Der Indianer im Küchenschrank

Abenteuer | USA 1995 | 96 Minuten

Regie: Frank Oz

Im Kinderzimmer eines amerikanischen Jungen erfüllt sich der Traum vieler Kinder: Omris Lieblingsfigur, der Indianer "Kleiner Bär", wird lebendig, und zwischen den beiden entsteht eine Freundschaft, in der beide viel über die "Kultur" des anderen lernen. Als ein Klassenkamerad den Zauber entdeckt und neue Figuren zum Leben erweckt, kippt das Spiel in blutigen Ernst um, ehe es doch noch versöhnlich endet. Ein zauberhafter Kinderfilm, dessen Warnung vor übermäßiger Fernsehgewalt zwar etwas aufgesetzt ist, der aber die Kinder zu Toleranz gegenüber fremden Menschen und Kulturen anhält. Tricktechnisch hervorragend gestaltet, versagt sich der Film jeder effekthascherischen Ausbeutung seiner Spezialeffekte und bleibt durch seinen ruhigen Erzählrhythmus auch für Kleinere nachvollziehbar. - Sehenswert ab 8.
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Filmdaten

Originaltitel
THE INDIAN IN THE CUPBOARD
Produktionsland
USA
Produktionsjahr
1995
Produktionsfirma
Paramount/Columbia
Regie
Frank Oz
Buch
Melissa Mathison
Kamera
Russell Carpenter
Musik
Randy Edelman
Schnitt
Ian Crafford
Darsteller
Hal Scardino (Omri) · David Keith (der Cowboy) · Rishi Bhat (Patrick) · Litefoot (Kleiner Bär) · Lindsay Crouse (Jane (Mom))
Länge
96 Minuten
Kinostart
-
Fsk
ab 6; f
Pädagogische Empfehlung
- Sehenswert ab 8.
Genre
Abenteuer | Kinderfilm | Literaturverfilmung
Externe Links
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Diskussion
Wer hat als Kind nicht davon geträumt, daß man eines Tages aufwacht und die Spielfiguren um einen herum sind zum Leben erwacht? Lynne Reid Banks hat mit ihrer Kinderbuch-Serie "The Indian in the Cupboard" diesen Traum wahr gemacht, und Melissa Mathison hat die Vorlage zu einem sehenswerten Familienfilm umgeschrieben. Omri ist ein ganz normaler amerikanischer Junge, der mit Eltern und Brüdern in New York lebt. Er läßt nachts die Zimmertür offen und im Flur das Licht brennen, weil er sich im Dunkeln fürchtet, und er kriecht auch noch zu seinen Eltern ins Bett. An seinem neunten Geburtstag wird er dann plötzlich mit Ereignissen konfrontiert, die einschneidend in seine behütete Kindheit eingreifen: als er das Geschenk seines besten Freundes Patrick, einen Spielzeugindianer, in das von seinen Brüdern bekommene Wandschränkchen einschließt, erwacht dieser zum Leben. Omri und der aus dem Jahre 1761 in die Jetztzeit versetzte Little Bear schließen Freundschaft. Der Junge zeigt dem winzigen Indianer seine Welt und Little Bear erzählt von seinem Leben. Immer wenn die Gefahr des Entdecktwerdens droht, stellt Omri Little Bear wieder in den Schrank, dreht den Schlüssel zweimal herum - und der Zauber ist vorbei. Aber das Spiel wird bald zum bitteren Ernst: Little Bear wird im Garten von einem Vogel angefallen, und Omri muß eine Sanitäter-Figur zum Leben verzaubern, die Little Bear dann verarztet. Beim "Erwecken" einer anderen Indianerfigur läuft die Sache nicht so glimpflich ab. Der alte Indianer, von dem sich Omri einen Bogen für Little Bear ausleihen wollte, stirbt, bevor er zurückverwandelt werden kann. Und als Patrick hinter Omris Geheimnis kommt und trotz dessen ausdrücklicher Warnung einen Cowboy aus dem 19. Jahrhundert samt Pferd zum Leben erweckt, eskaliert die Situation. Der Cowboy und der Indianer bekämpfen sich sofort. Gerade noch rechtzeitig können die Kinder den Kampf stoppen. Omri nimmt die beiden am nächsten Tag mit zum Unterricht und in der engen Schultasche schließen Little Bear und Boone Frieden. Aber der währt nicht lange: Als sie gemeinsam mit Patrick und Omri einen Western im Fernsehen sehen, verwischen sich für sie die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, und ein Kampf auf Leben und Tod beginnt, bei dem Little Bear Boone mit einem Pfeil schwer verletzt. Als Omri den Sanitäter zu Hilfe holen will, ist aber der Schrank verschwunden. Als er ihn endlich findet, fehlt der Schlüssel, und zu allem Unglück ist auch noch das Haustier seiner Brüder, eine Ratte, aus ihrem Käfig ausgebrochen. Und sie wuselt genau da unter den Dielen herum, wo Little Bear nach dem Schlüssel sucht. Nur wenn er rechtzeitig den Schlüssel findet und der Ratte entkommen kann, wird Boone gerettet werden können und die Geschichte ein Happy End haben.

