King George - Ein Königreich für mehr Verstand

Tragikomödie | Großbritannien/USA 1994/95 | 110 Minuten

Regie: Nicholas Hytner

1788 wird der englische König George III. von einer seltsamen Krankheit heimgesucht, die ihn fast in den Wahnsinn und das Königreich in eine Krise stürzt. Eine pointiert geschriebene und einfallsreich inszenierte Tragikomödie. Bis in die Nebenrollen großartig besetzt und opulent ausgestattet, nimmt der Film zwar die Monarchie bissig aufs Korn, betont aber auch das Menschliche seiner Figuren. Ein intelligenter Spaß. - Sehenswert ab 14.
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Filmdaten

Originaltitel
THE MADNESS OF KING GEORGE
Produktionsland
Großbritannien/USA
Produktionsjahr
1994/95
Produktionsfirma
Samuel Goldwyn Company/Close Call
Regie
Nicholas Hytner
Buch
Alan Bennett
Kamera
Andrew Dunn
Musik
George Fenton
Schnitt
Tariq Anwar
Darsteller
Nigel Hawthorne (King George) · Helen Mirren (Queen Charlotte) · Ian Holm (Willis) · Rupert Everett (Prince of Wales) · Amanda Donohoe (Lady Pembroke)
Länge
110 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 12; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 14.
Genre
Tragikomödie | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
"Die Färbung des königlichen Urins läßt darauf schließen, daß George III. an Porphyria litt, einer physischen Krankheit, die das Nervensystem beeinflußt. Diese Krankheit tritt periodisch auf, ist unberechenbar - und erblich." Dieses Insert setzt den ironischen Schlußpunkt auf eine Tragikomödie im Gewand des Kostümfilms, deren Seitenhiebe auf eine nicht mehr zeitgemäße Monarchie unübersehbar sind und die trotz ihrer auch liebevollen Zeichnung der Königsfamilie keinen Hehl daraus macht, daß sie diese für überflüssig hält und am liebsten gegen eine Republik eingetauscht sähe.

Die Geschichte des Films führt zurück ins Jahr 1788. Der Verlust der amerikanischen Kolonien hat sehr an den Nerven des ohnehin exzentrischen Königs George III. gezehrt. Aber nun scheint er völlig durchzudrehen: er scheucht im Morgengrauen seine Dienerschaft aus den Betten, läuft im Nachthemd über die Wiesen, fällt über die Hofdame seiner beunruhigt heraneilenden Gattin her, und seine Sprache wird immer wirrer und obszöner. Als er beim Holkonzert selbst ans Spinett stürmt, um das Orchester in Schwung zu bringen, wird sein immer unberechenbareres Verhalten öffentlich, und das Parlament beginnt sich Sorgen zu machen. Während sein Premierminister den Zustand durch die Heranziehung der besten Ärzte in den Griff zu bekommen glaubt, sieht sein liberaler Widersacher im Unterhaus die Chance, den ihm willfährigen Prinzen von Wales auf den Thron zu hieven. Der isoliert seinen Vater, verbietet sogar seiner Mutter den Kontakt. Als die Ärzte immer ratloser werden, ruft man den wegen seiner unkonventionellen Heilmethoden bekannten ehemaligen Geistlichen Dr. Willis, der sich als eine Mischung aus "Teufelsaustreiber" und "Psychiater" entpuppt. Während seine rabiaten Behandlungsmethoden langsam Wirkung zeigen, bereitet das Parlament einen Gesetzentwurf vor, der den Prinzen von Wales zum Regenten macht. In letzter Sekunde kann die Königin ihren Mann von dem bevorstehenden Machtwechsel unterrichten. Die Nachricht wirkt wie ein heilender Schock. Der zum Kind gewordene König wird plötzlich wieder zum Ehrfurcht gebietenden Monarchen und macht sich, umjubelt von den ihn wegen seiner Volksnähe liebenden Massen, auf ins Unterhaus, um seine Regentschaft zu retten.

Mit King Georges Aufbruch zur Parlamentseröffnung beginnt der Film: eine rasant gefilmte Exposition zu Händel-Klängen, die den Rhythmus vorgibt. Und da immer Bewegung im Bild ist, sei es durch die Personen oder durch die Kamera, läßt die Inszenierung schon bald vergessen, daß es sich um die Adaption eines Theaterstückes handelt, das der Regisseur selbst in London und am Broadway mit großem Erfolg in Szene gesetzt hat. Als habe er schon immer hinter der Kamera gestanden, löst er die engen Bühnenräume geschickt filmisch auf, erweitert sie durch Außenräume, die dramaturgisch kongenial ins Konzept eingebunden sind. Der geniale Productionsdesigner Ken Adams schuf eine Ausstattung, die den Film teurer aussehen läßt, als seine relativ bescheidenen acht Mio. Produktionskosten vermuten lassen. Und in diesen stimmungsvollen, detailverliebten Sets agiert eine Darstellerriege, die das Ensemblespiel hervorragend beherrscht. Jede auch noch so kleine Rolle wirkt präzise gezeichnet und eingebunden in die Geschichte. Wunderbar dekadent Rupert Everett und Julian Rhin-Tutt als Prince of Wales und Duke of York, wie sie fett, faul und gelangweilt hinter ihren Königseltern herwieseln und von ihrer Mutter ermahnt werden müssen, dem Volk zuzulächeln und -winken: "Dafür werdet ihr schließlich bezahlt." Aber man amüsiert sich nicht nur über die vielen kleinen Nadelstiche ins höfische Leben, dessen Etikette sofort zusammenfällt, wenn der König den Raum verläßt. Auch der schon weit verbreitete Opportunismus in der noch jungen "Demokratie", das In-die-eigene-Tasche-Wirtschaften der Abgeordneten, das unreflektierte Traditionsdenken der Massen nimmt man erkennend-schmunzelnd zur Kenntnis. Daß der Film dem Zuschauer die Monarchie nicht gänzlich vergällt, liegt an dem trotz aller Kritik letztlich doch liebevollen Umgang von Autor und Regisseur mit ihren Figuren. Vielleicht ist es Nigel Hawthornes Kunst, den Menschen hinter seiner Königs-Rolle erkennen zu lassen, die am Ende ein wenig mit der Monarchie versöhnt, ohne daß man sie letztlich akzeptiert. Auf jeden Fall aber vermitteln das intelligente Drehbuch und die einfallsreiche Regie das selten gewordene Gefühl, als Zuschauer im Kino ernstgenommen zu werden und mitdenken zu dürfen.
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