aricie geht ihrer Wege. Am Ende taucht noch der "Taschendieb" auf, der vielleicht doch "nur" ein Herz stehlen wollte.

"Die Bänke von Paris": Eine junge Frau und ein junger Mann wollen ein Paar werden, sie streiten durch Paris. Da sie noch gebunden ist, meidet sie ihr Quartier, gleichzeitig genießt sie jedoch auch, vielleicht von ihrem Geliebten entdeckt zu werden. Damit wäre immerhin auch ihr Problem gelöst, sich selbst trennen zu müssen. Im Laufe des Jahres spielt sie eine klassische Hängepartie, während ihr Möchtegern-Geliebter, der Vertraute zahlloser Spaziergänge, nach und nach Terrain gewinnt, sie jedoch nie für mehr als flüchtige Küsse gewinnen kann. Plötzlich ergreift sie die Initiative. Als ihr Geliebter für ein Wochenende zu verreisen gedenkt, schlägt sie dem Freund eine Nacht im Hotel vor. Man will Paris, immerhin die Stadt der Liebe, wie Touristen erleben, gleichzeitig sich selbst erforschen. Danach wäre alles anders, eine neue Liebe hätte den Platz der alten eingenommen. Doch als man das ausgesuchte Hotel aufsuchen will, betritt es der Geliebte der Frau -ebenfalls auf einen Seitensprung (mit Folgen?) aus. Das einstige Paar hat zur selben Zeit den gleichen Entschluß gefaßt: Paris mit den Augen von Fremden zu sehen, dieses spezielle Hotel aufzusuchen - das waren langgehegte Pläne, die jedoch von ihnen nie in die Tat ungesetzt wurden.

"Mutter und Kind, 1907": Ein Maler und eine junge Schwedin werden nie ein Paar werden. Er soll sie durch die Stadt führen, doch kurz vor dem Betreten des Picasso-Museums macht er einen Rückzieher, schützt Arbeit vor und verabredet sich mit ihr für den Abend. Auf dem Heimweg begegnet er einer jungen Frau, in die er sich Hals über Kopf zu verlieben glaubt. Er folgt ihr und landet schließlich doch ihm Picasso-Museum, um die Aufmerksamkeit der Unbekannten zu erringen. Das Vorhaben gelingt, doch die junge Frau ist glücklich verheiratet, nur zwei Stunden bleiben den beiden, um sich über Kunst, das Leben und die Liebe auszutauschen. Der Maler erhält den Rat. sich besser an die Schwedin zu halten, dann entschwindet die Frau für immer. Am Abend sucht der Mann den verabredeten Treffpunkt auf. doch ist er es, der sitzengelassen wird.

Drei kurze Filme über die Liebe, konstruiert wie eigenwillige Reigen, bei denen sich Personen auch dann umkreisen, wenn sie nie gemeinsam im Bild auftauchen. Zugleich sind sie eine kluge Reflexion über Macht und Ohnmacht der Lüge, die im Kampf der Geschlechter schon einmal als Machtmittel herhalten muß. Rohmer zeigt aber auch, daß das Geschick des Lügners nur bis zu einem gewissen Punkt die Regeln diktiert, irgendwann wird die Lüge unkontrollierbar, richtet sich gegen den Lügner, dann kommt der Zufall zu seinem Recht. Strategien gegen den Zufall entwickeln zu wollen, ist eben unmöglich: sie halten vom eigentlichen Ziel ab. da sie die meisten Energien binden.

"Rendezvous in Paris" ist aber auch ein Film über die Stadt selbst, eine Liebeserklärung an ihren Charme und ihr Flair. Mit leichtem filmischen Gepäck hat Rohmer ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht, in Straßen und Parks, in Cafés und auf Plätzen, im Museum. Dabei verzichtet der Regisseur weitgehend auf seine bisherigen filmischen Gestaltungsmittel (starre Einstellung, Schwenks und Zooms) und bevorzugt Kamerafahrten, um möglichst nah bei seinen Personen bleiben zu können, sie zu belauschen und umspielen und gleichzeitig auch immer einen neuen Aspekt von Paris liefern zu können. Entstanden ist so ein kleiner feinnerviger Film, der nicht nur Lust auf eine Reise in die französische Hauptstadt macht, sondern auch Lust darauf, sich zu verlieben, wenn's auch noch so schwer ist und immer mal wieder in kleineren oder größeren Katastrophen endet.
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