In dem "Muppet"-Mitschöpfer Frank Oz fand die Produktion einen Regisseur, der es verstand, die fantastische Vorlage in kongeniale Bilder umzusetzen, ohne daß sie von der beeindruckenden Tricktechnik der Industrial Light & Magic-Spezialisten zugedeckt würden. Das Staunen über die in überlebensgroßen Kulissen agierenden Schauspieler weicht bald dem Eintauchen in die spannende und humorvolle Geschichte. Allen (verführerischen) Fallstricken der Geschichte wie dem kurzzeitigen "Aufleben" von Monsterfiguren und Dinosauriern schiebt die Inszenierung schnell einen Riegel vor, ebenso wie sie den Kampf mit der Ratte nicht zum Horror-In-szenario verkommen läßt. Buch und Regie interessieren sich mehr für die moralischen Aspekte der Geschichte, benutzen die Story, um ihren kleinen Zuschauern den Übergang zwischen Kindheit und Jugend nahezubringen: Omri lernt Verantwortung zu übernehmen, sich mit fremden Kulturen und Menschen auseinanderzusetzen, und Patrick lernt, daß man Freunden vertrauen und sein Wort halten muß. Und in der Figur des Cowboys und des Indianers stehen sich der rassistische Westerner und der seines Landes beraubte Ureinwohner Amerikas gegenüber - und die Sympathien sind klar verteilt: Boone ist ein ständig betrunkener Rassist, der aber langsam lernt, daß sein in den Kulturen seines Volkes verwurzeltes Gegenüber kein "Wilder", sondern ein Mensch ist. Vielleicht kommt Oz' Warnung vor den schädlichen Wirkungen der Mediengewalt ein wenig zu vordergründig daher, weil er einen kausalen Zusammenhang zwischen "Gesehenem" und direkter Reaktion herstellt. Aber immerhin thematisiert er einmal das Thema Gewalt, das ja im amerikanischen Film in immer exzessiverer Form zur Gewohnheit geworden ist. Gegen den Strich hat Oz auch die Kinderrollen besetzt: es sind nicht die süßen, kleinen Jungen, die von der Leinwand lächeln, sondern ganz "normale Durchschnittsgesichter", die um so mehr Möglichkeiten zur Identifikation bieten. Oz' Inszenierung bleibt trotz allem tricktechnischen Aufwand immer der Geschichte und seinen Figuren verbunden, so daß der in einem für dieses Thema erstaunlich ruhigen Rhythmus erzählte Film auch für junge Zuschauer nachvollziehbar bleibt. Allerdings schrieb Randy Edelman einen Soundtrack, der allzu sehr "auf die Pauke" haut und dem Film eine unangemessene Action-Attitüde aufdrückt.
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