Kalle und die Engel

Kinderfilm | Norwegen/Schweden 1993 | 91 Minuten

Regie: Ole Björn Salvesen

Ein achtjähriger Junge wartet nach dem Tod seines geliebten Vaters auf dessen Rückkehr und trifft dabei auf einen vom Himmel gefallenen Engel, der seinen Vater in die Wolken "überführen" soll. Durch die Freundschaft mit dem kurzzeitig flugunfähigen Himmelsboten und das Verständnis seiner Umwelt überwindet er seine Trauer. Eine von Poesie und Optimismus getragene kindgerechte Auseinandersetzung mit dem Tod, die trotz ihrer märchenhaften Stimmung nie den Bezug zur Realität verliert. Getragen von überzeugenden Darstellern, spricht der Film auch unaufdringliche Sexualität an, ohne sein Hauptthema zu verwässern. - Sehenswert ab 8.
Zur Filmkritik

Filmdaten

Originaltitel
KALLE OG ENGLENE | KALLE OCH ÄNGLARNA
Produktionsland
Norwegen/Schweden
Produktionsjahr
1993
Produktionsfirma
Kjeruben-Film/Oslo-Film/Mekano/Connexion
Regie
Ole Björn Salvesen
Buch
Kjell Sundstedt · Ole Björn Salvesen
Kamera
Erling Thurmann-Andersen
Musik
Gunnar Edander
Schnitt
Susanne Linnman
Darsteller
Tom Beck Letessier (Kalle) · Karl Sundby (Michael) · Unni Kristin Skagestad (Mutter) · Helge Jordal (Vater) · Petter Width Kristiansen (Johnny)
Länge
91 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 0; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Kinderfilm
Externe Links
IMDb | TMDB | JustWatch

Diskussion
Die Auseinandersetzung mit dem Tod ist im skandinavischen Kinder- und Jugendfilmschaffen kein Tabu-Thema, Immer wieder haben sich Autoren und Regisseure bemüht, ihr junges Publikum kindgerecht mit diesem Thema zu konfrontieren ("Die Brüder Löwenherz", fd 28 481, "Mein Leben als Hund", fd 26 433). "Kalle und die Engel" setzt diese Tradition fort.

Der achtjährige Kalle hat sich schon immer Gedanken über Engel gemacht. Wenn er mit seinem Vater Flugblätter gegen die Umweltverschmutzung verteilt, dann macht er das auch zum Nutzen der Himmelsbewohner, deren Flügel durch die Luftverpestung ebenfalls arg verdreckt werden. In den Sommerferien, die die Familie bei den Großeltern am Meer verbringt, bauen Kalle und sein Vater einen Drachenflieger, von dem er dann die Flugblätter abwerfen will. Schon beim ersten Flug verunglückt der Vater tödlich. Auf der Trauerfeier hat Kalle dann eine seltsame Begegnung: vor der Kirche huscht eine Engelsgestalt vorbei, hinterläßt nur eine Feder. Nun glaubt Kalle fest daran, daß sein Vater irgendwo dort oben auf den Wolken sitzt und nur auf einen günstigen Moment wartet, um ihn noch einmal zu besuchen und Abschied zu nehmen. Alle halten ihn natürlich für einen Spinner, aber Kalle läßt sich nicht beirren. Und eines Tages passiert das Unglaubliche: auf Großvaters Apfelbaum sitzt der Engel Michael, der seinen Vater in den Himmel überführen soll. Aber nicht nur, daß Michael sich den Hügel gebrochen hat, Kalles Vater verweigert auch die Himmelfahrt, bis er die Zusicherung der himmlischen Heerscharen hat, daß sie gemeinsam mit ihm für "eine saubere Luft" demonstrieren. Während Kalle Michael in Großvaters Bootshaus gesundpflegt, schließen die beiden Freundschaft und versuchen gemeinsam herauszufinden, warum Kalles Vater abgestürzt ist. Im Himmel macht man sich derweil Sorgen um die "Vermißten", und zwei Erzengel werden auf die Erde geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. In seiner Not weiht Kalle den Großvater in sein Geheimnis ein, und der hat eine Idee, wie er zugleich die Engel besänftigen und Kalles Vater "überreden" kann, gemeinsam mit ihnen seinen Platz im Himmel einzunehmen.

Während des Vorspanns kommentiert Kalle aus dem "Off einen auf seinem Geburtstag laufenden Familienfilm und stellt so die wichtigsten Personen der Handlung vor: seine offensichtlich glücklich verheirateten Eltern; Bruder Johnny, der es nicht erwarten kann, erwachsen zu werden; die Großmutter, die sehr nett ist, "obwohl sie Schwedin ist"; den wegen seiner Schwerhörigkeit etwas grießgrämigen Großvater und die kleine Marie, die so gerne Kalles Freundin sein möchte. Diese spielerisch-humorvolle Art, mit der hier die Figuren gezeichnet werden, zieht sich durch den ganzen Film. Und indem Ole Björn Salvesen die Handlung in den 60er Jahren spielen läßt, verstärkt er noch die "märchenhafte" Stimmung des Films, der trotz seines an sich traurigen Themas immer jenen Optimismus ausstrahlt, der Kalle hilft, über den Verlust des geliebten Vaters hinwegzukommen. Nachdem der Film in einer kurzen Szene, in der Kalle unters Bett kriecht, um nicht zur Beerdigung gehen zu müssen, eindringlich seine Verzweiflung gezeigt hat, verfällt er keine Sekunde in tränenhaschende Sentimentalitäten, sondern läßt den (Ferien-)Alltag und Kalles ungeduldiges Warten auf den "Besuch" seines Vaters in den Vordergrund treten. Neben den kleinen Gesten der Zuneigung schildert er genauso behutsam die ersten Enttäuschungen in der Freundschaft zwischen Kalle und Marie. Voller Poesie ist Johnnys unerfüllte Liebe zu der Busfahrerin, deren Brust er so gerne sehen möchte. Als ihm Kalle, in stillem Einvernehmen mit der Angebeteten, diesen Wunsch erfüllt, umschifft die Regie durch ihren einfühlsamen Inszenierungsstil auch hier alle Klippen einer peinlichen oder gar voyeuristischen Zurschaustellung. So unverkrampft sie mit der erwachenden Sexualität umgeht, so beiläufig geht sie mit den Engel-Erscheinungen um. Als wäre ihre Anwesenheit auf Erden die natürlichste Sache der Welt, durchzieht nicht einen Moment auch nur der Anflug von Kitsch diese Szenen. Der sich auf den sparsamen Einsatz von Klavier, Harfe und Baß beschränkende Soundtrack verstärkt noch den lakonisch-liebevollen Erzählstil des Films, dessen kleine und große Darsteller so überzeugend spielen, als wäre die Kamera zufällig dabei, während sie alles "wirklich" erleben. Ein wunderbarer Kinderfilm, der junge wie jung gebliebene Zuschauer durch seine Poesie und Wahrhaftigkeit verzaubert.
Kommentar verfassen

Kommentieren