Don Juan de Marco

Komödie | USA 1994 | 97 Minuten

Regie: Jeremy Leven

Ein junger Mann behauptet, der berühmte Liebhaber Don Juan zu sein. Ein kurz vor der Pensionierung stehender Psychiater versucht, das Rätsel dieser Wahnvorstellung aufzuklären. Doch der Patient wehrt sich erfolgreich gegen eine "Heilung", und der Arzt wird ebenso von der "romantischen Krankheit" befallen. Die sympathische Komödie vermittelt ihre ebenso einfache wie humane Botschaft von der lebensspendenden Kraft der Liebe mit feiner Ironie und bezieht aus dem Widerspruch zwischen poetischer Fantasie und nüchternem Alltag eine reizvolle Kontrastwirkung. In den Hauptrollen überzeugend gespielt. - Sehenswert ab 16.
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Filmdaten

Originaltitel
DON JUAN DE MARCO
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1994
Produktionsfirma
New Line Cinema/American Zoetrope
Regie
Jeremy Leven
Buch
Jeremy Leven
Kamera
Ralf D. Bode
Musik
Michael Kamen
Schnitt
Tony Gibbs
Darsteller
Marlon Brando (Jack Mickler) · Johnny Depp (Don Juan de Marco) · Faye Dunaway (Marilyn Mickler) · Géraldine Pailhas (Doña Ana) · Bob Dishy (Dr. Paul Showalter)
Länge
97 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 16.
Genre
Komödie
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Heimkino

Verleih DVD
Kinowelt (16:9, 1.85:1, DD5.1 engl., DS dt.)
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Diskussion
Der junge Mann mit Zorro-Maske, wehendem Cape und Degen hat perfekte Umgangsformen, eine große rhetorische Begabung und einen besonderen sexuellen Ehrgeiz: er behauptet, mehr als 900 Frauen geliebt zu haben. Der junge Mann nennt sich Don Juan De Marco, größter Liebhaber aller Zeiten, Poet und Verführer, melancholisches Genie des Eros. Doch Don Juan hat zwei Probleme, die größer nicht sein könnten: erstens wurde er von Dona Ana, seiner einzigen wahren Liebe, verschmäht und verlassen, zweitens lebt Don Juan im New York der Gegenwart. Das bedeutet konkret: Er läuft dauernd Gefahr, als armer Irrer in der Gummizelle zu landen.

Als Don Juan mit pathetischer Geste seinem Leben ein Ende setzen möchte, ist glücklicherweise der erfahrene Psychiater Jack Mickler zur Stelle. Mickler gibt sich als spanischer Edelmann Don Octavio del Flores aus. Damit trifft er den richtigen Ton, kommt mit Don Juan ins Gespräch und erwirbt dessen Vertrauen. Damit läßt sich der Arzt aber auch zum ersten Mal auf die Spielregeln seines Patienten ein - was für ihn unabsehbare Folgen haben wird. "Was würden Sie jemandem sagen, der behauptet, daß dies eine Klinik ist, daß Sie Patient und ich Ihr Psychiater bin?", fragt Mickler. "Ich würde sagen, daß er die Dinge sehr beschränkt und unkreativ sieht," erwidert Don Juan. Mickler ist beeindruckt. Beide treffen eine Vereinbarung: Falls es Don Juan gelingen sollte, den Arzt zu überzeugen, daß dieser es tatsächlich mit dem echten Don Juan zu tun hat, ist der Patient frei und kann gehen, wohin er will. Sollte es Mickler umgekehrt schaffen, Don Juan sozusagen der Schizophrenie zu überführen, will dieser sich freiwillig den gängigen Therapien unterwerfen, was heißt: Psychopharmaka und geschlossene Anstalt. Für das Unterfangen, das Mickler gegen den Widerstand der Klinikleitung durchsetzt, bleibt eine Frist von zehn Tagen. Denn dann geht Mickler in den vorzeitigen Ruhestand.

"Don Juan De Marco" ist ein schönes Beispiel für die einfache Umsetzung komplizierter Sachverhalte in klare Strukturen. Der Film läßt zwei Prinzipien unter nahezu klinischen Bedingungen gegeneinander antreten: es geht um den Widerspruch zwischen Traum und Alltag, Romantik und Wissenschaft, um das Gefälle zwischen titanischer Leidenschaft und den miesen kleinen Kompromissen, zu denen diese Leidenschaft im täglichen Leben jammervoll verkümmert. Der zeitliche Rahmen, in dem die Auseinandersetzung stattfindet, gleicht einem Countdown: zehn Tage, in denen die beiden Prinzipien miteinander streiten, bis das stärkere von beiden obsiegt; zehn Tage Zeit auch für Mickler, den Kollegen und sich selbst einen letzten Beweis seines Könnens zu liefern.

