Mrs. Parker und ihr lasterhafter Kreis

Biopic | USA 1994 | 135 Minuten

Regie: Alan Rudolph

Leben, Lieben und Leiden der Schriftstellerin Dorothy Parker in einer mehr als vier Jahrzehnte umspannenden Künstlerbiografie. Mit Einfühlungsvermögen und bestechender formaler Eleganz nähert sich der Film der Tragik seiner widersprüchlichen Hauptfigur. Inszeniert in der für Alan Rudolph charakteristischen romantisch-melancholischen Art, unterstützt von einem außergewöhnlichen Darsteller-Ensemble und herausragenden Einzelleistungen bei Kamera, Ausstattung und Soundtrack, erinnert der Film eindringlich an die persönliche Verantwortung für das eigene Glück. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
MRS. PARKER AND THE VICIOUS CIRCLE
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
Fine Line Features
Regie
Alan Rudolph
Buch
Alan Rudolph · Randy Sue Coburn
Kamera
Jan Kiesser
Musik
Mark Isham
Schnitt
Suzy Elmiger
Darsteller
Jennifer Jason Leigh (Dorothy Parker) · Campbell Scott (Robert Benchley) · Matthew Broderick (Charles MacArthur) · Andrew McCarthy (Eddie Parker) · Tom McGowan (Alexander Woolcott)
Länge
135 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Biopic
Externe Links
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Diskussion
"Das menschliche Wesen ist komplexer als gemeinhin angenommen - und sehr viel komplexer als in den meisten Filmen dargestellt: Immer mehr Menschen verstehen sich selbst immer weniger", sagt Alan Rudolph auf die Frage nach Titel und Thema seines neuen Films. Damit meint er die inneren Antriebe, denen man, oft wider besseres Wissen, folgt wie unter Zwang. Die menschliche Existenz zwischen individuellem, häufig romantischem Anspruch und harter gesellschaftlicher Realität - ein Motiv, mit dem der Regisseur sich schon mehrfach, zuletzt in seinem Doppelgänger-Gleichnis "Equinox" (fd 30 357), befaßt hat.

Die Protagonistin, die amerikanische Schriftstellerin Dorothy Parker (1893-1967), weiß sehr genau, was man von ihr - als Künstlerin und als Frau - erwartet, doch sie kann oder will sich nicht disziplinieren und schon gar nicht dazu durchringen, ein den Konventionen ihrer Zeit konformes, "geordnetes" Leben zu führen. Als Theaterkritikerin bei der New Yorker Zeitschrift "Vanity Fair" erst gefeiert, dann gefeuert, ist die ebenso scharfsinnige wie scharfzüngige junge Autorin 1919 Mitbegründerin des "Algonquin Round Tabel", jener illustren Tafelrunde aus Dichtern und Denkern, die als berühmt-berüchtigter literarischer Zirkel der 20er Jahre in die amerikanische Kulturgeschichte einging.

Zwischen den Brennpunkten Broadway und Hollywood und über eine Zeitspanne von fast 50 Jahren schildert die einfühlsame Künstlerbiografie das Leben, Lieben und Leiden Dorothy Parkers als das einer schillernd-widersprüchlichen, tragischen Figur, die ihrer Zeit immer ein bißchen zu weit voraus war, um sich bescheiden zu können und die ersehnte Ruhe und Zufriedenheit zu finden. Selbst unablässig auf der Suche nach Geborgenheit, sensibel und verletzlich, war sie zu anderen oft kalt, zynisch und verletzend, wodurch sie sich zeitlebens selbst im Wege stand. Ihre Ehen und Affären, ihre Arbeitsund materiellen Verhältnisse und ihre künstlerische Kreativität litten darunter - selbst die große Liebe ihres Lebens blieb, obwohl erwidert, letztlich unerprobt und unerfüllt.

Der Originaltitel "Mrs. Parker and the vicious circle" trifft Parkers Lage in doppelter Hinsicht: Äußerlich ist sie be- und geachtetes Mitglied eines "lasterhaften Kreises" von trinkfreudigen Lebenskünstlern, innerlich ist sie im Teufelskreis ihrer individuellen Laster gefangen. Sie wird nicht glücklich, weil es ihr nicht gelingt, ihren persönlichen "circulus vitiosus" in einen "circulus virtuosus" zu verwandeln - ihren ganz eigenen Kreis von Tugenden, die sie durchaus kennt und zu denen sie als kluge und sensible Frau auch Zugang hätte. So zeichnet sich früh ein unglückliches Leben ab, das schließlich in Härte und Bitterkeit endet - was niemand klarer sieht als die Betroffene selbst. Sie kann ihr "Schicksal" zwar in bemerkenswerten literarischen Zeugnissen. deren Esprit ihre Traurigkeit nicht verdeckt, kommentieren, nicht aber entscheidend ändern.

Mit bestechender formaler Eleganz nähert Alan Rudolph sich der individuellen Tragik seiner widersprüchlichen Protagonistin in der für seine Filme inzwischen charakteristisch gewordenen romantisch-melancholischen Art. Unterstützt von einem außergewöhnlichen Darsteller-Ensemble, vor allem in der Titelrolle, und brillanten Leistungen bei Kamera und Ausstattung erinnert der Regisseur den Betrachter eindringlich an die persönliche Verantwortung für das eigene Glück. Maßgeblichen Anteil am Gelingen des feinfühligen Films hat der Komponist und Jazzmusiker Mark Isham. Mit seinem zeitlosen, für die Epoche aber zeitgemäßen Swing- und Blues-Soundtrack (und einigen kongenialen Vertonungen von Parkers Gedichten) bewirkt er innere Anteilnahme und stimuliert die Zuhörer auch zur gefühlsmäßigen Einlassung auf das Gesehene, ohne ihre Gefühle mit allzu deutlichen Vorgaben zu lenken.
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