Aus diesem Gedankenspiel ergeben sich reizvolle Kontraste. Die beiden Prinzipien haben ihre eigenen Sprachen und Filmgenres. Don Juans Sprache ist der blumige Diskurs, die arabeskenreiche Suada der galanten Literatur. Die Sprache Micklers ist die nüchterne, von behutsamer Taktik bestimmte Sprache des Therapeuten. Micklers Welt ist die des Problemfilms: psychologischer Realismus, kammerspielartige Inszenierung. Don Juan dagegen lebt in der Welt des Hollywood-Kostümkinos der 40er Jahre. Er erzählt dem Arzt sein Leben in "Rückblenden", die im Stil alter Technicolor-Musicals inszeniert sind und alles aurbieten, was von "Zorro" bis "Carmen" an hispanischen Klischees durch die Filmgeschichte geistert: Kindheit und Jugend in Mexiko, erste Liebe und Verwirrung der Gefühle, Tod des Vaters im Duell, Flucht und Irrfahrt bis hin zu einer bizarren Episode im Harem eines orientalischen Fürsten und zum Schiffbruch auf der Insel Eros, wo Don Juan seine große Liebe findet und wieder verliert. Micklers Job ist es, diese Mantel-und-Degen-Fantasien zu "heilen". Doch statt die wahre Identität seines Patienten zu klären, bekommt er Zweifel an seiner eigenen. Dem Zauber des Don Juan erlegen, erkennt er sich als einen frustrierten Mann, der viele Chancen verspielt, viele Träume begraben hat. "Sie brauchen mich für eine Transfusion, weil Ihnen das Blut in den Adern vertrocknet und das Herz versandet ist. Ganz allein in meiner Welt können Sie Atem holen", sagt Don Juan. "Sie haben alle meine Masken durchschaut", gesteht Mickler - und wird nun seinerseits heftig von der "romantischen Krankheit" befallen. Mrs. Mickler, eher dem gesunden Menschenverstand zugeneigt, nimmt diesen zweiten Frühling zunächst erstaunt, dann erfreut zur Kenntnis.

Auch als Don Juans wahre Geschichte bekannt wird - er heißt John Arnold De Marco und geriet durch die Liebe zu einem Pin-up-Girl aus dem seelischen Gleichgewicht -, ändert dies nichts daran, daß die Welt des Don Juan die schönere und bessere ist: eine Einsicht, die der Film natürlich von Anfang an hat und auch am Ende nicht preisgeben will. Am zehnten Tag präsentiert Mickler den Kollegen einen scheinbar ganz normalen jungen Mann, der zwar Probleme hat, aber nicht geisteskrank ist. Doch kann man dieser "Heilung" wirklich trauen? Ist das Ganze nicht ein geschickter Trick, mit dem die beiden die Schulmedizin aushebeln und sich einen eleganten Abgang verschaffen wollen?

Der Film endet mit märchenhaften Bildern der Insel Eros, wo Don Juan seine Doña Ana und das Ehepaar Mickler sein spätes Glück findet. Ein schöner Traum, eine Fantasie? Das offene Ende ist einerseits eine Schummelei: der Film drückt sich an der Beantwortung der Frage vorbei, ob das romantische Prinzip in einer profanen Welt überleben kann. Andererseits ist das Ende das konsequente Ergebnis eines Verfahrens, das der Film raffiniert die ganze Zeit über angewendet hat: Mickler war niemals nur der passive Zuhörer; immer schon hat er an den Erzählungen des Don Juan mitgedichtet. Vielleicht stammten ja die "Rückblenden" gar nicht aus der Innenwelt des Don Juan, sondern waren Projektionen im Bewußtsein Micklers? Dieses Spiel mit den Perspektiven des Erzählens gehört zu den subtilen Kunstgriffen des Films. Es endet damit, daß Mickler ganz in die Rolle des "Autors" schlüpft und die Geschichte des Don Juan nach eigenem Gusto weiterdichtet. Die Krankheit hat ein weiteres Opfer gefunden. "Don Juan De Marco" ist ein Film mit einfacher Botschaft, der mit feinen Ironisierungen arbeitet. Gegenüber den High-Speed-Komödien der letzten Jahre hat er eher den Charme eines gemütlich schnaufenden Oldtimers. Marlon Brando spielt völlig unprätentiös: keine überlebensgroße Figur, sondern ein Mensch mit nachvollziehbaren Problemen. Das Zusammenspiel des Altstars mit dem Jungstar Johnny Depp ist ebenso entspannt wie intensiv. Daneben zeigt Brando viel Selbstironie, etwa wenn er gleich in seinem ersten Dialogsatz den befreundeten Polizeidetektiv tadelt: "Es scheint, du hast etwas an Gewicht zugelegt." Zusammen mit Faye Dunaway bildet Brando ein sympathisches Paar, das sich mit verhaltener Panik auf das Rentenalter zubewegt. Jeremy Leven gönnt den beiden sogar eine richtige Bettszene, die allerdings - auch das gehört zum altmodischen Flair des Films - ganz brav mit verdunkelter Leinwand und haltlosem Gekicher endet.
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